Teil 5

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„Mädchen!" kam es plötzlich von oben. Ich hörte wie sich jemand, halb rutschend halbkletternd, daran machte die Böschung zu mir runter zu kommen. Eine Frau mittleren Altersmit rötlichen, wirren Haaren und einem einfachen Leinenkleid kam auf mich zu. Ich befahlmeinen Beinen sich wieder zu rühren und versuchte mühsam aufzustehen. 

Endlich stand ich, doch die Freude hielt nicht lange an. Mit einem Mal gab eins meiner Beinenach, knickte weg und ich geriet ins Wanken. Zwei schmale Hände umfassten meine Tailleund ich fand mein Gleichgewicht und meinen festen Stand wieder. „Vorsicht! Nicht zuschnell!" sagte sie sanft und half mir zu einem nahe gelegenen Stein. Immer noch am ganzenLeib zitternd setzte ich mich hin. 

„Du musst das ausziehen." Die Frau half mir aus meinem nassen Kleid. Während ich zitternddastand, nur das nötigste Bedeckt, löste sie ein Laken, welches sie sich vor dem Abstieg umden Bauch gebunden haben musste. Sie schlang das gräuliche mit ein paar Schmutzfleckenversehene Laken um mich. Das raue Laken kratze auf meiner nackten Haut, doch es fühltesich gut an endlich wieder etwas Trockenes am Leib zu spüren. Ganz allmählich merkte ich,wie das Zittern nachließ. 

„Geht es dir wieder besser?" fragte die Frau besorgt. Endlich wieder meiner Sprache mächtigantwortete ich ihr: „Ja, es geht mir besser. Vielen Dank für Ihre Hilfe." „Ich muss dir danken,ohne dich wäre meine gesamte Wäsche nun fort." Überrascht sah ich sie an: „Oh, das ist IhreWäsche?" „Ja, ich war gerade auf dem Weg zum Ufer, da bin ich ausgerutscht und habe denKorb in den Fluss gestoßen." 

Zum ersten Mal, seit ich aus dem Wasser gekommen war, sah ich zu dem Korb. Er warumgefallen und die weißen Laken lagen nun in der, durch das Wasser aufgeweichten, Erde.„Aber sie sind schmutzig geworden." Stellte ich enttäuscht fest. „Das macht doch nichts, ichwollte sie ja eh waschen. Ich bin nur froh, dass überhaupt etwas von meinen Sachen übriggeblieben ist und das dir nichts passiert ist." 

Ihr freudiger Ton schlug um in einen, den ich nur allzu gut von meiner Mutter her kannte:„Das war viel zu riskant Mädchen, du hättest es nicht mehr an Ufer schaffen können unduntergehen können. Und wäre ich nicht gekommen, hättest du dir in deinen nassen Sachennoch den Tod geholt." Beschämt sah ich sie an und sagte dann leise: „Ich bin übrigens Leika."Die Stimme der Frau wurde wieder sanft: „Hallo Leika, ich bin Silke, schön dich kennen zulernen." 

Silke betrachtete meine nassen Sachen auf dem Stein neben sich. „Die müssen erstmaltrocknen. Kommst du hier aus der Gegend?" Unwohl antwortete ich ihr: „Nein, ich bin aufder Durchreise." Misstrauisch legte sie den Kopf schief, schien dann jedoch einen Entschlussgefasst zu haben. „Na gut, dann kommst du erstmal für eine Nacht zu mir. Ich habe etwas zuEssen und deine Sachen können solange trocknen." 

Vor meinem inneren Auge tauchten sofort Bilder eines gemütlichen Hauses mit einemwärmenden Kamin auf: „Das wäre unglaublich nett von Ihnen." „Dann machen wir das so und bitte sag einfach Silke zu mir." Sie blickte sich auf dem schmalen Uferstreifen um: „Hastdu noch Sachen bei dir?" „Ja, ich war ein gutes Stück den Fluss rauf, bevor ich ins Wassergesprungen bin. Dort müsste mein Beutel sein." 

„Da müssen wir sowieso lang. Kannst du in dem Laken laufen?" Schnell guckte ich mich um,bevor ich das Laken von meinen Schultern nahm. Ich faltete es auf die Hälfte und legte es ummeinen Körper, sodass meine Brust bedeckt war, aber meine Beine genug Freiheit hatten sichzu bewegen. Mit einer Hand hielt ich das Laken vorne zusammen, als mir einfiel, dass ichkeine klammer dabei hatte.

„Ähm, kannst du mir kurz helfen?" „Ja klar" Silke übernahm den Griff vor meiner Brust undich bemühte mich, ohne mich viel zu bewegen, die zweite Hälfte des nach unten offenenLakens zu angeln. Nach zwei Anläufen gelang es mir und ich zog mir die andere Hälfte vonhinten über die Schultern, wobei mich Silke mit einer Hand unterstützte. Die Ecken, die nunüber meine beiden Schultern hingen führte ich zu dem Knoten, den Silke immer noch in derHand hielt. 

„Bitte halt das mal kurz" sagte ich zu Silke und drückte ihr die Ecken in die Hand. Dann lösteich mein Haarband und befestigte damit den großen Wulst aus Stoff vor meiner Brust. „Hältdas?" Ich bewegte probeweise meine Schultern: „Ich denke schon." „Na dann holen wir maldeine restlichen Sachen und gehen zu mir."

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt