Teil 50

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"Von wann bis wann blüht Kamille?" Ich überlegte kurz, dann fiel es mir wieder ein. "Von Mai bis September." "Und er hilft bei?" "Bauchschmerzen und Frauenleiden." Antwortete ich sofort. Gunthar sah mich lächelnd an. Ich lächelte zurück. "Nun, dann pass mal kurz auf den Stand auf, ich werde mir in der Taverne etwas zu trinken können." Freudig nickte ich und stellte mich hinter den Stand voller Kräuter, Teemischungen, Pasten und Salben. Obwohl wir nun schon seit drei Wochen umherzogen und er sein gesamtes Wissen mit mir teilen, kam es nur selten vor, dass er mich mit seinem stand alleine ließ. Stolz stand ich hinter dem Tresen und wartete darauf, dass jemand vorbei kam, damit ich ihm bei seinem Leiden helfen konnte. Nach etwa einer Stunde war ich nicht mehr so enthusiastisch und blickte ausdruckslos auf das Geschehen auf dem Marktplatz. Jeden zweiten Tag reisten wir zum nächsten Dorf und jedes Mal war der Ablauf gleich. Wir stellten den Tisch auf und früh am nächsten Tag saßen wir auch schon hinterm Tresen und verweilten dort bis die Sonne unterging. Dann hieß es abbauen und am nächsten Tag in ein anderes Dorf. Ich wusste schon längst nicht mehr in wie vielen Dörfern wir schon waren und überall sah es gleich aus. Der Aufbau jedes Dorfes war ähnlich und allmählich schlich sich eine erdrückende Monotonie ein.

"Entschuldigung?" Die Stimme einer Frau riss mich aus meinen Gedanken. Schnell sprang ich auf, merkte dann jedoch, dass das etwas zu unreif rüber kam und straffrei die Schultern um etwas Würde zurückzubekommen. "Wie kann ich helfen?" "Sind sie nicht etwas zu jung?" Ich runzelte die Stirn, was hatte das denn jetzt mit meinem Alter zu tun? "Ich kann ihnen gerne bei allen möglichen Beschwerden und Leiden helfen. Was darf es sein?" Versuchte ich ihre Worte zu ignorieren. Sie sah mich immer noch skeptisch an. "Nun..." Sagte sie zögerlich und senkte ihre Stimme: "Meine Tochter ist in das Alter einer Frau gekommen und hat starke Beschwerden." Ich nickte wissend, kramte in den Vorräten und holte eine Pflanze mit gelben Blüten und großen Blättern hervor. "Da empfehle ich Frauenmantel. Wie der Name schon sagt hilft sie bei Frauenleiden. Nehmen Sie etwas davon und brühen damit einen Tee, den Sie dann 10 Minuten ziehen lassen. Von dem Tee können Sie ihrer Tochter 1-2 Tassen pro Tag geben. Dies sollte bei allen Frauenleiden Ihrer Tochter helfen." Zögernd nahm die Frau die Pflanze entgegen. "Und das hilft wirklich?" Ich nickte bestätigend.

Eine Weile lang betrachtete die Frau den Frauenmantel und dann mich. Schließlich legte sie die Pflanze wieder hin. "Ich schau nochmal woanders ob ich etwas finde." Sie drehte sich um und ging. Sprachlos und unendlich enttäuscht ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen. Die Frau würde nicht wiederkommen, das war klar. "Du hast nichts falsch gemacht." Hörte ich plötzlich die Stimme von Gunthar hinter mir. "Und trotzdem ist sie gegangen." Ich hörte selbst meine fast weinerliche Stimme. "Du bist einfach zu jung. Wenn sie gesehen hätte, was ich gesehen habe, dann würde sie dir vertrauen. In der Heilkunst geht es nicht nur um Wissen, davon hast du genug. In der Heilkunst geht es auch um Vertrauen. Nur wem die Menschen vertrauen, den lassen sie auch ihre Leiden heilen. Es ist kein einfacher Weg dieses vertrauen zu gewinnen und es muss klein anfangen. Du brauchst einen guten Ruf als Heilerin, dann werden die Leute zu dir kommen. Ich habe mein Wissen mit dir geteilt und bin überzeugt davon, dass du eine gute Heilerin werden kannst. Doch den Weg des Vertrauens musst du alleine gehen, da kann ich dir nicht mehr helfen."

Ich atmete tief durch und dann nickte ich. Vermutlich hatte ich es schon geahnt. Meine Zeit bei Gunthar war um und ich musste nun weiterziehen. Langsam stand ich auf und machte dann einen tiefen Knicks vor Gunthar. "Vielen Dank für Eure Zeit, Euer Wissen und Eure Geduld." "Du warst eine kluge, hartnäckige und stets freundliche Schülerin. Deine Hilfsbereitschaft übersteigt alles, was ich bisher gesehen habe. Ich hoffe in ferner Zukunft von dir als große Heilerin zu hören." Dankend nickte ich mit dem Kopf. Dann überlegte ich es mir doch anders und nahm ihn kurz und fest in die Arme. "Vielen Dank."

Mit diesen Worten verließ ich den Stand des Teehändlers Gunthar, ging durch das geschäftige Treiben des Marktes und verließ das Dorf. Einen Ruf als Heilerin aufbauen war gar nicht so einfach. Durch meine Reise mit dem Teehändler war ich von meiner ursprünglichen Route angekommen, aber nun war es Zeit in das andere Herzogtum zu ziehen. Dort könnte ich mir einen Ruf als Heilerin aufbauen, denn dort würde meine Familie nichts davon erfahren.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt