E♭m6

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Jesse

Ich tapse auf mein Zimmer zu, werde aber von meinem Bruder abgefangen. Er stellt sich mir dazwischen.

»Hast du deine Meds schon genommen?«, fragt er mich streng. »Ich hab dich den Wecker abstellen hören. Du weißt doch, dass ich ihn abstelle und dir beim Einnehmen zusehen muss, oder?«

»Müssen tust du gar nichts«, murmle ich und wische mir über die brennenden Augen. Ich habe mal wieder nicht geschlafen und meine Nacht mit Heulen verbracht. Meine stabilste Emotion im Moment ist die Depression.

Es gibt Minuten oder Stunden da lache ich, als wäre nichts und alles war nur ein böser Traum, aber dann erinnere ich mich an ihn und falle wieder so tief, dass es schwer ist, alleine wieder herauszukommen.

Genau deswegen haben mich die Jungs zu Owen geschickt und ich bin auch nicht mehr wirklich aus dem Haus gegangen. Wenn ich mich recht erinnere, war ich nur zwei Mal beim Psychiater Medikamente abholen, aber selbst da bin ich dissoziiert. Ich habe an den meisten Tagen keine Erinnerung, aber es kann nicht großartig sein, sonst hätte ich nicht die Realität verloren.

»Ich hab sie aber genommen. Wenn du's wirklich herausfinden willst, steck mir doch 'ne Kamera den Magen hinunter.« Ich drücke mich an ihm vorbei und marschiere erschöpft in mein Zimmer. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und rolle mich in meiner Decke ein wie ein Baby. »Es wird niemals aufhören. Ich werde nie über ihn hinwegkommen.«

»Natürlich wirst du das. Von Zach bist du sogar recht schnell losgekommen«, sagt er und setzt sich zu mir ans Bett. Er streckt seinen Arm aus und streicht mir über den Rücken. »Was ist an Gray überhaupt so besonders? Er hat dich angeschrien und heulend zurückgelassen. Vor allem, jetzt wo euer Geheimnis ohnehin schon ausgeplaudert wurde, kann es eh nicht mehr schlimmer werden, also warum hat er sich verzogen?«

»Schlimmer geht immer.« Ich rutsche näher an ihn heran und umarme seinen Oberkörper, kuschle mich an ihm fest. »Musst du wieder zur Arbeit?«

Er nickt, wirft einen Blick auf die Uhr. »Rush kommt übrigens später vorbei. Er bringt dir einen Film und etwas zum Essen vorbei. Schau, dass du die Hälfte isst. Den Rest kannst du dann morgen essen.«

Er versucht aufzustehen, aber ich drücke ihn wieder zurück, presse mich an ihm. Er stöhnt genervt auf. »Chesterfield, ich muss dann los.«

»Kuschel mit mir!«, flehe ich ihn an. »Oder liebst du mich auch nicht mehr? Hasst du mich, weil ich jetzt bei dir wohne und deine Hilfe die ganze Zeit für alles brauche? Verlässt du mich jetzt auch?«

»Nein, ich liebe dich und das weißt du auch. Noch dazu kann man seinen Bruder nicht im Stich lassen. Man kann's versuchen, aber man würde sich schlecht fühlen und merken, dass etwas fehlt«, beruhigt er mich und lässt sich zu mir in die Matratze zurückfallen. Er drückt mich an sich. »Aber in fünf Minuten muss ich los. Ich schaue, dass ich heute früher aufhören kann, aber versprechen kann ich dir nichts.«

Ich drücke mein Gesicht an seine Brust und atme erleichtert aus, als mein Körper beginnt aufzutauen. Die Kälte, die mich seit ein paar Tagen ummantelt, hat mein Inneres eingefroren und kühlt nun meinen gesamten Body aus. Das Einzige, das da hilft, ist ein heißes Band oder etwas Zärtlichkeit.

Ich schlucke, doch der Kloß, der in meinem Hals steckt, springt nur etwas höher. »Owl, ich will mein Handy zurück.«

»Darauf kannst du lange warten«, sagt er kühl, streicht mir wieder über den Rücken. »Du hast dir selber und der Band mit deinen dummen Instagramstories und Life Streams derbe geschadet. Wäre ich ein Teil der Band, wäre ich jetzt sauer.«

»Aber ich hatte Recht«, sage ich säuerlich.

Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Nur weil man Recht hat, muss man seinen nackten Arsch nicht dem Internet zeigen.«

Rock meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt