Kapitel 13

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Plötzlich klingelt mein Handy und ich zucke zusammen. Oh nein - das darf doch nicht wahr sein! Er weicht zurück und schaut mich an. "Tut mir leid ich-". Er unterbricht mich. "Schauen Sie nach - vielleicht ist es wichtig". Warum will er, dass ich nachschaue? Ich kann mich nicht an den letzten Moment erinnern, an dem ich so nervös war. Energisch hole ich mein Handy aus meiner Tasche raus und werfe einen Blick auf den Bildschirm. Mary. Das kann doch nicht wahr sein. Muss sie genau jetzt anrufen? Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. Jetzt geht er bestimmt. "Es war ein wunderschöner Abend. Ich bedanke mich herzlich und wünsche Ihnen eine gute Nacht!". Seine Lippen formen sich zu einem Lächeln und ich kann nicht aufhören sie anzustarren. Ich löse den Blick rasch und antworte ihm. "Ich bedanke mich - und ebenfalls." Ich beobachte ihn, während er zum Auto geht. Kurz bevor er einsteigt - wirft er mir ein Lächeln zu. Das war's. Das war meine Chance.

Nachdem ich Mary in meinem Schlafzimmer zurückgerufen und erzählt habe, was sie angerichtet hat, flippt sie total aus- "Beruhig dich Mary!". Ich lache laut auf. "Ich bin irgendwie froh, dass nichts passiert ist, sonst würde ich jetzt an wirklich nichts anderes denken können." Sie lacht ebenfalls. "Ich kann nicht glauben, dass er nachdem ich gegangen bin, aufgetaucht ist! So kurz habe ich ihn verpasst! Oh man Sophia! Du hättest beinahe den Bundeskanzler geküsst!!" Ich erröte bei diesen Worten - und spüre Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Ich gucke auf die Uhr. "Mary - so gerne ich noch über meine fast-Geschehnisse mit dir reden möchte - in vier Stunden muss ich aufstehen, um arbeiten zu gehen." Sie entschuldigt sich noch einige Male bevor sie sich verabschiedet. Sobald sie auflegt, lege ich mein Handy auf die Seite und denke an blaue Augen und fast-Küsse - dabei schlafe irgendwann ein ...


"Passen Sie doch auf!". Eine mürrische alte Dame wirft mir einen bösen Blick zu. Was hat die denn? Die Bahn ist so vollgestopft, dass ich nicht einmal hinter mir nachsehen kann, wer mich auf sie geschubst hat. Na toll - super Start in den Tag. Zwanzig Minuten später betrete ich das Café, in dem so gut wie nichts los ist.


"Was darf ich Ihnen bringen?". Ich begrüße gerade einen jungen Herren, der vielleicht zwei oder drei Jahre älter als ich ist. Es ist bereits eine halbe Stunde vor Ladenschluss. Auf seinem Stuhl hängt ein schwarzer Mantel und er selbst trägt einen schwarzen Anzug, der jedoch an den Armen zu locker sitzt - im Gegensatz zu dem von -. Ich blicke wieder hinauf zu seinem Gesicht - er wirft mir einen verspielten Blick zu. Ich darf nicht ständig abschweifen und an ihn denken - oder seinen Anzug mit anderen Anzügen vergleichen. "Oh hallo die reizende Dame - ich hätte gerne schwarzen Kaffee mit einem Glas Wasser." Ich nicke. "Gerne". Ich halte mich kurz und gehe entspannt zurück. Bevor ich um die Ecke gehe, schaue ich zurück -  und ertappe ihn, wie mir sein Blick intensiv folgt. Sobald er mich nicht mehr sehen kann, verdrehe ich die Augen. Aber warum eigentlich? Ich bereite den Kaffee vor. Er sieht relativ gut aus und ist in meinem Alter. Warum stört es mich dann? Ich muss einmal auf andere Gedanken kommen und mich auf kleine Flirts einlassen. Genau. Das ist der Plan. Das Tablet balanciere ich geschickte auf meiner Hand, während ich zurück zum Tisch gehe. "Bitteschön der Herr." Ich versuche so freundlich zu lächeln, wie nur irgendwie möglich. "Ich hoffe, der ist mit viel Liebe zubereitet worden." Geschmacklose Witze sind also sein Ding - super. "Natürlich!". Er versucht mir tief in die Augen zu schauen. Ich höre leise im Hintergrund, wie Kunden in das Café kommen. "Ich hätte da noch eine Bitte bevor sie ihr hübsches Hinterteil wieder nach hinten bewegen-". Was hat er da eben gesagt? Das hat nichts mehr mit einem kleinem Flirt zu tun - das geht langsam aber sicher in eine aufdringliche Richtung. "- bringen Sie mir ein Stück von dem ihrer Meinung nach besten Kuchen - das dürfte bei dem hübschen Köpfchen kein Problem sein, oder?" Nicht kontern - du brauchst diesen Job. Das ist die schlimmste Art Männer - herablassend flirtend. Ich setze ein Lächeln auf. "Das dürfte kein Problem sein, ich suche gerne -". Plötzlich steigt mir der Duft eines nur allzu bekanntem Parfüms in die Nase. Das kann doch nicht -. "Oder aber, Sie machen sich auf den Weg zur Vitrine und suchen sich selbst ein Stück aus - damit ich die junge Dame einmal kurz für ein wichtiges Gespräch entführen kann." Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre in die etwas geschockten - aber eher genervten Augen des Mannes. Ich hingegen muss aussehen, als wäre ich einem Geist begegnet. Seit wann ist er schon hier? Langsam drehe ich mich um und starre in zwei vor Wut funkelnden Augen. Das darf doch nicht wahr sein. Er ist hier und-. "Also?". Wie konnte ich das nicht gleich bemerken? "Ähm, ja natürlich, ich komme." Er deutet mir, ihm zu folgen. Ich betrachte seinen Rücken und male mir tausend Sachen aus. Warum ist er hier? Wusste er, dass ich hier bin? Wir bleiben beim Tresen vor der Kaffeemaschine stehen. Er holt tief Luft. Nun habe ich den direkten Vergleich zu seinem perfekt sitzenden blauen Anzug. Oh man. "Tut mir leid, dass ich mich eingemischt habe, Sie wären auch sicher alleine damit klargekommen, aber-". Ich unterbreche ihn. "-Nein, ich danke Ihnen vielmals." Er schenkt mir ein warmes Lächeln. Ich habe ihn irgendwie vermisst. Also nein - nicht vermisst. Oder doch? Nein - das ist totaler Blödsinn. Es ist doch klar, dass er mir nach so einer Situation lieber ist, als der Mann mit der unguten Art. Als ich ihm in die Augen blicke, sehe ich, dass er nach wie vor wütend ist. Er atmet schwer und schaut öfter zurück zu dem Tisch. Ist er ehrlich wegen mir so wütend? Mein Herz macht einen Sprung. "Woher wussten Sie, dass ich heute arbeite?". Am liebsten würde ich jetzt sein Gesicht mit meiner Hand berühren - um ihn zu beruhigen. Seit wann habe ich bloß solche Gedanken? Er schaut mir einen Augenblick lang in meine Augen und es scheint so - als hätte er sich beruhigt. "Das wusste ich nicht - ich kam auf gut Glück hierher wollte Sie, falls Sie nichts vorhaben, nach Hause bringen." Ich kann nicht anders, als zu strahlen. Er kommt auf 'gut Glück' hierher um mich nach Hause zu bringen? "Das wäre doch nicht -". Ich sehe im Augenwinkel, wie der Mann vom Tisch aufsteht - kurz erschrecke ich, weil ich dachte, dass er herkommt. Was er auch tut. Er macht kehrt - er wollte doch gerade rausgehen. Oh nein. Übertrieben nahe bleibt er vor mir stehen - und wirft mir ein schmieriges Lächeln zu. "Der Rechnungsbetrag liegt auf dem Tisch und ich hoffe Sie haben noch einen schönen Abend - und wir werden uns hoffentlich bald wiedersehen, dann haben wir Zeit zu plaudern - ohne Unterbrechung." Sein Blick schweift an mir herab. Ich kann gar nicht hinsehen - es ist mir so unglaublich unangenehm. Ich sehe ihn seitlich, wie er immer wütender wird und immer schwerer atmet. Was wenn er ausflippt - meinetwegen? "In der Zwischenzeit - falls sie Single sind - bleiben Sie das auch .." Ich sehe, wie er einen Schritt nach vorne geht, als der Mann vor mir noch näher kommt. Ich berühre seine Hand. Dann drücke ich sanft seinen Handrücken. Er bleibt neben mir stehen und - tut gar nichts. Der Mann verabschiedet sich. "Herr Bundeskanzler". Dann dreht er um und geht. Er blickt auf unsere Hände. Sofort lasse ich los und spüre, wie meine Backen erröten. Ich beginne zu stottern. "Tut mir leid ich-". Er berührt meinen Arm. "Danke". Seine Hand auf meinem Arm lässt meine Haut kribbeln. "Machen Sie in Ruhe fertig und kommen dann nach? Ich warte währenddessen draußen." Er entfernt seine Hand. "Ja - natürlich, ich komme sofort nach." Was war das denn eben?


