Teil 40

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Das Knacken des Apfels als ich hinein biss war ein Traum. Ganz langsam und jeden Bissen genießendverspeiste ich einen der Äpfel. So etwas herrlich süßes hatte ich schon seit langem nicht mehr gegessen. Mit dem Apfel im Magen und dem Geschmack noch auf der Zunge machte ich es mir auf dem Waldboden bequem. Von weitem hörte ich noch die typischen Geräusche des Dorfes. Ich hörte ein Lachen, dann ein Rufen und ehe ich mich versah, war ich auch schon eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wachte ich von einer kalten Brise auf, die schnell zu einem kalten Wind wurde. Ich kümmerte mich nicht weiter darum und genoss stattdessen den zweiten Apfel. Nach einem kurzen Blick zurück zum Dorf ging ich auf der Straße weiter. Ich wusste nicht genau was ich eigentlich suchte, doch irgendwas sagte mir, dass ich es in diesem Dorf nicht finden würde.

Es dauerte nur einen halben Tag, ehe ich auf ein zweites Dorf traf. Der Wind wurde langsam wirklich unangenehm, also beschloss ich in der Deckung der Häuser Schutz zu suchen. So schlenderte ich durch das Dorf, welches mir im Gegensatz zu dem Nachbardorf fast verlassen vorkam. Vermutlich waren auch hier alle Händler und Käufer drüben auf dem Markt. Ich bemerkte ein paar Kinder, die mit Stöcken und Steinen ein kompliziertes Spiel spielten. Eine Weile lang beobachtete ich sie, verstand jedoch nicht das ganze Spiel. Schließlich wurde einer der Jungen von seiner Mutter gerufen und die Spieltruppe löste sich auf. Auch ich ging weiter durch das Dorf, betrachtete die verschiedenenHäuser, die schon herbstlich geschmückten Fenster und Türen und fand schließlich zu dem Marktplatz.

Den Marktplatz zierte lediglich ein schlichter und eher zweckmäßiger Brunnen. Die Häuser waren im Kreis um diesen Brunnen angeordnet und so entstand ein runder, bis auf den Brunnen kahler und im Moment menschenleerer Platz. Ich ging vor zum Brunnen und blickte einmal herum. Hier standen die teureren Häuser mit bis zu drei Stockwerken, einem kunstvollen Fachwerk und teilweise sogar mit in den frischen Putz geritzten kleinen Bildnissen. Die Bildnisse reichten von der Darstellung der Jungfrau Maria oder dem Erlöser am Kreuz bis zu einfachen Jagddarstellungen mit einem Hund, der einen Fuchs jagt.

Ich setzte mich auf den Brunnen und blickte auf den leeren Platz. So wie ich hier saß, vollkommen alleine in der Leere kam mit einem Mal Gefühle hoch, die ich bisher erfolgreich verdrängt hatte. Als ich von zuhause aufgebrochen war, war ich alleine und hatte meine Familie vermisst. Dann hatte ich Silke und Moritz kennen gelernt und mich für einen Augenblick nicht mehr ganz so einsam gefühlt. Bei meinen beängstigenden Erlebnissen mit Erik und Timo hatte ich keine Zeit an was anderes als an mich und an Mia, Lee und Mel zu denken. Und danach war da ja Taris...

Vermutlich war es dieser Moment in dem mir klar wurde, dass ich ihn verloren hatte. Wir hatten nur die gemeinsame Zeit im Wald, keiner von uns kannte den anderen außerhalb des Waldes. Es war wie auf einer einsamen Insel, doch jetzt wo wir getrennt waren, konnten wir uns nicht mehr wiederfinden. Stumm saß ich da auf dem steinernen Rand des Brunnens, während mir die Tränen über die Wangen liefen. Ich vermisste ihn, ich vermisste ihn wirklich wahnsinnig. Sollte ich wieder zurück gehen? Der Straße in die andere Richtung folgen und auf gut Glück nach ihm Suchen? Ohne Arbeit, ohne einen Platz zum Schlafen?

Laut kläffend stürmte ein Hund auf den Platz und ich wäre vor Schreck beinahe hinten über gefallen. Gerade noch so konnte ich mich an dem eisernen Gestänge für die Seilwinde festhalten. Ich setzte mich wieder gerade auf den Brunnenrand, da kam ein kleiner Junge, der hinter dem Hund her rannte. So schnell, wie die Beiden gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Doch sie hatten mich aus meinen Gedanken gerissen. Mit meiner Willenskraft schaffte ich es die Fragen fürs Erste beiseite zu schieben und machte mich auf die Suche nach einem netten Platz für die Nacht.

Etwas abseits vom Dorf fand ich im Wald neben einem großen Felsen einen guten Platz. In der Dämmerung suchte ich mir noch ein paar essbare Pflanzen, die ich als Vorspeise zu meinem letzten Apfel verschlang. Mit gut gefülltem Magen machte ich mir ein Lager aus bereits heruntergefallenen Blättern und kuschelte mich gegen den Felsen, während der Wind immer lauter durch die Bäume pfiff. Nach einigem hin und her wälzen fand ich schließlich in den Schlaf.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt