Gray
»Du kannst dich noch erinnern, oder?«, fragt er mich und in seinem Blick liegt etwas hungriges. Erwartungsvoll sieht er mich an, auch wenn ich mir sicher bin, dass mein Verhalten ihm längst diese Frage beantwortet hat.
Nervös versuche ich mich von ihm zu entfernen, aber die Lehne presst sich schon gegen meinen Rücken. Ich komme nicht weiter. Es gibt kein Weiter. Ich kann von ihm nicht fliehen.
»Ich dachte, wir wollten proben«, sage ich und wundere mich mal wieder, wie fest meine Stimme sein kann, obwohl ich ganz und gar nervös bin.
Jesse grinst schelmisch und streicht mit seiner freien Hand über meine Wange. Er stupst mich mit seiner großen Nase an und zwinkert mir zu.
»Proben können wir auch später«, schnurrt er. Er riecht nach falscher Traube, als hätte er kurz davor ein Bonbon gelutscht. Ich rieche nicht einmal den Hauch von Tabak.
Meine Selbstsicherheit kriecht zurück. Ich nehme mir seine Hände und drücke sie fest.
»Hast du dich auf einen weiteren Kuss vorbereitet?«, frage ich ihn und hebe arrogant eine Augenbraue. »Wie kommst du denn darauf, dass wir uns ein weiteres Mal küssen werden?«
»Ich habe es gehofft«, sagt er wahrheitsgemäß und drückt mir einen zarten Kuss auf die Wange. »Also was ist? Ja, nein? Ich habe sogar mein Piercing drin für etwas extra Spaß.«
Ich überlege einen Moment, bevor ich ihn wegdrücke, mich über ihn beuge und mir mein Baby zurückschnappe.
»Vielleicht später«, rauen ich an sein Ohr und lehne wieder zurück gegen die Lehne. Das kühle Holz ist ein guter Kontrast zu meinem heißen Körper. Seit dem intimen Moment gestern Nacht spielt dieser verrückt. Er ätzt nach einen weiteren Kuss, aber darauf kann er lange warten.
»Also nie.« Zerknirscht zückt Jesse seine Zigarettenschachtel und nimmt sich eine heraus. Er stopft sie sich in den Mund und zündet sie sich mit dem in der Packung befundenem Feuerzeug an.
Ich ignoriere den beißenden Rauch und die seltsame Stimmung zwischen uns. Ich perfektioniere die Griffe und übe ein paar Songs. Die anderen müssten gleich kommen.
Nervös sehe ich auf und bemerke Jesse's Blick. Die Wut ist sofort verpufft und lässt Platz für eine neue Emotion: Verblüffung.
»Das klang sogar schon fast perfekt«, merkt er an. »Deine Griffe klangen noch nicht sicher, aber wenn du weiterhin so große Fortschritte machst, bist du im Nullkommanichts der beste Gitarrist weltweit.«
»Na hoffentlich.« Ich fahre über den Hals meines Instruments und streiche über das bemalende Holz. Farbe blättert an einigen Stellen bereits ab. Ich zögere immer noch mit der Idee, diese Flächen mit Stickern zu bekleben, aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz meine erste große Liebe damit zu beschädigen.
Ich atme erleichtert auf, als wir unterbrochen werden und die anderen Bandmitglieder zu uns in den Raum stürmen.
David knallt die Tür zu und torkelt mit großen Augen durch das stinkende Zimmer. »Wow? Jesse, hast du aufgeräumt?«
»Jup«, brummt er und drückt seine Zigarette aus, nur um sich dann sofort wieder eine neue anzustecken. »Ich habe auch den Tisch geputzt, also wehe einer von euch patzt heute. Sei es auch nur ein einziger Tropfen, mache ich euch Feuer unter die Hintern! Einer macht einen Fehler, alle werde bestraft.«
Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und verfluche mich dafür, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, dass Jesse tatsächlich hier alles auf Saubermann gebracht hat.
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Rock me
General FictionGray Adler hatte sich seit dem Auszug seines Vaters geschworen, nie wieder Gitarre zu spielen, doch für immer kann er sein Versprechen nicht halten. Durch die Überredenskünste seines besten Freund zwingt er sich ein letztes Mal zu spielen und das be...