Teil 11

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Aus Reflex trat und schlug ich um mich, doch der Angreifer ließ nicht los. „Ruhig du dumme Göre." Zischte er mir ins Ohr. ‚Auf keinen Fall!' Ich bäumte mich auf, versuchte mich zur Seite zu drehen, schmiss mich nach vorne zur Seite und nach hinten. Doch nichts half, mein Angreifer hatte mich fest im Griff. Ich riss meinen Mund auf und warf mich gleichzeitig nach hinten. Seine Hand auf meinem Mund verrutschte und ich biss so schnell und so fest ich konnte zu. „Au, du verdammtes Miststück!" schrie er und zog die Hand weg. Ich schmeckte Blut im Mund, wie ekelhaft. Schnell holte ich Luft und stieß dann einen langen spitzen Schrei aus. 

Das Ende meines Schreis wurde durch die immer noch blutende Hand meines Angreifers erstickt. In der Stille, die darauf folgte, hörte ich Schritte hinter uns. „Hast du etwa Probleme Erik?" fragte eine zweite, männliche Stimme. Mein Angreifer, der offenbar Erik hieß, brummte nur missmutig. Nun wurde die zweite Stimme höhnisch: „Schaffst du es dieses kleine Mädchen zum Karren zu bringen, oder brauchst du Hilfe?" „Verzieh dich Timo, ich bringe das Mädel gleich hinterher." Timo lachte, dann stapfte er durch den Wald davon. 

Erik hielt mich immer noch von hinten fest und brachte seine Lippen ganz nah an mein Ohr. Ich schauderte, als ich die Speicheltropfen an meinem Ohr bemerkte, während er redete:„Schreien bringt dir gar nichts. Weit und breit ist niemand in diesem verfluchten Wald, der dich hören kann. Also komm jetzt." Er nahm die Hand von meinem Mund und packte mich dafür am Arm. Sein Arm um meinen Bauch ließ mich frei und ich stolperte, als ich plötzlich wieder Gewicht auf meinen Beinen hatte. Ich wäre nach vorne aufs Gesicht gefallen, hätte Erik nicht meinen Arm wie ein Schraubstock gepackt. „Aufstehen Mädchen, wird's bald? Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit." 

Das Feuer, meinen Beutel und die Reste meines Abendessens ignorierend, zerrte er mich am Arm in die Richtung, aus der er gekommen war. In dem dunklen Wald konnte ich kaum meine Füße, geschweige denn den unebenen Waldboden erkennen. Da sich jedoch der Zug an meinem Arm nicht verringerte, blieb mir nichts anderes übrig, als ungeschickt hinter dem Mann her zustolpern. Mehrmals stieß ich gegen Äste oder tiefhängende Zweige und holte mir mehrere Schrammen und blauen Flecke am ganzen Körper.

Mit einem Mal tauchte ein Weg vor uns auf. Er war nicht breit, vielleicht gerademal so breit wie zwei Pferde nebeneinander. Mein Blick wurde von etwas hellem, ein Stück weiter rechts auf dem Weg angezogen. Da ich es von hinten sah, brauchte ich etwas, bis ich die Form zuordnen konnte: Timo stand mit einer Laterne in der Hand neben einem schmalen Wagen,welcher von zwei Pferden gezogen wurde. Hinten auf dem flachen Wagen, regte sich etwas. 

„Komm schon." Genervt zerrte mich Erik weiter auf den Wagen zu. Timo kam uns entgegen und blieb am Ende des Wagens stehen. Der Schein der Laterne beleuchtete die Gestalten. Drei Mädchen, vermutlich alle jünger als ich, kauerten zusammen an Händen und Füßen gefesselt. Sie sahen mager aus und ihr Haar war struppig. Es schien, als hätte sich keine von ihnen je waschen können. Während Erik mich weiter auf den Wagen zuzog, begriff ich, was diese groben Kerle waren: Sklavenhändler. 

 Wie aus dem Nichts kam mein Kampfgeist wieder und ich begann mich erneut zu wehren. Das Überraschungsmoment sorgte dafür, dass ich es schaffte mich aus Eriks stählernem Griff zu befreien. So schnell ich konnte, wandte ich mich um und rannte den Weg runter. Ich kam nicht weit. Starke Arme packten mich. Ich wurde kurz hochgehoben und dann wieder unsanft auf die Füße gestellt. 

Mein Entführer grummelte etwas, was mich entfernt an ein Schimpfwort erinnerte, was Thein einmal benutzt hatte, nur um dann von Mutter und Vater ausgeschimpft zu werden. Ohne mich anzusehen klemmte der Mann mich unter den Arm und stapfte zum Wagen. Ich versuchte Schritte rückwärts zu machen, doch der Winkel verhinderte das und so schabten meine nackten Füße über den Boden. 

Beim Wagen angekommen, konnte sich Timo das Lachen nicht mehr verkneifen und prustete los: „Wenn sie nicht verhungernd am Wegesrand sitzen, kommst du nicht wirklich mit diesen Weibern klar, oder? Was muss das dann für eine Frau sein, die du dir mal nehmen wirst? Nur ein Husten von ihr und du bist auf dem nächsten Baum." Laut schallte Timos Gelächter von den Bäumen wieder, während er Erik auslachte. Dieser kochte vor Wut, was ich deutlich an dem Griff um meinen Oberkörper merkte, der mir fast den Atem nahm. 

Plötzlich wurde ich losgelassen. Ich stolperte nach vorne und dann verpasste mir Erik einen so heftigen Schubs, dass ich wie ein Sack Mehl gegen Timo prallte. Dieser machte einen Ausfallschritt, ließ mich einen sicheren Stand finden und schupste mich genauso heftig wieder zu Erik zurück. Erik funkelte seinen Gegenüber wütend an, während ich versuchte mit meinen Beinen Halt zu finden: „Ich habe sie schon aus dem Wald geholt, jetzt kannst du sie auch fesseln" Mit diesen Worten stieß er mich wieder zurück zu Timo. Ich prallte gegen Timo, der dastand wie ein Fels, fand auf meinen Beinen keinen Halt, stolperte zurück, fiel und stieß mit dem Kopf gegen die Bande des Wagens. 

Die Welt schien zu fallen, bis sie mit einem dumpfen Laut aufschlug und dann in der Dunkelheit verschwand.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt