Teil 12

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Jemand kreischte: „Nein, ich will das nicht!" „Bitte Sila, jetzt komm her. Wie sollen die Leute sonst sehen, wie hübsch du bist?" Mutters Stimme war wie immer beruhigend. Sila stapfte mit dem Fuß auf und verschränkte ihre Arme vor der Brust: „Aber ich will das nicht." 

„Hier her, los wirf hier her" Thein kam hereingestürmt und streckte die Arme aus. Durch die offene Tür sah ich wie Mika mit dem strohgefüllten Ball ausholte. „Nein!" schrie ich, doch es war zu spät. Der Ball flog durch die offene Tür, verfehlte Theins Arme um mehrere Meter und traf Jos am Kopf. 

Für wenige Sekunden war es totenstill. Dann fing Jos an zu weinen, Thein und Mika stürmten mit tausend Entschuldigungen auf ihn zu, Vater holte zu einer Schimpftirade aus und Sila steckte sich die Finger in die Ohren und sang laut ,la,la,la'. Ich erhob mich von der Bank, ging zu einem Eimer mit Wasser, tauchte ein Stück Stoff hinein und bahnte mir dann hinter Mutter einen Weg zu Jos. 

Mutter setzte sich auf den Boden und zog Jos auf ihren Schoss. Mit dem nassen Tuch in der Hand kniete ich mich neben die beiden. „Danke Leika" sagte Mutter sanft, während derTumult um uns weiter tobte. Mutter kühlte Jos mit dem Tuch die Stirn und drückte ihm immer wieder einen Kuss aufs Haar, während ich Jos Witze erzählte. Irgendwann hörte Jos auf zu weinen und schenkte mir sogar ein Lächeln. Mutter hob Jos von ihrem Schoss und setzte ihn auf meinen. Ich drückte das nasse Tuch weiter auf seine Stirn, die sich schon deutlich zu wölben begann. Das würde eine ordentliche Beule werden. 

Leichtfüßig stand Mutter auf und stellte sich vor Vater, der immer noch mit den Jungs stritt. „Thein, Mika, wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr im Haus nicht mit dem Ball spielen sollt? Jetzt seht ihr, was passieren kann. Ich hoffe es ist euch eine Lehre. Jetzt geht und entschuldigt euch gefälligst bei euerm Bruder." Mutters Stimme war leise, aber scharf. 

Wie zwei Hunde mit eingeknicktem Schwanz, trotteten die Beiden zu Jos und mir: „Es tut uns leid Jos. Das machen wir nie wieder." Mein kleiner Bruder hatte nach dem Schock schon sein freches Mundwerk wiedergefunden: „Das reicht mir nicht!" Verwirrt sahen sich Thein und Mika an. Jos fuhr unbeirrt fort: „Lasst mich nachher mit dem Ball spielen." Nach einem Blick auf Mutter nuschelten die Beiden ein „Ja" und verzogen sich dann nach draußen. 

„Und jetzt zu dir junge Dame!" Mutter hatte sich zu Sila gewandt, die immer noch trotzig in der Mitte des Zimmers stand: „Ich werde dir jetzt deine Haare hochstecken, ob du willst oder nicht. Es gehört sich nicht mit offenen und verstrubbelten Haaren ins Haus Gottes zu gehen. Jetzt setzt dich hin, damit wir endlich zum Gottesdienst gehen können." Nach kurzem Zögern gab Sila ihre Haltung auf und setzte sich seitlich auf einen Stuhl. Mutter setzte sich dahinter und fing an ihre Haare zu kämmen. 

„Ein ganz normaler Sonntagmorgen." Murmelte ich, während ich Jos übers Haar strich.

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Es ruckelte und mein Kopf prallte gegen etwas Hartes. Sofort explodierte ein gemeiner Schmerz hinter meinen Augen. Stöhnend hob ich die Hände an den Kopf, doch merkwürdiger Weise bekam ich meine Hände nicht auseinander. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah, dass etwas Braunes um meine Hände gebunden war. Mit dem hämmernden Kopf und meiner vollkommenen Orientierungslosigkeit, dauerte es einige Zeit, bis ich erkannte, dass es sich um Fesseln handelte. Zum ersten Mal, seit ich aufgewacht war, richtete sich mein Blick auf meine Umgebung. 

Drei paar Augen begegneten starrend meinem Blick.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt