𝘤𝘩𝘢𝘱𝘵𝘦𝘳 48

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Schniefend greife ich nach dem Taschentusch, das mir Finn entgegenhält und wische mir damit über das Gesicht. Meine Wimperntusche ist nun überall, wo sie nicht sein soll, einschließlich meiner Wangen und Finns Hemd.

Das ist ihm jedoch egal. Er runzelt besorgt die Stirn, während sein Blick von mir ins Leere gleitet. Er rauft sich die Haare, vergräbt sein Gesicht in seinen zitternden Händen. Ich will ihn nicht beim Nachdenken stören und starre wortlos meine Füße an. Meine Converse sind noch voller Dreck vom Wald.

Wir haben es nicht einmal in sein Wohnzimmer geschafft, sondern ich habe mich auf die Treppe gleich neben der Haustür fallen lassen. Ich habe ihm alles erzählt, was ich gehört habe und er hat mir stumm zugehört. Nun weiß er genauso viel wie ich.

Ich zerknülle das nasse Taschentuch. Finns beruhigende Art hat mir dabei geholfen, runterzukommen und nicht mehr durchgehend zu weinen. Schließlich sieht der Braunhaarige wieder auf. Es dauert ein paar Sekunden, bis er die Worte wirklich aussprechen kann:

„Glaubst du, die wollen uns wirklich umlegen?"

Ich zucke mit den Schultern:

„Juliet war auf jeden Fall dagegen und James klang auch nicht begeistert. Aber ich will mich definitiv nicht darauf verlassen."

Er nickt langsam, zieht sich den Kragen etwas weiter:

„Außerdem bringt uns der Teufel wohl einfach selbst um, wenn sie es nicht tun. Egal wie sie sich entscheiden, wir können also nur verlieren."

Ich seufze erschöpft und lehne meinen Kopf an Finns Schulter. Er hat leider sowas von Recht.

„Ich will nicht sterben.", flüstere ich.

„Ich auch nicht. Aber das ist nicht einmal unser größtes Problem."

Ich hebe meinen Kopf wieder, um ihn verwirrt anzusehen. Was ist dann bitte unser größtes Problem? Es dauert ein paar Momente, bis er antwortet. Er scheint sich seine Worte genau zurecht zu legen, bevor er sie ausspricht:

„Wenn er uns tötet und unsere Kräfte bekommt, ist er wieder so mächtig wie vor Jahrhunderten. Noch dazu kommt, dass er verdammt wütend auf die Menschheit ist und sich rächen will, hast du gesagt. Wir dürfen nicht zulassen, dass er an so eine Macht kommt, denn er wird sie missbrauchen."

„So wie er es schon einmal getan hat.", stelle ich geschockt fest, worauf er nickt.

Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Wenn Finn und ich draufgehen, geht die Scheiße erst richtig los. Leviathan hatte Jahrhunderte lang Zeit, um Hass gegen die Menschen zu hegen und Rachepläne zu schmieden. Sie haben ihn gejagt und ihm seine Magie genommen. Er wird es ihnen heimzahlen. Wenn der Teufel wieder seine vollständige Macht hat, werden Menschen sterben.

Plötzlich weiten sich Finns Augen, denn er hat noch etwas realisiert:

„Flo!", beginnt er. „Die Hexenjäger wollten uns töten, weil sie fanden, dass wir eine Bedrohung für die Menschheit sind. Und sie hatten Recht damit! Sie hatten von Anfang an Recht! Solange wir leben, kann Leviathan mächtiger werden."

Es dauert ein paar Momente, bis ich den Sinn seiner Worte verstehe. Dann jedoch jagt mir die Erkenntnis einen kalten Schauer über den Rücken und ich starre ihn mit weit aufgerissenen Augen an:

„Willst du damit sagen, dass wir uns selbst..." Ich kann nicht weiterreden. Ich will es nicht aussprechen.

Finn hat mich trotzdem verstanden, denn er meint:

„Ich glaube, dass wir zwei Möglichkeiten haben. Die erste wäre, dass wir uns umbringen, bevor er es tun kann. Lieber wäre mir aber die zweite Option: Nämlich, dass wir abhauen."

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