Teil 17

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Die Straße wurde voller, es waren einige Menschen auf dem Weg in die Stadt. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren, daher wusste ich nicht mehr welcher Tag heute war, aber dem Trubel nach zu urteilen könnte es Markttag sein. Also der perfekte Tag für Handel.

Inzwischen war es fast Mittag und Mia und Mel guckten mit getrübten Mienen zu dem Stadttor, welches immer größer wurde, je näher wir kamen. Ich rutschte zu den Mädchen rüber, doch mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können um sie aufzumuntern. Da ergriff Mia das Wort: „Jeder dieser Käufer will eine fleißge und Arbeitswillige Sklavin. Stell dich also dumm, faul, deprimiert und was dir sonst noch einfällt. Mit deinen Haaren musst du was machen, am besten du zerzaust sie und reibst vielleicht noch etwas Dreck rein. Nimm am besten auch das Band um deine Taille ab, damit du nicht wohlgeformt aussiehst. Tu einfach alles um dich so unattraktiv wie möglich auszusehen."

Dankbar lächelte ich Mia an und machte mich dann daran ihre Tipps umzusetzen. In den Ecken des Wagens fand ich genug Dreck, den ich mir ins Haar rieb. Ich war immer stolz auf meine seidig glänzenden und immer glatten Haare gewesen. Es war das, was mir am Besten an mir gefiel. Mit dem Staub aus der Ecke sahen sie jetzt gräulich aus und fielen mir wie Stroh über die Schultern. Dann schmiere ich mir den Dreck mit Hilfe von etwas Spucke in mein Gesicht, den Hals runter und vor allem in den Ausschnitt, bis alles mit einer graubraunen, fleckigen Schicht überzogen war. Als letztes löste ich das Seil und band es mir unter dem Kleid um den Bauch. Mein Kleid hing nun glatt herunter wie ein Sack und ich war froh, dass ich, obwohl ich schon 14 war, noch keine große Oberweite hatte.

Der Karren rumpelte laut über das Kopfsteinpflaster der Stadt. Eine breite Straße, auf der zwei Kutschen nebeneinander Platz hätten, führte fast gerade auf den Kirchturm zu. Vor der Kirche befand sich ein riesiger Platz auf dem bereits einige Händler ihre Waren anboten. Timo, der mit Fahren an der Reihe war, lenkte die Pferde an einen Platz neben einen Händler der Schmuck anbot. Gemeinsam sprangen die Beiden vom Bock und machten uns die Klappe auf.

Ganz in unsern neuen Rollen der faulen Mädchen, stiegen wie träge vom Karren und Mia und ich schlurften zu den Pferden rüber. Ungeschickt fingerte ich ewig am Verschluss des Sattels herum. Als ich das Pferd zu seinem Platz etwas abseits führte ließ ich sogar mehrmals den Zügel fallen und ließ das Pferd etwas ausscheren. Gott sei Dank waren Erik und Timo so damit beschäftigt die Versteigerung von vier Sklavinnen anzukündigen, dass ihnen unsere plötzliche Ungeschicktheit gar nicht auffiel.

Am Nachmittag war dann alles bereit. Der Karren wurde weiter auf den Platz gezogen und die Seitenklappen entfernt, sodass man jetzt ein Podest hatte, auf dem Erik schon eifrig seine Ware anpries: „Jeden Tag, putzen und aufräumen und dann noch die Schnippelei für das Abendessen. Wer will das schon. Möchte man seinen harten Arbeitstag nicht an einem hübsch gedeckten Tisch mit einem leckeren Essen ausklingen lassen? Das ist ganz einfach, schließlich gibt es ja Sklavinnen. Wir haben heute für sie vier sehr gute Sklavinnen. Sie sind jung, sie sind flink und erledigen alle Wünsche im Handumdrehen...."

Vor dem Podest hatte sich bereits eine Menge von etwa 20 Leuten eingefunden, obwohl wenige davon wirklich interessiert aussahen. Neben dem Wagen hatte uns Timo aufgereiht und uns mal wieder die Hände auf den Rücken gefesselt. Er wartete startbereit auf das Zeichen von Erik. „Nun kommen wir zu unserer ersten Sklavin. Sie hört auf den einfachen Namen Mia." Das war Timos Stichwort, er schnappte sich Mia, die ihm schlurfend und mit hängendem Kopf auf den Karren folgte.

Erik prieß währenddessen weiter die Ware an: „Mia ist tüchtig, kann zupacken und hat schon einige Muskeln. Noch ist sie nicht ausgewachsen, aber ihr Wille ist schwach. Sie ist also noch gut formbar. Das Startgebot liegt bei 2 Schilling." Ein Mann hob die Hand und Erik zeigte auf ihn: „Es wurden 2 Schilling geboten, bietet jemand mehr?"

Angst und Wut packten mich. Mia war schon so gut wie verkauft, es hatte jemand geboten. Die brodelnde Wut auf den Mann, auf Erik und auf Timo nahm überhand und packte meinen gesamten Körper. Ich wollte losschreien, brüllen, in die mit Geld überladende Menge laufen und mit allen Schimpfwörtern meiner Brüder um mich werfen. Doch bevor es dazu kam erfasste die Wut auch meinen Magen.

So schnell, dass ich nicht mehr reagieren konnte, kam mir mein Mageninhalt hoch. Ich übergab mich auf den Boden direkt vor mir und für alle Leute sichtbar. Die Zuschauer, die sich sofort von Mias Anblick auf dem Podest losreißen konnten, traten allesamt einen großen Schritt zurück. Hilflos und beschämt blickte ich umher.

Mit meinen Händen auf dem Rücken konnte ich mir nicht den Mund abwischen und so spürte ich wie mir ein großer Tropfen sehr langsam dem Hals herunter und in Richtung Ausschnitt lief. Ein ungewolltes Zittern erfasste meinen Körper.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt