Teil 43

537 34 12
                                    

Das Bad war einfach herrlich. Magarethe hatte sogar einen Kessel heißes Wasser in die Wanne getan, sodass ich nun das unglaublich warme Wasser genießen konnte. Mit einer Bürste und grober Seife schrubbte ich mich sauber und hatte das Gefühl, als würde die zweite Haut aus Schmutz und Schlamm hinter der ich mich versteckt hatte nun abfallen. Die zarte und durch das Rubbeln leicht geötete Haut wirkte zu weich und zu verletzlich. Fast wünschte ich mir die Dreckkruste wieder zurück.

Magarethe hatte mir ein einfaches Unterkleid rausgelegt. Ich stieg aus der Wanne und streifte es über, dann wusch ich im selben Wasser mein Kleid. Als ich fertig war, hatte das Wasser eine ekelhafte braune Farbe angenommen und ich schämte mich. Ein Klopfen an der Tür ließ mich das Wasser vergessen. "Herein!" Magarethe trat ein. "Ich wusste doch, dass unter dem Schlamm ein Mädchen steckte." Lachte sie während sie mir mein gerade gewaschenes Kleid abnahm und es auf eine Leine am Fenster hängte.

"Hier ist übrigens jemand, der dir danken möchte." sie drehte sich um und rief zur Tür: "Komm rein!" Ein kleines Mädchen, welches ich eher auf etwa sechs Jahre geschätzt hätte, kam herein. Auf ihrem Arm hielt sie, fest an sich gedrückt, Schneechen. Scheu sah sie mich mit ihren großen grünen Augen an. "Na, was wolltest du Schneechens Retterin sagen?" drängte ihre Mutter sie. Marias Blick glitt zu ihrer Mutter und dann wieder zu mir. "Vielen Dank Leika." sagte sie leise und blickte dann wieder zu ihrer Mutter wohl um zu erfahren, ob sie es so richtig gemacht hat. Ich beugte mich zu ihr runter, streichelte Schneechen über den Kopf und antwortete Maria: "Das habe ich gerne gemacht." Maria gab einen kicksenden Laut von sich und verschwand dann aus dem Zimmer.

"Es tut mir leid, sie ist leider sehr schüchtern. Wir haben immer unsere Mühe ein Wort aus ihr rauszubekommen. Hoffentlich gibt sich das, wenn sie älter wird." entschuldigte sich seufzend ihre Mutter. Ich lächelte. "So, da dein Kleid noch trocknen muss, bist du solange unser Gast. Komm mit, in einer Stunde gibt es Mittag, du kannst mir beim Vorbereiten helfen." Beherzt nahm Magarethe meine Hand und ich folgte ihr in die Küche. Es war ein großer heller Raum. Alles schien sehr alt zu sein, war aber größer und luxuriöser als ich es je gesehen hatte. Über einer großen Feuerstelle konnten bis zu vier Kessel gehängt werden. Daneben konnte man in einem Wandvorsprung ein Feuer anzünden. Zunächst wusste ich nicht, was das sein sollte. Bis es mir einfiel. Ich hatte bereits davongehört, dass man über diesen Wandfeuern in speziellen flachen Kesseln sachen kochen konnte. Bisher hatte ich jedoch noch nie einen gesehen.

Etwas unschlüssig stand ich in der Mitte des Raumes, während Magarethe bereits mit etlichen Gerätschaften hantierte. "Hier Mädchen, du kannst die Zwiebeln schneiden. Sie legte mir vier Zwiebeln auf den Tisch an der Wand und ein Messer dazu. Ich setzte mich auf den Stuhl und begann die Zwiebeln zu schälen. Währenddessen zündete Magarethe das Feuer in der Wand an und stellte eine sehr flache Schüssel aus Metall auf die Fläche darüber. Sobald ich die Zwiebeln fertig geschnitten hatte, nahm Magarethe sie und warf sie in die flache Schüssel. Kurze Zeit später wehte ein unglaublich guter Duft durch die Küche.

Ich schnitt noch Möhren und Kartoffeln, die wir in das über dem offenen Feuer kochende Wasser warfen. Die Zwiebeln, die nun eine bräunliche Farbe hatten wanderten ebenfalls hinein. "Magst du mal probieren?" fragte mich Magarethe und reichte mir einen langen Holzlöffel. Ich tunkte ihn ein und führte ihn dann unter leichtem Pusten zum Mund. Die braunen Zwiebeln hatten der Suppe ein Aroma verliehen, was ich bisher noch nicht kannte, aber dennoch schien etwas zu fehlen. "Habt ihr Salz und Pfeffer?" Magarethe sah mich überrascht an, reichte mir dann jedoch einen Topf mit Salz und einige Pfefferkörner. Mit einem Stein zermahl ich den Pfeffer und streute etwas Salz und den Pfeffer in die Suppe. Nach kurzem umrühren probierte ich erneut und war mit dem Ergebnis zufrieden. Neugierig nahm mir Magarethe den Löffel ab und probierte ebenfalls. "Du scheinst dich in der Küche gut auszukennen." Lobte sie mich und ich wurde leicht rot.

"Dann lass uns die Meute mal zum Essen rufen." sagte sie, als wir den Kessel auf den großen Tisch im Nachbarzimmer gestellt hatten und sechs Teller mit Löffeln gedeckt hatten. Magarethe ging zur Tür und leutete dreimal kräftig an der dort befestigten Glocke. Kurze Zeit später tauchte Maria von oben auf, immer noch mit Schneechen auf dem Arm, und setzte sich wortlos an den Tisch. Mit lautem Gelächter stürmten als nächstes die beiden Jungen von draußen herein, wurden jedoch sofort von ihrer Mutter abgefangen und zum Hände und Gesicht waschen weggeschickt. Als letztes kam Hubert herein. Er war ein kräftig gebauter Mann mit rundem freundlichem Gesicht. Er ging zu Magarethe, gab ihr einen langen Kuss und verschwand dann ebenfalls zum Waschen. Schließlich saßen alle am Tisch und hielten Magarethe ihren Teller hin, damit sie ihnen etwas von der Suppe auftun konnte.

Als alle etwas hatten, setzte Magarethe sich und Hubert erhob seine Stimme zu einem Gebet. Ich faltete wie die anderen die Hände und lauschte seinen Worten: "Guter, gerechter Herr. Du hast uns mit Liebe und Wohl beschenkt. Dieses Mahl verdanken wir deiner Güte. Segne, was du uns hier bescheret hast. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen." Wir wiederholten im Chor "Amen". Die andächtige Stille war vorbei und mit einem Mal herrschte ein Geräuschpegel am Tisch, den ich nicht für möglich gehalten hatte. Die Jungen berichteten ihrer Mutter aufgeregt, was der Sturm alles angerichtet hatte, während ihr Vater sie immer wieder ermahnte nicht zu übertreiben, was ihre Mutter zum lachen brachte. Ich hörte nur still zu und beobachtete Maria, die das gleiche tat. Es war seltsam morgens auf einem Feld aufzuwachen und Mittags im Kreise einer völlig fremden Familie zu sitzen.

Die Güte des Menschen ist meine WährungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt