Gray
Wir bleiben vor meinem Wohngebäude stehen. Ich rutsche zu Boden und hebe den Helm von meinem Kopf.
»Danke«, murmle ich und reiche ihn Jesse.
Ich suche in meinen Hosentaschen nach meinem Schlüssel, der sich schlussendlich dann ohnehin in meiner Hoodietasche befinden.
Unschlüssig sehe ich zwischen Tür und Jesse hin und her. Inzwischen hat er den Helm vom Kopf gezogen und hält beide in seinen Händen.
Soll ich ihn hereinbitten? Wird er sich erschrecken, wenn er das ganze Chaos sieht? Wird er gleich wieder abhauen und danach nie wieder mit mir ein Wort wechseln? Wäre es denn so schlimm? Wenn ja, warum wäre es denn so schlimm?
»Ja, ich fahr dann mal«, murmelt er und zwinkert mir grinsend zu.
»Okay.« Erstaunt sehe ich ihm dabei zu, wie er den Helm aufsetzt und den anderen zwischen Oberkörper und Lenkstange quetscht. Er hebt die Hand und winkt mir zu, bevor er davonrollt und kurz darauf aus meinem Blickfeld verschwindet.
Etwas enttäuscht, weil er so schnell davongedüst ist und ich auch nicht den Mut aufgebracht habe, ihn zu mir einzuladen, schließe ich die Haustür auf und marschiere straight zum Lift.
Ich könnte auf ewig in dieser kleinen Schuhschachtel verbringen, aber leider bleibt er recht schnell im richtigen Stockwerk stehen. Seine Tür öffnet sich mit einem kleinen Quietschen von selbst und lässt mich sofort meine Wohnungstür erblicken.
Kaum sehe ich, dass sie offen steht und dunkler Rauch herausströmt, würde ich gerne wieder umdrehen und abhauen wollen, aber da hat meine Mutter schon das bekannte Geräusch des Liftes gehört.
Sie reißt die Tür ganz auf und stürmt zu mir auf den Gang. Verzweifelt zerwühlt sie sich das struppige Haar.
»Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe, aber irgendwie hat die Pfanne begonnen zu brennen und unser Feuerlöscher war leer, also habe ich Wasser dazu geschüttet und es hat daraufhin stärker gebrannt«, jammert sie und erst jetzt fällt mir auf, dass ihre Schürze braun und löchrig ist. »Ich hab sie in die eingelassene Badewanne geworfen und jetzt ist die Beschichtung innen kaputt. Aber he, wenigstens brennt es nicht mehr.«
Grinsend schüttle ich den Kopf und folge ihr mit in die stinkende Wohnung. Ich schlüpfe aus meinen Vans und reiße erst einmal alle Fenster auf.
Danach führe ich unseren alten Hund in mein Zimmer, da dieses der einzige Raum in der gesamten Wohnung ist, da es da noch genug Sauerstoff gibt und von diesem starken Geruch nicht verpestet ist.
»Bleib brav liegen«, sage ich und bin dankbar, als er nicht aufsteht, sondern wirklich auf meinem Teppich liegen bleibt und mit seinen alten Knopfaugen zu mir aufsieht.
Ich schließe hinter mir die Tür und wage mich an den schlimmsten Teil heran - das Badezimmer.
Ein Blick auf den dunklen, großen Fleck in dem weißen Plastik reicht, um mich zum Weinen zu bringen. So wie es aussieht, kann sich keiner von uns, sich die nächsten Tage richtig reinigen. Jetzt ist erstmals Katzenwäsche angesagt.
Seufzend schreibe ich mir eine Notiz, unseren Bankaccount zu checken. Unsere Wohnung schreit nach neuer Einrichtung. Die meisten Möbel sind alt, sogar älter als ich. Sie sind zerkratzt, verkohlt und angebrannt. All das kann ich meiner Mutter danken, die mal lieber die Finger von der Herdplatte lassen sollte.
Als ich zurück zu meiner Mutter ins Wohnzimmer trete, erwische ich sie beim Telefonieren. Beim Sprechen starrt sie auf einen faltigen, dünnen Flyer.
»Einmal bitte Nummer drei, fünf und sieben.« Sie sieht über den Rand des Papiers und betrachtet mich intensiv. »Dazu weißen Reis und zwei Dosen Litschisaft.«
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Rock me
Ficción GeneralGray Adler hatte sich seit dem Auszug seines Vaters geschworen, nie wieder Gitarre zu spielen, doch für immer kann er sein Versprechen nicht halten. Durch die Überredenskünste seines besten Freund zwingt er sich ein letztes Mal zu spielen und das be...