Ein Schatten baute sich vor mir auf. Ein großer Schatten ohne erkennbare Form. Er ging, nein, kroch, nein schwebte auf mich zu. Ich rutschte rückwärts, doch die Distanz zwischen uns wurde nicht größer. Der Boden unter mir war schwarz, alles war Schwarz. Nirgendwo waren Konturen zu erkennen. Nur der Schatten vor mir schien noch schwärzer zu sein. Immer verzweifelter rutschte ich rückwärts, wagte nicht eine Sekunde den Blick von ihm abzuwenden.
So sehr ich mich auch anstrengte, es schien mir nicht zu gelingen Abstand zwischen uns zu bekommen. Im Gegenteil, je mehr ich versuchte von ihm wegzukommen, desto näher schien er zu kommen. Ich konnte noch immer keine Form erkennen. Aber es war dunkel und ich zitterte vor Angst.
Jetzt war er direkt vor mir. Er beugte sich zu mir herunter und umhüllte mich, umhüllte mich mit dem schwärzesten Schwarz der Nacht. Dann fiel ich und fiel und fiel und fiel. Immer weiter ohne Boden, weiter hinein in eine unglaubliche Leere.
Eine Hand berührte meine Schulter und schien mich aus dem dunklen Loch zu holen. Erschrocken schlug ich die Augen auf und sah in ein unbekanntes Gesicht. Dann in Grüne Augen. Mit einem Mal stürzten die Ereignisse des vergangenen Abends auf mich ein. Der Kampf, der verletzte Taris, die Flucht in den Wald, das Verstecken und dann das Warten und Bangen.
Durch das Dach des Unterschlupfs blitzte die Sonne, es war bestimmt Mittag, wenn nicht sogar Nachmittag. Ich konnte nicht lange geschlafen haben. Taris sah mich besorgt an und ich lächelte ihm müde zu.Mehr brachte ich einfach nicht zustande. Meine Kräfte waren erschöpft und zwar vollkommen.
Erst als die Sonne am Morgen schon lange aufgegangen war, hatten es Erik und Timo aufgegeben nach uns zu suchen. Immer wieder hatten wir sie durch das Unterholz stampfen hören, dann hatten sie angefangen uns zu verhöhnen. Erst uns Mädchen, dann Taris, den sie vermutlich verletzt unter irgendeinem Baum vermuteten.
Mein Körper war die ganze Zeit zum zerreißen gespannt. Bei jedem Knacken oder rascheln, was sich auch nur entfernt so anhörte als könnte es innerhalb eines Umkreises von 50m sein, war ich zusammengezuckt und mein Herz war stehen geblieben. Dann wieder die kurze Entspannung, wenn sich die Schritte entfernten, nur um dann wieder vor Angst zu erstarren, wenn sich die Schritte näherten.
Ich hatte soviel Panik gehabt, dass ich mich an Taris gedrängt hatte, so eng ich nur konnte. Jetzt im Nachhinein, war mir das plötzlich schrecklich peinlich und mir schoss Blut ins Gesicht. Gott sei Dank war er gerade dabei sein Knie unter dem festen Band zu inspizieren und machte Anstalten das Band zu lösten.
„Nichts da!" sagte ich entrüstet und schlug seine Hand weg, nur um kurz danach zu erstarren, da ich laut gesprochen hatte. Unsicher schaute ich mich um. „Ich glaube sie sind weg." sagte Taris, jedoch flüsterte er. Anscheinend war er sich seiner Worte nicht ganz so sicher. „Wir müssen deine Wunden versorgen." flüsterte ich. Wir beide sahen zu der Luke. Bevor die Wunde nicht etwas verheilt war, sodass er durchs belasten nicht noch mehr Blut verlieren würde, würde er auf keinen Fall hier rauskommen.
Also müsste ich gehen. Ängstlich schaute ich diese Luke an und stellte mir vor, wie ich auf allen Vieren vorsichtig über Taris Beine steigen würde und dann aus der Luke kriechen würde. Dann würde ich nach oben gucken, direkt in Eriks grinsendes Gesicht. Panisch schüttelte ich den Kopf.
„Du musst da jetzt noch nicht raus. Ich schätze ich werde es auch überleben, wenn wir noch einen Tag warten. Ich will sicher sein, dass sie wirklich weg sind." flüsterte mir Taris beruhigend zu und ich nickte dankbar. „Und bis dahin rührst du diese Verbände auf keinen Fall an." sagte ich streng und leise. Taris lächelte leicht. Dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, bis seine Atemzüge langsam und gleichmäßig gingen.
Erschöpft lehnte auch ich mich zurück, hielt aber Augen und Ohren offen. Wehrlos würden sie mich diesmal definitiv nicht bekommen.
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Die Güte des Menschen ist meine Währung
Ficción históricaJa, wir sind arm und genau das war der Grund, weshalb ich gerade still und heimlich von zuhause weglief. „Ich werde wiederkommen, ich weiß noch nicht wann und wie, aber ich komme wieder. Bitte vergesst mich nicht." Meine Worte waren nicht mehr als e...