Teil 34

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Ein Stöhnen von Taris, durchbrach die Stille und damit den peinlichen Augenblick und brachte die Heilerin in mir zum Vorschein. Mühsam legte sich Taris auf die Graslager. „Was ist los?" fragte ich besorgt. „Der Verband, der drückt schon die ganze Zeit, doch jetzt habe ich das Gefühl er schneidet mir das Bein ab." Entsetzt rutschte ich zu seinem Bein und betrachtete den Verband. Tatsächlich. Der Verband um sein Knie hatte sich, vermutlich aufgrund der Bewegung zusammengezogen und schnürte nun oberhalb des Knies in seinen Oberschenkel. So schnell ich konnte wickelte ich den Verband ab, damit das Blut wieder zirkulieren konnte.

Ohne darüber nachzudenken massierte ich seinen Oberschenkel über dem Knie um der Blutzirkulation auf die Sprünge zu helfen. Ganz in meine Arbeit versunken sah ich Taris erst wieder an, als er sich räusperte. Alarmiert schaute ich ihn an und bemerkte, dass er knallrot im Gesicht war. Kurz überlegte ich, ob er jetzt Fieber hatte, bis mir sein verlegener Blick auffiel. „Ähm..." Taris kaute nervös auf seiner Unterlippe. „Musst du das massieren?" Ich blickte auf die Stelle, die meine Hände bis eben noch massiert hatten und bemerkte erst jetzt, wie intim diese Massage war.

Als wäre ein Damm gebrochen schoss mir die Hitze so schnell ins Gesicht, dass ich innerhalb weniger Momente die gleiche Farbe wie er angenommen haben musste. „Oh, ähm, tut mir leid. Ich habe dir nur helfen wollen." Versuchte ich mich, nun auch verlegen drein blickend zu erklären. Sein Blick wurde sanft: „Ja, ich weiß. Vielen Dank kleine Heilerin." Falls möglich wurde ich bei diesem Kosenamen noch eine Spur rötlicher.

„Aber es wäre wirklich gut, wenn du dir deinen Oberschenkel massieren könntest." warf ich nun doch wieder in meiner Rolle als Heilerin ein. „Ich würde so lange nach draußen gehen, eine neue Falle aufstellen und nach etwas essbarem suchen." Taris nickte bestätigend und ich stand von meinem Graslager auf. Meine Beine schienen etwas wackelig zu sein, doch nach ein paar unsicheren Schritten gab sich das wieder. Mit etwas Anstrengung schob ich die Tür einen Spalt breit auf, schlüpfte nach draußen und schloss sie wieder.

Nachdem ich meine Falle auf der anderen Seite des Flusses schon vor Tagen abgebaut hatte, stellte ich nun mit den gleichen Materialien eine neue auf. Langsam schritt ich den Rand der Lichtung ab und suchte den perfekten Platz für meine Falle. Hoffentlich würde ich diesmal etwas fangen. An dem Rand der Lichtung, der am weitesten von dem Fluss entfernt war, fand ich den gesuchten Platz. Bei der Arbeit konnte ich meine Gedanken schweifen lassen.

Taris und ich hatten uns geküsst. Taris wollte mich küssen und ich ihn. Waren wir jetzt ein Paar? Wieso hatte ich damals Thein nicht mehr über seine Beziehung ausgefragt? Ich hatte von sowas doch überhaupt keine Ahnung. Eigentlich dachte ich, falls es mal soweit kommen würde hätte ich meine Mutter an meiner Seite, die mir Ratschläge geben konnte. Die mir sagen konnte, was es bedeutete, wenn einen ein Junge küsst. Sie hätte gewusst, wie ich mich jetzt verhalten sollte.

Sehnsüchtig dachte ich an meine Mutter, wie wir zusammen saßen und über alles redeten, während wir die Wolle kämmten. An das Lachen meiner Mutter, wenn ich ihr von meinen Abenteuern erzählte. An ihren liebevollen Blick, wenn ich ihr eine „Gute Nacht" wünschte. Der Kummer traf mich so unvorbereitet in dem Chaos meiner Gefühle, dass ich nicht anders konnte als mich auf den Boden zu setzten und den Tränen freien Lauf zu lassen.

Es dauerte eine ganze Weile ehe die Tränen versiegten und ich wieder aufstand. Schnell machte ich mit zwei letzten Handgriffen die Falle scharf und machte ich mich auf die Suche nach etwas zu essen. Heute war ein anstrengender Tag gewesen und ich hoffte etwas möglichst reichhaltiges zu finden.

Mit den Händen voller Löwenzahn, Gänseblümchen, jungen Brennesseln, Waldmeister und Klee ging ich wieder zur Hütte. An dem Stand der Sonne konnte ich sehen, dass ich ziemlich lange wegbelieben war. Hoffentlich ging es Taris gut.

Als ich die Tür aufschob sah ich wie er sich kerzengerade aufsetzte. „Da bist du ja, ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Geht es dir gut?"gerührt über seine Besorgnis versicherte ich ihm schnell, dass alles in Ordnung sei. Er sah mich dennoch prüfend an und als ich näher kam, sah ich wie er die Stirn runzelte. „Wirklich alles inOrdnung?" fragte er erneut, diesmal jedoch sehr vorsichtig, als wäre ich ein scheues Tier. Ich lächelte ihn an und erwiderte: „Alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen."

Taris schien immer noch nicht überzeugt zu sein und fragte mich weiterhin vorsichtig: „Hast du geweint?" Reflexartig legte ich meine Hände über die Augen, die wie bei jedem Mal wenn ich weinte, geschwollenund rot waren. Da es mir albern vorkam mir die Augen zuzuhalten nahm ich meine Hände wieder runter: „Mir geht es wirklich gut. Ich hatte nur kurz Heimweh." Nun lächelte er wieder, jedoch wehmütig: „Das kann ich verstehen."

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt