Vorsichtig spähte ich auf das Schlachtfeld. Der Angreifer war zwischen den bewusstlosen Sklavenhändlern zusammengesunken und starrte auf sein stark blutendes Knie. Ich machte Anstalten zu ihm zu gehen. „Nicht!" sagte Lee unbewusst laut. Ihre Stimme lenkte die Aufmerksamkeit des Angreifers auf uns.
Mein Blick begegnete grünen Augen. Mit einem Mal schoss mir die Erinnerung an grüne Augen in der Menge durch den Kopf. Er war auf dem Marktplatz gewesen, er hatte uns gesehen, als wir verkauft werden sollten. Es gab nur zwei Gründe warum jemand einem Sklaventransport folgt: Er wollte uns befreien oder er wollte uns stehlen.
Wie um meine Frage zu beantworten blickten mich die grünen Augen offen an und sagten deutlich und sanft: „Keine Angst! Ich bin gekommen um euch zu befreien!" Misstrauisch musterte ich das mit einem schwarzen Tuch verhüllte Gesicht. Ein Seitenblick auf Mia, die neben mir aufgetaucht war, zeigte, dass sie den Worten ebenso wenig traute wie ich.
Ich konnte sein Alter schwer schätzen, dafür war er zu vermummt. Seine Stimme war tief und sein Kampfstil sprach auch für einen erfahrenen Mann. Mit einem Blick gab ich Mia zu verstehen sich wieder hinter mir zu verstecken, dann trat ich einen halben Schritt aus meiner Deckung. Sehr misstrauisch und mit schräg gelegtem Kopf sah ich den kleinen Mann vor mir an: „Wer bist du?"
Erst da schien ihm seine Maske aufzufallen. Mit einer Hand löste er das Tuch und ich sah überrascht in sein junges Gesicht. Seiner Stimme nach zu urteilen war er schon im Stimmbruch, aber er konnte unmöglich älter als 18 sein. „Ich bin Taris" antwortete er ruhig auf meine Frage.
Plötzlich hörte man einen rasselnden Atem und Taris blickte auf die am Boden liegenden Männer. „Wir müssen hier weg!" sagte er mit einem Mal panisch „Sie können jeden Moment aufwachen." Er versuchte aufzustehen, doch sein Bein gab sofort nach und er knallte mit einem spitzen Schrei wieder zurück auf den Boden. Mit einem Blick voll Schmerz und Panik sah er mich an: „Bitte, helft mir!"
Ich drehte mich um und sah wie Mel unter dem Wagen hervorkam. Stumm blickten wir uns an. In ihren Augen sah ich die gleiche Ungewissheit, die auch mich gepackt hatte. Wir hatten uns vor zwei Tagen kennengelernt, doch es fühlte sich an als wären Jahre vergangen. Ohne es zu merken waren die drei zu meinen Schwestern geworden. Schwestern im Leid. Wir hatten uns Hoffnung gemacht, wir hatten uns gegenseitig Halt gegeben und wir hatten uns geholfen. Zusammen hätten wir die Sklavenhändler besiegt und wären geflohen.
Wie einfach wäre es sich umzudrehen und mit meinen neuen Schwestern zu fliehen. Ich hörte ein schmerzhaftes Stöhnen. Mein Innerstes kämpfte. Ich könnte die Sicherheit wählen, die Sicherheit mit meinen neuen Vertrauten. Ganz einfach sich umdrehen und keinen Gedanken mehr an die Männer und unseren vermeintlichen Retter verschwenden. Mein Gewissen hielt dagegen, wie konnte ich einfach weglaufen und einen jungen, viel zu jungen, Mann einfach seinem Schicksal überlassen. Einem Schicksal, welches garantiert grausam ausfallen würde, wenn Timo und Erik mit brummenden Schädel und ohne ihre Ware aufwachen würden.
Ich sah die drei Mädchen an, die meinen inneren Kampf zu spüren schienen und wie gebannt auf das Ergebnis warteten. Einen tiefen Atemzug nehmend schloss ich die Augen und fällte eine Entscheidung: „Lauft in den Wald, so weit uns so schnell ihr könnt. Blickt nicht zurück und wartet nicht auf mich." Alle drei starrten mich mit großen Augen an. Sie verstanden, dass dies ein Abschied für immer war.
Mel stürmte auf mich zu und schlang ihre kleinen Arme um mich. Sie war so klein und hatte schon so viel durchgemacht. Sie alle drei waren viel zu jung. 'Ich war die Älteste, es war meine Aufgabe sie zu beschützen und dem Mann zu helfen.' wie ein Mantra wiederholte ich es innerlich, während Mia und Lee sanft Mel von mir lösten und sich in Richtung es Waldes wandten.
„Sei vorsichtig, Leika. Vielleicht sehen wir uns mal wieder."sagte Mia traurig. „Sorgt gut füreinander. Ihr seid tolle und starke Mädchen, vergesst das nie." erwiderte ich und breitete die Arme aus. Die drei kamen nochmal zurück und ich schloss sie fest in die Arme. Dann lösten wir uns wieder voneinander und meine neugefundenen Schwestern verschwanden im Schutz des Waldes.
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Die Güte des Menschen ist meine Währung
Ficción históricaJa, wir sind arm und genau das war der Grund, weshalb ich gerade still und heimlich von zuhause weglief. „Ich werde wiederkommen, ich weiß noch nicht wann und wie, aber ich komme wieder. Bitte vergesst mich nicht." Meine Worte waren nicht mehr als e...