Als ich das letzte Licht ausmache, ist es draußen  bereits stockdunkel und ich sehe, wie er vor der Eingangstüre steht, ganz so, als würde er sie bewachen. Ich kann noch immer nicht glauben, was gerade geschehen ist. Ich trete aus dem Café und sperre ab. Er holt gerade sein Handy heraus und geht ran. "Ja - das habe ich mir fast gedacht. Okay, geht klar, 20 Minuten". Er packt es wieder weg und schaut mich an. Ich trage nun meine gewohnten Klamotten von vorhin. "Darf ich Sie nun nach Hause bringen?". Ich nicke und schenke ihm mein freundlichstes Lächeln. Er hält mir die Türe auf und steigt auf der anderen Seite ein. Ich begrüße den Fahrer. Auf dem Nachhauseweg reden wir über den Frühverkehr und ich erzähle ihm die Geschichte, von der mürrischen Frau heute Morgen. Er lacht laut auf. Der Wagen kommt zum Stillstand. "Danke, für die Rettung und die Heimfahrt." Ich schaue ihn an. Seine Lippenwinkel bewegen sich nach oben. "Die Freude ist ganz meinerseits. Ich mache das ausgesprochen gerne für Sie - und das im Café vorhin war selbstverständlich - ich könnte niemals mit ansehen -  wie jemand so mit Ihnen spricht." Ich spüre ein Kribbeln in meine Bauch. Er steigt aus und öffnet mir die Türe. Als ich vor ihm stehe, blickt er mich eindringlich an. "Leider muss ich dringend los, deswegen muss ich Sie alleine bis zur der Eingangstüre gehen lassen". Ich schmunzle. "Das dürfte kein Problem sein". Er schließt die Türe wieder. "Ich wünsche Ihnen eine gute und erholsame Nacht." Ich bedanke mich nochmals - dann steigt er wieder ein und fährt weg.


Zum dritten Mal, versuche ich nun Mary zu erreichen, doch jedes Mal meldet sich bloß die Mailbox. Typisch - sie vergisst mal wieder ihr Handy aufzuladen. Was soll's, ich versuche es morgen noch einmal. Ich falle wie ein Stein ins Bett und keine fünf Minuten später schlafe ich ein, nachdem ich den heutigen Tag noch ein- oder zweimal in meinem Kopf durchgehe. Ich denke, daran wie ich seine Hand berühre und er mich verteidigt - einfach so ...

Ein lautes Geräusch reißt mich aus dem Schlaf. Mein Handy - das ist bestimmt Mary, die mich zurückruft. Ich werfe einen Blick auf die Uhr - 11:46. Oh Gott - ich habe den erholsamen Schlaf vielleicht ein wenig übertrieben. "Sophia???". Ich lächle, wissend, dass sie nachdem ich ihr die gestrige Story erzählt habe, ausflippen wird. "Mary, warum bist du gestern nicht mehr rangegangen? Du glaubst gar nicht was passiert ist!". Doch sie will nicht wissen, was passiert ist. "Sophia, schalte auf ORF1 - sofort!!". Sie hört sich unüblich ernst an - ich renne ins Wohnzimmer und schnappe mir die Fernbedienung. Es dauert einige Sekunden, bis ich endlich auf den Sender geschaltet habe. "Sophia?". In der Infoleiste steht "Exklusives Interview mit Bundeskanzler Sebastian Kurz - politische Fehlschläge, Freundin und Familie". Er ist gerade am Wort. "Man muss das ganze von einer anderen Seite betrachten, politische Rückschläge hängen von-". Ich sehe, wie er gegenüber einer bekannten Moderatorin sitzt und freundlich lächelt. Er sieht unglaublich gut aus - mein Blick bleibt solange an ihm hängen, bis ich realisiere, um was es hier geht. Die Moderatorin stellt ihm weiter Fragen. "Und wie sieht es privat aus? Gibt es schon eine Kandidatin für den Titel First Lady von Österreich?". Beide lachen. Mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich habe vergessen wie man atmet. "Oder um die Frage deutlicher zu stellen, ist diese hier vielleicht diejenige?". Ich weiß nicht warum ich erwartet habe, dass ein Bild von uns zwei auftaucht, aber ich werde schwer enttäuscht -  als darauf eine blonde junge Frau sehe, die seine Hand hält.

Die romantische Seite der Politik (Sebastian Kurz)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt