Obwohl Diaville eine von Grund auf hässliche Stadt ist, muss Leviathan zugeben, dass ihm zumindest der Wald gut gefällt. Viele würden sagen, dass es an den Windblumen liegt, die am Wegrand blühen und duften. Oder am Rauschen des kleinen Baches, der sich irgendwo seinen Weg durch das Gestrüpp bahnt. Vielleicht liegt es aber auch an der Sonne, die immer tiefer sinkt, als würde sie sich hinter den Bäumen verkriechen,
Nein, das ist es nicht. Er wandelt schon so lange auf dieser Erde, dass er solche Kleinigkeiten gar nicht mehr wahrnimmt. Und trotzdem ist der Wald besonders: Und zwar, wegen der Magie, die in der Luft liegt. Wegen dem Blut, das bald vergossen wird. In diesem Moment atmet Leviathan den Duft von Rache und Tod ein und er liebt es.
Seine Mundwinkel zucken nach oben. Auch die Poesie hat nach Jahrhundert sein Interesse verloren, doch muss er zugeben, dass diese Situation etwas Dichterisches an sich hat. Später wird er an diesen Moment zurückdenken und vielleicht sogar anderen davon erzählen, wenn er Reden über seinen Erfolg hält.
Die Menschen haben ihm alles genommen. Und doch war er gezwungen, ausgerechnet mit ihnen diesen Pakt einzugehen und ihnen seine Kräfte zu borgen. So lange hat er auf diesen Moment gewartet: Er musste Generationen von Hexern überdauern, bis die Menschheit endlich ganz vergessen hat, dass es Zauberei gibt.
Doch heute Abend wird er sie sich zurückholen und dann wird seine Macht wieder grenzenlos sein. Er wird sich rächen, zuerst an dieser hässlichen Stadt, dann am ganzen Land und schließlich an der gesamten Welt. Alles, was er dafür tun muss, ist es, die beiden Teenager zu töten und dabei ein wenig zu zaubern.
Als er endlich bei der Hütte der Dämonen angekommen ist, atmet er tief ein- und aus. Er muss jeden dieser Momente in vollen Zügen genießen. Deswegen ignoriert er den Jungen, der ihm wortlos folgt. Immerhin ist dieser unbedeutend, wie seine ganze Art. Wie sehr sich Leviathan darauf freut, nicht mehr auf Dämonen wie ihn angewiesen zu sein.
Doch noch ist er eine Sicherheitsmaßnahme, sollte bei der Magieübertragung etwas schiefgehen. Leviathan fühlt das Kribbeln in seinen Fingerspitzen, wenn er daran denkt. Er hat so etwas noch nie gemacht und genau deswegen ist es so spannend für ihn. Logischerweise braucht er bei diesem Vorgang einen Dämon bei sich, der sich zumindest ansatzweise das benötigte Wissen angeeignet hat.
Auch, als Leviathan auf die Hütte zu stolziert, sagt der Junge nichts, sodass Leviathan seine Anwesenheit vergisst. Das ist sein Moment, und nur seiner. Er klopft nicht an, sondern drückt die Klinke sofort nach unten. Er kennt die Zwillinge und weiß, dass er sich bei ihnen nicht ankündigen muss. Sie sind nicht blöd. Sie wissen, wann er da ist.
Er wirft die Tür auf und tritt in die Hütte. Aufregung und Vorfreude macht sich in ihm breit: Wird er die Teenager bewusstlos oder gefesselt auffinden? Werden sie im Keller oder ihm Wohnzimmer sein? Die vielen Möglichkeiten lassen sein Herz höherschlagen. Er hat den Dämonen keine genauen Anweisungen gegeben, sondern nur, dass sie die Teenager um diese Zeit an diesen Ort bringen sollen. Was den Rest angeht, lässt er sich liebend gern überraschen.
„Du wirst gleich Zeuge des Beginns einer neuen Zeit. Du solltest dankbar sein.", belehrt Leviathan den Jungen, weil er es doch nicht lassen kann, über seinen Triumph zu sprechen.
Je weiter Leviathan in das Haus schreitet, desto verwirrter wird er. Im Wohnzimmer ist niemand. Mit einem Nicken signalisiert er dem Jungen, dass er im Keller nachsehen soll. Der junge Dämon verschwindet in dem dunklen Gang nach unten, während Leviathan irritiert durch das Wohnzimmer geht.
