Gray
Gut gelaunt werfe ich meine Bücher in den Spind und nehme mein Mandarinvokabelheft und mein Wörterbuch heraus, bevor ich mich auf den Weg zu meinem Kursraum mache.
»Hey, Gray.« Archie's Schopf taucht neben mir auf. »Ein Musiker sollte nicht zur Schule gehen.«
Grinsend staple ich mein Schulzeug auf seinen Sachen, damit er sie für mich trägt. »Ein Toter auch nicht und dennoch sind wir beide hier.«
Er verdreht genervt die Augen und versucht mit mir Schritt zu halten, dabei braucht er durch seine kurzen Stummelbeinchen etwas mehr Geschwindigkeit.
»Du hättest am Samstag nicht einfach verschwinden sollen. Ich habe dich überall gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe nur Jesse kurz gesehen. Er hat dicht jemanden vermöbelt.«, erzählt er mir missmutig.
»Habe ich mitbekommen.«, murmle ich und fahre mir seufzend über das Gesicht. »He, ich muss dir was erzählen.«
Er hebt den Kopf und sieht mich interessiert an. Wir bleiben vor dem leeren Klassenzimmer stehen. Weit und breit befindet sich niemand, da der Gang in den meisten Fällen ziemlich leer ist.
Jetzt wäre der richtige Moment, Archie von Jesse und mir zu erzählen. Immerhin verdient er es, von meiner Beziehung zu erfahren. Er erzählt mir immer alles und ich behalte so etwas wichtiges für mich.
Doch als ich den Mund öffne, um ihm alles zu beichten, zögere ich dann doch. Ich kann ihm das nicht erzählen. Vielleicht sagt er es Yasin weiter und dieser dann unseren anderen Freunden, dann weiß es plötzlich die ganze Schule und am Ende dann das ganze Lacht. Vielleicht dann noch der ganze Kontinent bis dann die ganze Welt Bescheid weiß. Das will ich nicht und leider ist das sehr egoistisch.
»Mein Vater hat mich am Samstag beim Auftritt besucht.«, beichte ich ihm stattdessen, da es einfacher ist und ich kein Problem habe, dass dies alle erfahren. Niemanden interessiert es ohnehin.
Nur wenn du Jesse Micson und im Heim aufgewachsen bist, interessiert es die Klatschmäuler. Ich habe heute schon mindestens zehn Gruppen darüber tratschen hören. Etwas so privates hat sich in kurzer Zeit so schnell verbreitet und niemanden scheint es zu interessieren, wie sich dieser jemand deswegen fühlt.
»Er hat was?«, fragt er mich geschockt und reißt weit die Augen auf. »Was wollte er denn? Geld? Irgendwas von seinem alten Zeug? Hilfe, dass du seine Musik für andere wieder schmackhaft machst?«
Ich schüttle den Kopf und springe von einem Fuß auf den anderen. Alles in mir schreit danach, ihm von dem eigentlichen Thema zu erzählen, aber ich bekomme es nicht heraus. Meine Angst hält mich von der Wahrheit ab.
»Er wollte sich mit mir treffen, aber als wir es am Sonntag gemacht haben, hat er mich nur nach der Band und meiner Mutter ausgefragt. Ich habe ihm geraten, sich mit ihr mal zu treffen, aber er hat abgewinkt. Er kann sich nicht mit ihr treffen, weil er Schiss hat.«
Archie seufzt und sieht ernüchtert aus. »Warum kann er sich nicht einfach ein Paar Eier wachsen lassen und mit ihr sprechen? Er kann ihr ja einen Strauß Blumen pflücken und ihr anbieten, sie zum Essen auszuführen.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe ihm vorgeschlagen, er soll für sie kochen. Da wird sie bestimmt gleich ganz schwach und fällt ihm verliebt um den Hals.«
»Dann verwüstet er eure Küche und kann danach die ganze Wohnung mit aufräumen. Dann tut's wenigstens einer.« Leise lacht er und streckt sich, dabei fallen ihm fast alle Bücher herunter.
Ich fange sie auf und entscheide mich just in dem Moment, sie bei mir zu behalten, damit er nicht mehr mein Packesel sein muss. »Kann er auch bei sich. Wer weiß, wohnt er eh nicht lange von unserer Wohnung entfernt.«

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Rock me
General FictionGray Adler hatte sich seit dem Auszug seines Vaters geschworen, nie wieder Gitarre zu spielen, doch für immer kann er sein Versprechen nicht halten. Durch die Überredenskünste seines besten Freund zwingt er sich ein letztes Mal zu spielen und das be...