Es war mitten in der Nacht, als Erik und Timo beschlossen doch eine Rast einzulegen. Wie immer befreiten sie uns von den Fesseln und wir machten uns schweigend an die Arbeit. Geschickt schmuggelte ich mit Mel und Lee den Baldrian in das kochende Wasser über dem Feuer. Mit einem Ast rührte ich mehrmals um. Dann nahm ich den Topf vom Feuer und ließ ihn noch etwas abkühlen.
Über dem Feuer bruzelte wieder ein Kaninchen und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Sobald wir weit genug geflohen waren, würde ich einen Tag verschwenden nur um ein Kaninchen zu fangen und es über dem Feuer zu braten.
Ich entschied, dass der Baldrian nun genug gezogen hatte und fischte die Stängel aus dem Topf. Lee half mir die Flüssigkeit in die Becher zu gießen. Schweigend ging ich zu den Männern, reichte ihnen die Becher und wandte mich sofort wieder zum Gehen. „Na wenigstens kann sie Tee kochen." brummte Erik missmutig und als ich über die Schulter blickte sah ich, wie sie Beide einen kräftigen Schluck nahmen. Wenn sie sich nun auch noch den Bauch mit dem Kaninchen vollschlagen würden, bräuchte es bestimmt nicht viel, bis sie tief und fest schlafen würden. Ich setzte mich zu Lee und Mel und wir beobachteten wie Mel den Männern das Kaninchen brachte.
„Mädchen, füll die Becher." Mia kam mit den leeren Bechern und ich half ihr sie zu füllen. Je einen dampfenden Becher in der Hand ging ich zu Erik und Timo, die ohne jede Art von Tischmanier auf ihrem Kaninchen rumkauten. Ich erlaubte mir ein kleines hoffnungsvolles Lächeln. Das lief ja wirklich besser als erwartet.
Wieder bei den Mädchen rutschte Mia an mich heran: „Wenn sie dich nachher fesseln, dann spann deine Handgelenke an und verschaff dir zwischen deinen Händen so viel Platz wie möglich. Am besten lässt du einen kleinen Zwischenraum zwischen deinen Händen, so kannst du die Fesseln besser abstreifen." Ich nickte und blickte sie Erwartungsvoll an. Die Freiheit war wirklich zum Greifen nahe.
Unsere Sklavenhändler hatten es eilig und so verstauten wir kurze Zeit später wieder alles auf dem Wagen. Ich löschte das Feuer mit Wasser vom nahegelegenen Bächlein, da sie nicht eine Pfütze von dem Tee übrig gelassen hatten. Schnell wusch ich den Topf in dem Bächlein aus und genehmigte mir eine Erfrischung, ich würde sie brauchen. Zurück beim Wagen befestigten Mia, Lee und Mel gerade ordentlich das Hab und Gut der Beiden, während Erik und Timo die Pferde einspannten.
Erik ließ Timo alleine und kam zu mir. „Fesseln, Mädchen!" rief er zu den dreien auf dem Wagen. Sie kletterten runter und stellten sich neben mich. „Umdrehen und Hände auf den Rücken!" wies er mich an. Ich gehorchte, legte meine zu Fäusten geballten Hände übereinander, spannte meine Handgelenke so gut es ging an und bereitete mich darauf vor gefesselt zu werden.
Das raue Seil kratzte über meine Haut und ich spürte wie die Enden übereinander gelegt wurden. Inzwischen hatte er mich schon so oft gefesselt, dass ich wusste, dass Erik immer erst einen Knoten unterhalb meiner Hände und dann einen Knoten oberhalb machen würde. Die Schnur spannte sich für den ersten Knoten und ich hielt mit meinen Handgelenken so gut es ging dagegen.
'Tock'. Plötzlich war wie aus dem Nichts ein Pfeil aufgetaucht und bohrte sich direkt neben mir in das Holz des Wagens. Der Schaft des Pfeils vibrierte heftig und ich starrte wie gebannt auf die Schwingenden Federn am Ende. Der Pfeil wurde langsamer und blieb schließlich bewegungslos stecken. Der Ton der Vibration war verstummt und es war mit einem Mal totenstill.
Dann brach die Hölle los.
DU LIEST GERADE
Die Güte des Menschen ist meine Währung
Historical FictionJa, wir sind arm und genau das war der Grund, weshalb ich gerade still und heimlich von zuhause weglief. „Ich werde wiederkommen, ich weiß noch nicht wann und wie, aber ich komme wieder. Bitte vergesst mich nicht." Meine Worte waren nicht mehr als e...