Wieso ist es so still? Und wieso empfängt ihn niemand? Mit dem Finger fährt er über das kühle Leder des Sofas. Er sieht sich den Kamin mit dem abgebrannten Holz darin und den Lesesessel an. Wenn er ihn genauer betrachtet, fällt ihm das einzelne lange schwarze Haar darauf auf, das sich leicht einkringelt. Juliet ist sogar unter Dämonen eine der Schönsten.
Aber wo steckt sie bloß? Eine böse Vorahnung schleicht sich an, doch er will sie nicht wahrhaben. Nicht, wenn es um seine heiß ersehnte Rache geht. Er geht weiter, achtet auf jedes noch so kleine Detail. Tausend Möglichkeiten fallen ihm ein, doch keine erscheint ihm als richtig. Keine außer eine.
Schließlich bleibt er direkt vor einer Teppichfalte stehen. James hat vom Besten gelernt und so weiß Leviathan, dass darunter eines von James' unzähligen Waffenverstecken sein muss. Mit dem Fuß kickt er den Teppich beiseite, nur um festzustellen, dass das Versteck offen liegt und keine Pistolen mehr darin sind.
Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Tausend Möglichkeiten fallen ihm ein, doch keine erscheint ihm als richtig. Keine außer eine. Jetzt, wo er es langsam realisiert, deutet in dem Raum plötzlich alles auf einen schnellen Aufbruch hin. Die halb-ausgetrunkenen Gläser in der Küche, die unordentliche Decke auf dem Sofa. Und die unzähligen leeren Waffenverstecken, bei denen sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht wurde, sie wieder zu tarnen.
Leviathan hört das Knarzen der Treppe, das ihm signalisiert, dass der Junge wieder kommt. Nur ein paar Sekunden später steht dieser wirklich im Türrahmen:
„Sie sind nicht-" Der Junge unterbricht sich, weil Leviathan die Hand hebt. Das ist die Antwort, mit der er gerechnet hat. Er spürt, wie sein Gesicht rot anläuft und sein gesamter Körper sich anspannt.
Verrat. Verrat. Verrat.
Diese erbärmlichen Bastarde sind mit den Teenagern abgehauen. Sie haben seine Befehle missachtet und gegen ihn gehandelt. Vor Wut schreit er auf und spürt, wie seine Magie ausbrechen will.
Und er lässt sie.
Er katapultiert den nächstgelegenen Stuhl gegen den Glastisch, der klirrend in sich zusammenbricht. Das Licht im Raum flackert und überall, wo er hinsieht, bekommt die Mauer Risse. Der Junge duckt sich, als es von der Decke bröckelt. Leviathans Herz rast vor Zorn, während ein Fenster sprengt und das Geschirr aus den Schränken zu Boden krachen lässt. Durch die geöffnete Tür beschwört er starken Wind, als er nach draußen tritt. Sein gesamter Körper bebt, während die Bäume um ihn herum im Sturm wanken und sich im Gartenteich die Wellen überschlagen.
Was für ein folgenschwerer Fehler von ihnen, ihn zu unterschätzen. Ihnen ist nicht bewusst, was für Möglichkeiten er hat: Sein Verstand ist viel klarer als der eines jeden Menschen und seine Macht grenzt an die Unsterblichkeit. Die wenigen Dämonen, die es noch gibt, hat er unter Kontrolle und kann sie zu allem bringen, was er will. Sieht man es rational, haben die Teenager und die Zwillinge keine Chance.
Die Wolken, die sich über Leviathan in rasender Geschwindigkeit sammeln, lassen den Himmel schwarz werden. Vielleicht will sich die Sonne wirklich dahinter verkriechen. So, als wüsste sie, was der Welt droht, wenn sein Plan funktioniert.
Er wird diese Verräter finden und er wird sich rächen und ja, er wird grausam sein.
Man nennt ihn nicht umsonst den Teufel.
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how to survive modern witchcraft
Phiêu lưu„Ich will dir helfen." „Und wieso sollte ich dir das glauben? Seit du und deine Schwester da sind, passieren diese komischen Dinge!" „Wenn ich dir etwas Böses wollte, hätte ich das schon längst getan. Bitte, vertrau mir." Tränen schießen mir in die...