Epilog

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Unruhig wälzte ich mich umher. Der Boden war kalt und unbequem. Seufzend schlug ich die Augen auf. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es versprach nicht mehr lange zu dauern. Ich beschloss, dass es nun nichts mehr mit dem Schlafen werden würde und setzte mich auf. Das Feuer von gestern glühte noch leicht und ich rutschte näher heran. Von der anderen Seite des Feuers stand jemand auf und kam zu mir. Schweigend setzte er sich neben mich und legte seinen Arm um mich. Voller Sehnsucht rutschte ich an ihn heran und kuschelte mich an seine Seite. "Na aufgeregt?" fragte Taris mich. "Ja und wie." murmelte ich um die Wachmänner, die uns begeleiteten nicht zu wecken. "Mein Geschwisterchen müsste jetzt schon fast drei sein." Ich hatte mich schon oft gefragt, ob ich einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen hatte. Was es auch wäre, für das kleine Kind wäre ich eine Fremde.

"Heute Abend wirst du es wissen." meinte Taris. Ich lächelte ihn an. "Dann kann ich dir mein Zuhause zeigen und ich verspreche dir, dass man sich da nicht verlaufen kann." Taris grinste zurück. "Ja, die Mägde hatten selten so viel zum Tratschen." Gespielt beschämt bedeckte ich mein Gesicht mit den Händen. In den vergangenen Wochen war ich mehr als einmal irgendwo in der Burg rausgekommen, wo ich eigentlich gar nicht sein wollte. Die Mägde mussten dann die ganze Burg absuchen, bis sie mich dann fanden und mir den richtige Weg zeigen konnten. Aber nicht nur meine Orientierungslosigkeit hatte in der Burg für Gesprächsstoff gesorgt. Vielmehr Verwirrung hatte die plötzliche Verlobung des Grafen mit einer scheinbar völlig Fremden aus dem niedrigsten nur denkbaren Stand gestiftet. Doch wir hatten das alles an uns abprallen lassen. Trotz der kurzen Zeit waren Taris, Ros und ich zu einer kleinen Familie geworden. Ros freute sich über die weibliche Gesellschaft und über ihren Glücklichen Bruder. Ich war mit einem Schlag vom Wald in ein riesiges Zimmer mit mehr Kleidern, Schmuck und Schimke als ich je in meinem Leben gesehen hatte gestolpert. Es hatte lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte von Mägden, Zofen und Dienern verwöhnt zu werden.

"Na.." Taris tippte mir leicht gegen die Stirn "...ist da jemand?" Ich schaute zu ihm hoch und lächelte ihn an. "Ich kann es alles immer noch nicht fassen." Taris küsste mich auf die Stirn. "Dann wird es aber langsam Zeit, schließlich wollen wir in einer Woche heiraten." Lächelnd hob ich meine Hand und drehte ihn, bis sich das Licht von der Glut in meinem Ring fing. "Das kommt mir fast am unwirklichsten vor." Er zog mich noch weiter an sich und küsste mich. So saßen wir auf dem Waldboden und beobachteten wie die Sonne aufging.

Wir hatten unsern Besuch gut geplant. Die Sonntägliche Ruhe lag über dem Dorf und ein paar Spaziergänger sahen uns neugierig hinterher, als wir mit fünf Männern und einer Frau durch ihr Dorf ritten. Mit großen Augen sog ich alles in mich auf. Die Vertrautheit des Ortes war fast zu viel und schon jetzt stiegen mir die Tränen in die Augen. Dann ging es entlang der Felder weiter. Ich sah das Feld meines Vaters. Wie immer mit ordentlich angepflanztem Getreide und einem kleinen Teil mit dem Gemüse meiner Mutter. Taris ritt neben mir und ich erzählte die Geschichten aus meiner Kindheit. Dann kamen wir an unserm Haus an. Unser altes treues Pferd witterte die anderen Pferde und wurde unruhig. Normalerweise würde jetzt unser halbblinder Hund Laut geben, doch ich vernahm nichts dergleichen. Traurig überlegte ich, dass er wohl verstorben sein musste.

Alle zusammen stiegen wir ab und da wurde auch schon die Tür geöffnet. Vater stand im Türrahmen und betrachtete die Ankömmlige misstrauisch. Die großen Wachmänner verbagen mich unabsichtlich. Ich verschaffte mir Platz und Vaters Blick fiel auf mich. Nun konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Mit nassem Gesicht rannte ich so schnell ich konnte auf meinen Vater zu und warf mich ihm in die Arme.    Auch ihm liefen nun die Tränen übers Gesicht, während er mich fest an sich drückte. "Schatz wer ist denn da?" Mutters Stimme kam von hinten, dann sah ich sie. "Leika!" rief sie aus. Sie drängte sich an Vater vorbei, ich löste mich von ihm und fiel gleich darauf meiner Mutter in die Arme.

Mutters Ausruf hatte auch den Rest des Hauses aufmerksam gemacht. Durch die Tür sah ich Mika, größer als ich ihn in Erinnerung hatte und mit Bart daneben sah ich Thein. Er glich immer mehr Vater und hatte ein kleines Kind auf dem Arm, was kaum ein Jahr alt sein konnte. Daneben Sofia seine Freundin, in ihrem Gesicht erkannte man die Neugewonnene Mutterschaft. Sie wurde zur Seite gestoßen und ein junge Frau guckte mich an. Sila, sie war groß geworden und ihr Gesicht schmaler. Neben ihr drängte sich ein Kopf nach vorne. Jos Gesicht hatte alles Kleinkindliche verloren. Er sah mich erst verwirrt, dann mit plötzlichen Erkennen an. Jos drängte sich weiter nach vorne und durch die Lücke folgte ihm ein kleines Mädchen. Ich hatte eine kleine Schwester.

Die nächsten Stunden waren erfüllt von Fragen, Tränen und ganz vielen Umarmungen. Taris wurde in der Familie willkommen geheißen und schien seine Schwierigkeit damit zu haben die Namen den Gesichtern zuzuordnen. Ich erfuhr, dass meine kleine Schwester Ari hieß, dann Thein und Sofia seit zwei Jahren verheiratet waren, dass Sila die Patentante ihres Neugeborenen Leo war und dass Mika seine Frau fürs Leben gefunden hatte und ihr demnächst einen Antrag machen wollte. Bis spät in die Nacht redeten wir und keiner schien an Schlaf zu denken. Schließlich rückte ich mit der letzten Neuigkeit heraus: "Taris und ich möchten euch alle zu unserer Hochzeit auf seine Burg einladen." Diese Nachricht wurde mich Hochrufen und Gelächter empfangen und weckte Ari und Leo, die bereits schliefen.

Nach so langer Zeit hatte ich endlich mein Versprechen gehalten. Ich war zu meiner Familie zurückgekehrt und lag ihnen nun nicht mehr auf der Tasche. Meiner langer Weg, den ich ohne eine bestimmte Richtung angetreten hatte, hatte sein Ziel gefunden.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt