Teil 3

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Etwas landete auf meinem Gesicht. Noch im Halbschlaf drehte ich mich auf die Seite und lag nun auf etwas sehr spitzem. Nun doch aus dem Schlaf gerissen, machte ich die Augen auf. Ich lag auf dem Waldboden neben meinem Fell, in das ich eingewickelt gewesen war.

Seufzend erhob ich mich und klopfte mir den Schmutz von meinem einfachen, braunen und groben Leinenkleid. Blinzelnd sah ich nach oben um den Stand der Sonne zu überprüfen. Ich war gestern soweit ich konnte gelaufen und hatte mich erst im Morgengrauen hingelegt. Jetzt war es noch nicht mal Mittag, ich konnte also nicht lange geschlafen haben. Dennoch musste ich noch mehr Abstand zwischen mich und meine Familie bringen.

Sie würden mich suchen, davon war ich überzeugt. Vermutlich waren jetzt schon Thein und Mika auf unsern alten Zugpferden unterwegs, während Mutter und Vater die Nachbarn befragten. Sila würde zuhause bleiben und auf Jos aufpassen. Sie würden den ganzen Tag suchen und den darauffolgenden auch. Die Pflichten im Haushalt und auf den Feldern würde es ihnen nicht erlauben zu lange nach mir zu suchen. Ich hoffte, dass sie die Suche innerhalb von einer Woche aufgeben würden.

Meine Brüder hatten die Pferde und auch wenn ich mich absichtlich weit von den Wegen fern hielt und eine Gegend gewählt hatte, in der keine Dörfer waren, könnten sie noch bis heute Nachmittag in meiner Gegend sein. Ich durfte also so lange nicht ruhen, bis ich genug Abstand hatte, um nicht von ihnen entdeckt zu werden.

Ich bückte mich, hob mein Fell auf und klopfte es aus. Sorgfältig legte ich es zusammen und stopfte es wieder in meinen Rucksack. Vorher holte ich jedoch einen der Äpfel heraus. Mit meinem Frühstück in der Hand machte ich mich auf den Weg. Einem Trampelpfad folgend ging ich weiter nach Westen.

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Mein Magen knurrte und ich dachte sehnsüchtig an den zweiten Apfel in meinem Gepäck. Doch wenn ich ihn jetzt aß, hätte ich für den Abend nichts. Ich würde also das leere Gefühl in meinem Magen ignorieren. Dies hatte ich schon öfter gemacht, als ich zählen konnte. Neu war jetzt jedoch zusätzlich das leere Gefühl in meinem Herzen. Mein Heimweh meldete sich stärker als ich gedacht hatte. Die doppelte Leere im Magen und im Herzen war zusammen kaum auszuhalten.

Um mich abzulenken überprüfte ich den Stand der Sonne. Es ging gen Abend. In zwei bis drei Stunden würde ich mir erlauben, den Apfel zu essen. Über das Frühstück am nächsten Tag versuchte ich mir noch keine allzu großen Sorgen zu machen. Während ich weiterging, sah ich mich in meiner Umgebung um. Einige von den Pflanzen waren essbar. Nicht unbedingt genießbar, aber ehe ich hungerte, würde ich mich damit abfinden.

Mit meiner Fußspitze berührte ich einen Spitzwegerich. Ja, den konnte man essen. Er schmeckte bitter, aber man konnte ihn essen. Jetzt im Mai, war die beste Zeit, um ihn zu finden. Ich hatte schon oft Spitzwegerich gepflückt. Er half gegen Insekten- und Brennnesselstiche und bei kleinen, offenen Wunden. Wie oft hatte ich schon auf ihm rumgekaut um ihn dann als Masse aus Speichel und Pflanzensaft auf kleine Schnitte, Kratzer oder ähnliches zu tun.

Ich ließ das kleine Büschel am Rand des Weges hinter mir und ging weiter. Nach einer Weile kam ich an einen Fluss. Erfreut kletterte ich die Böschung herab, bis zum Ufer. Es war ein breiter Fluss, der durch den starken Regenguss vor zwei Tagen noch immer sehr viel Wasser führte.

Ich hockte mich hin, legte meinen Beutel ab und spritzte mir das Wasser ins Gesicht. Das kühle Nass belebte mich und ich schöpfte mit den Händen Wasser um so viel zu trinken, bis ich nicht mehr konnte. Dann holte ich meinen Wasserschlauch aus dem Beutel und befüllte den fast leeren Schlauch. Obwohl es noch eine Stunde hin war, bis ich meinen Apfel essen wollte, beschloss ich ihn doch schon jetzt zu essen, da ich jetzt eh eine Pause machte.

Ich nahm wieder meinen Beutel in die Hand und kramte nach dem Apfel. Mit dem Apfel in der Hand, setzte ich mich ans Ufer und sah den auf den Fluss. Gerade als ich den zweiten Bissen meines Apfels nehmen wollte, hörte ich einen Schrei den Fluss aufwärts. Kaum, dass ich meinen Blick in die Richtung des Schreies gewendet hatte, sah ich auch schon einen braunen und viele weiße Punkte mit der Strömung auf mich zukommen.

Ich sah genauer hin und erkannte einen großen Korb und mehrere Kleidungsstücke. Sofort war mir die Situation klar und ohne nachzudenken ließ ich meinen Apfel fallen und sprang in den kühlen Fluss.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt