Gray
Ich lege meinen Kopf auf die Oberschenkel meines besten Freundes. Der kleine Teddy, der in seiner Hosentasche eingenäht wurde, stört etwas, hält mich jedoch nicht von einem Nickerchen ab.
»Hast du schon eine Antwort bekommen?«, fragt mich Archie zum fünften Mal an diesem Tag schon. »Du musst dein Handy nach neuen E-Mails checken. Du weißt ja sonst gar nicht, ob du nicht schon angenommen wurdest.«
Ich verdrehe genervt die Augen und schmuse mich an seinen flachen Bauch, den er hat, weil er sich hauptsächlich von Energy Drinks und Minzkaugummi ernährt.
»Und du solltest endlich mit dem blöden Workout beginnen, welches ich dir vor Monaten empfohlen habe«, brumme ich an den dünnen Stoff seiner Kleidung. »Jammern, aber nichts tun.«
Eugenia's lautes, raues Lachen erklingt. Sie wirft sich zu uns auf die Wiese vor dem Schulgebäude und legt ihre kaputte Weste über meinen zusammengerollten Körper. Sie sorgt sich wohl, weil der Boden feucht und etwas kühl ist. Sie ist trotz ihres schlechten Vorbilds die Gruppemummy.
»Ich werde eure seltsame Freundschaft nie verstehen«, sagt sie amüsiert und kuschelt sich an ihren festen Freund. »Aber wer tut das schon.«
Yasin seufzt genervt und murmelt, »Mich wundert es, dass ihr euch noch nie brutal gestritten habt. So gemein wie ihr zueinander seid, müsst ihr doch mal aneinander geraten.«
Wir haben uns schon oft gestritten. Dadurch dass wir beide bockige Kleinkinder sind, hat es auch mindestens eine Woche gebraucht, bis wir uns wieder vertragen haben. Meist haben wir uns einfach getroffen, gelacht und dann war plötzlich alles wieder gut. Streitereien gehören zu Freundschaften wie Gesang zur Musik. Du brauchst es nicht, aber es verschärft die Bindung.
»Du kennst die beiden noch nicht so lange, deswegen warne ich dich mal lieber vor«, sagt Ismail und legt sein Vokabelbuch zur Seite, welches er seit Tagen mit sich herumschleppt, um auf den nächsten Mandarintest vorbereitete zu sein. »Wenn sie sich streiten, dann gewaltig. Da möchtest du wirklich nicht in ihrer Nähe sein. Sollte es also mal wieder dazu kommen, dass sie sich zoffen, dann packst du am besten lieber deine ganzen Sachen und ziehst nach Island.«
Yasin nickt zustimmend und sieht auf mich nieder. Seine eisblauen Augen mustern mein wunderschönes Gesicht und bleiben dann an der Hand meines besten Freundes hängen, die auf meinem Hintern liegt, damit ich nicht von seinem Schoß rutsche.
Ich kann die Gedanken des arroganten Jungen lesen wie die erste Seite eines Buches für ABC-Schützen. Ob die auch miteinander schlafen? Ist das überhaupt noch eine normale Freundschaft? So kuscheln doch nur Mädchen oder Schwule.
Auch wenn es vielleicht nicht ganz genau seine Gedanken sind, sind sie ähnlich. So denken nämlich viele Menschen, die uns zum ersten Mal sehen. Vielleicht liegt es daran, dass wir beide durch Scheiße gegangen sind, vielleicht aber sehen wir uns einfach als Familie. Kann aber am Ende auch einfach daran liegen, dass wir beide keine richtige Vaterfigur haben und wir wenigstens damit ein Leiden teilen. Wir sind dafür gemacht, beste Freunde zu sein.
»Niemals«, murmelt der Schnösel und lehnt sich an den Baum zurück, unter welchem Schatten wir uns niedergelassen haben. »Die sind viel zu gut miteinander. Da muss ja wirklich schon was weiß ich passieren, damit sie auch nur die Stimmen bösartig voreinander heben.«
Archie schüttelt den Kopf und schlürft picksüßen Saft aus seiner Dose. »Gar nicht. Wir haben uns auch schon einmal wegen der Entscheidung des Mittagessens gestritten. Er wollte was heimatliches wie Barramundi mit Pfirsich-Kiwi-Sauce und ich asiatisch. Mir war an dem Tag nach Reis und Orangenhühnchen.«
![](https://img.wattpad.com/cover/252226860-288-k215180.jpg)
DU LIEST GERADE
Rock me
General FictionGray Adler hatte sich seit dem Auszug seines Vaters geschworen, nie wieder Gitarre zu spielen, doch für immer kann er sein Versprechen nicht halten. Durch die Überredenskünste seines besten Freund zwingt er sich ein letztes Mal zu spielen und das be...