𝘤𝘩𝘢𝘱𝘵𝘦𝘳 35

19 2 0
                                    

Wenn man mich in diesem Moment fragen würde, wie stark meine Angst gerade auf einer Skala von eins bis zehn ist, würde ich wohl irgendwo zwischen dreißig und vierzig schwanken. Zitternd lasse ich mich von Finn nach oben schieben, nicht wissend, was als nächstes passiert.

„Wir reden später.", knurrt James in Elijahs Richtung, wovon mir nur noch schlechter wird.

Wenn Finn mich nicht halten würde, würde ich wahrscheinlich einfach ohnmächtig umfallen. Der Teufel. James und Juliet arbeiten für den Teufel. Mir ist kalt und heiß zugleich und meine Panik wechselt sich im Sekundentakt mit Wut ab.

Ich werfe Finn einen Blick zu und stelle fest, dass es ihm wohl genauso geht. James klingt verdammt gefährlich und Juliet wirkt auch nicht so, als würde sie ihre Hand für uns ins Feuer halten. Ich fühle mich verraten. Und die beiden fühlen sich wohl verarscht.

Schließlich sind wir oben angekommen. Ich schlucke schwer und stelle mich mit Finn neben mir in die Nähe der Haustür, falls ich im Notfall einfach wegrennen will. Ich weiß, dass das dumm ist. Aber mein Fluchtinstinkt steht über Rationalität.

James lehnt sich zur Abwechslung nicht gegen die Wand, wie er es sonst immer tut. Er bleibt ein paar Meter vor uns stehen, wirkt extrem angespannt. Juliets Blick springt zwischen ihrem Bruder und uns hin und her.

„Was sollte das gerade?", fragt der Dämon beunruhigend ruhig. Weder Finn und ich können ihm antworten. Ich starre nur meine dreckigen Converse an. „Was sollte das gerade?", wiederholt er sich drohend.

„Wir haben gewusst, dass ihr uns etwas verschweigt und wollten eben Antworten.", antwortet Finn ihm leise.

„Aha. Und deshalb seid ihr Julie und mir aus dem Weg gegangen und in diese Hütte eingebrochen, um mit einem trainierten Killer zu sprechen? Ihr beide. Allein."

Ich nicke stumm und merke, wie ich zittere. Als James dann losbrüllt, zucke ich stark zusammen.

„WIE BESCHRÄNKT KANN MAN EIGENTLICH SEIN? IST EUCH BEWUSST, WAS EUCH HÄTTE PASSIEREN KÖNNEN?"

Wir antworten nicht. Doch nun übernimmt auch in mir die Wut überhand. Wir sind nicht die, die gelogen haben. Wir sind nicht die, die angeschrien werden sollten.

„OFFENSICHTLICH WAR DER BASTARD AUCH KURZ DAVOR, GEWALTIGE SCHEIßE ZU BAUEN!" Er zeigt auf Finns Schramme auf der Wange. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Dank der Verletzung können wir nicht einmal mehr so tun, als wäre alles nach Plan verlaufen. Die Zwillinge wissen, dass Elijah uns fast entkommen wäre. „ER HÄTTE EUCH UMBRINGEN KÖNNEN! LIMES UND JADE HÄTTEN EUCH UMBRINGEN KÖNNEN! WIESO IS ES SO VERDAMMT SCHWER FÜR EUCH UNTERBELICHTETEN IDIOTEN, EINMAL ZU TUN, WAS MAN EUCH SAGT?"

Und ich habe keine Lust mehr, mich anschreien zu lassen. Was denkt er sich eigentlich? Langsam schaue ich auf, blicke ihm direkt in die braunen Augen. Das scheint ihn zu überraschen, aber nicht zu stören. Er wirkt beinahe beeindruckt.

Doch das ist mir egal:

„Wir tun, was man uns sagt, wenn ihr uns ENDLICH EINMAL DIE WAHRHEIT ÜBER IRGENDETWAS ERZÄHLT! IHR HABT VERSPROCHEN, UNS NICHT MEHR ANZULÜGEN! IHR KÖNNT EUCH DOCH SELBST NICHT AN DAS HALTEN, WAS MAN EUCH SAGT!"

Ein Teil von mir- und es ist kein kleiner Teil- rechnet damit, dass James mir jetzt einfach eine scheuert. Doch zu meinem Glück geht er nicht so weit. Ganz im Gegenteil: Mein Ausbruch scheint ihn sogar ein kleines bisschen fasziniert zu haben. Findet er es gut, dass ich mich wehre?

Sollte er das tun, zeigt er es mir jedenfalls nicht. Denn sein nächster Satz lautet:

„Ich soll mich nicht an Befehle halten können? Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich euch gerade gerne in diesen verdammten Keller schleifen und euch darin verrotten lassen würde! Aber der Befehl war, euch am Leben zu erhalten. Und ja, diese Anweisung war vom Teufel. Aber was kümmert euch das? IMMERHIN LEBT IHR NUR DESHALB NOCH!"

how to survive modern witchcraftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt