7.4 - Juna

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„Vielleicht kannst du ja ein bisschen mit ihr tanzen", überlegt Catalina. Mein Ausbruch ist schon ein bisschen her und mittlerweile versuchen wir zu viert einen Plan zu schmieden, wie ich Isla näher kommen könnte, ohne viel mit ihr sprechen zu müssen, da dies nun mal nicht meine Stärke ist. Mir macht das gar nichts aus, da sie mich vorher gefragt haben, ob ich weiterhin über die Situation mit Meadow reden möchte oder nicht. Außerdem habe ich so gar keine Erfahrungen, wenn es darum geht, mit jemandem eventuell eine Beziehung einzugehen. Bisher war ich nur mit meinem Vater und manchmal Kian in queeren Clubs, wo man ideal mit Leuten rummachen kann, ohne ein Wort mit ihnen wechseln zu müssen.

Zögerlich nicke ich. Tatsächlich tanze ich eigentlich recht gern, also wäre das schon mal eine Option. „Immerhin hat sie dich gefragt, ob ihr zusammen dahin wollt. Ich schätze sie jetzt nicht als Person ein, die dich dann einfach stehen lässt", vermutet Kian. Ich schüttel den Kopf, da ich der selben Meinung bin. „Ich glaube, das Wichtigste ist, dass du nicht mehr diese Blockade hast und sie deshalb physisch, aber auch psychisch näher an dich heranlassen kannst", macht mein Vater mir Mut. Ich nicke erneut, diesmal vorsichtig, da ich nur hoffen kann, dass ich mich nicht wieder hinter meinen Mauern verstecke.

„Das wird schon", lächelt Kian motivierend. „Glaube ich auch", nicken Cata und Papa gleichzeitig, weshalb sie lachen müssen. „Sag mal, wo ist eigentlich dein kleiner Sohn?", wundert sich mein Vater. „Das ist auch dein kleiner Sohn!", erwidert Kians Mutter schmunzelnd. „Nein, das ist mein großer Sohn", erwidert er, weshalb mein bester Freund und ich zu grinsen beginnen. Ich bin unfassbar froh über die Freundschaft der beiden, denn sie macht alles viel einfacher. Noch dazu ist Catalina für mich ein wenig wie einer Ersatzmutter. „Ich gehe mal gucken", entscheidet sie in dem Moment und steht auf. Kian folgt ihr.

„Du kannst immer zu mir kommen, Große", versichert mir mein Vater in die darauffolgende Stille, weshalb ich ihn ehrlich anlächle. „Danke", gebe ich zurück, doch ich glaube, er weiß, dass ich damit so viel mehr ausdrücken möchte.

„Keanu ist bei Vivi im Bett eingeschlafen. Wir haben ihn rüber getragen", berichtet Catalina mit einem sanften Lächeln. Ich finde das ebenfalls ziemlich niedlich, denn ich weiß genau, dass Vivi manchmal ganz allein nicht einschlafen kann, weshalb mir das Gleiche schon einmal passiert ist. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass mein bunthaariger Bruder gestern wieder einmal die halbe Nacht durchgezockt hat, sodass er an Schlafmangel leidet.

Ein paar Minuten später verabschiedet sich Keanus und Kians Mutter von uns allen. „Du hast ja auch meine Nummer, falls mal was ist, bin ich immer für dich da, Süße", flüstert sie mir während unserer Umarmung ins Ohr. „Und sorry noch mal", fügt sie hinzu. „Danke", antworte ich erneut nur, lächle sie jedoch zusätzlich warm an. „Gerne doch. Und ich glaube nicht, dass Isla dir widerstehen kann", zwinkert sie noch, bevor sie aus der Tür verschwindet.

„Ich bin müde", nuschelt Kian und lässt seinen Kopf auf meine Schulter fallen. Wir haben bestimmt noch eine Stunde lang Fragen zu unserer EP beantwortet, indessen mein Vater geduscht und aufgeräumt hat. „Ja, lass schlafen gehen", stimme ich im im selben Moment zu, als es an der Tür klingelt. Mein bester Freund und ich wenden unsere Köpfe zur offenen Wohnzimmertür, um Papa dabei zu beobachten, wie er ein klein wenig aufgeregt scheinend zum Eingang hastet. „Hey", erklingt kurz darauf die angenehme Stimme von Jax, dann ist es kurz still. „Hey", höre ich dann meinen Vater hauchen. Ungläubig wende ich meinen Kopf zu Kian, doch dieser nickt mir mit großen Augen zu. „Für mich hörte es sich auch sehr liebevoll an", wispert er zustimmend.

Ich falle fast vom Sofa, als die zwei nicht wie erwartet direkt in Papas Raum verschwinden, sondern einen Augenblick später im Türrahmen des Wohnzimmers stehen. Jax ist etwas kleiner als mein Vater, hat dafür aber umso breitere Schultern. Seine Augen funkeln uns freundlich an, indessen er einen Arm locker um die Hüfte des Mannes neben ihm schlingt. „Hi", lächelt er. „Ich bin Jax", stellt er sich dann vor. „Und ihr müsst... Kian und Juna sein, richtig?", vermutet er. Sein Lächeln finde sogar ich ziemlich süß, obwohl ich weder auf Typen, noch auf Menschen im Alter meines Vaters stehe.

„Das stimmt", antwortet mein Stiefbruder glücklicherweise. „Freut uns", fügt er dann für uns beide zu. Diesmal bin ich nicht nur durch meine soziale Angst gelähmt, sondern die Tatsache, dass Papa mit einer seiner Fickbekanntschaften wirklich redet, ist mir komplett neu. „Mich auch", nickt Jax fröhlich. Ich wende den Blick in das Gesicht meines Vaters, doch dieser starrt mit einem sanften Lächeln zu dem Rothaarigen neben ihm.

Kian erzählt irgendetwas über unsere Musik, da Jax scheinbar gefragt hat, indessen ich meinen Vater dabei beobachte, wie er seine Lippen in die Haare des kleineren Mannes drückt. Dieser wendet daraufhin kurz seinen Kopf zur Seite, um ihm einen zärtlichen Kuss auf den Kiefer zu hauchen, bevor er sich interessiert wieder meinem besten Kumpel zuwendet. Ich kann nicht ganz glauben, was ich da sehe, doch vielleicht, vielleicht lässt mein Vater ebenso wie ich endlich wieder Gefühle zu. Ich weiß genau, dass er meine Mutter sehr geliebt hat und mehr als enttäuscht davon war, dass sie nach meiner Geburt einfach abgehauen ist, weshalb er seitdem nie wieder eine Beziehung eingegangen ist. Ihn nun verliebt zu sehen, denn ich denke, dass ist nicht abzustreiten, erfüllt mein Herz mit tiefer Wärme.

*

Am nächsten Morgen bin ich ziemlich früh wach. Schätzungsweise liegt es daran, dass ich wegen heute Abend aufgeregt bin. Ich bin mir sicher, dass Sport machen dabei helfen würde, weshalb ich mir Laufsachen anziehe und in die untere Wohnung tapse, um herauszufinden, ob mein Vater ebenfalls schon wach ist. Seine Zimmertür ist allerdings angelehnt und da ich aus der Küche leises Flüstern höre, begebe ich mich dorthin.

Der Anblick, welcher sich mir bietet, lässt beinahe mein Herz stehenbleiben. Jax sitzt angezogen auf der Arbeitsplatte neben der Kaffeemaschine, während mein Vater nur in Boxers zwischen seinen Beinen steht und sanfte Küsse im Gesicht seines Gegenübers verteilt. „Mika!", flüstert der Rothaarige. „Du hast gesagt, ich kann wegen der Kinder nicht mehr so lang bleiben und jetzt lässt du mich nicht gehen, obwohl mein Kaffee leer ist", stellt er amüsiert fest. Seine Hände liegen auf den Schultern meines Vaters, welcher leicht über Jax' Oberschenkel zu streichen scheint.

Vollkommen überwältigt von dieser kleinen, traumhaft schönen Blase, welche die beiden zu umgeben scheint, stolpere ich wieder rückwärts. Natürlich bleibe ich dabei mit meiner Schulter am Türrahmen hängen und kann mir ein leises „Au" nicht verkneifen. Und natürlich hören mich die beiden.

„T-tut mir leid!", bringe ich stockend hervor. Auf keinen Fall möchte ich, dass Papa sich irgendwie ertappt fühlt und deshalb seine Gefühle erneut unterdrückt. „Ich wollte- wollte eigentlich nur- Ich bin schon wieder weg", verhaspele ich mich. „Alles gut, Juna, bleib doch bitte", hält mein Vater mich auf. Er hat sich zwar umgedreht, doch seine Hände liegen noch immer auf den Beinen des Rothaarigen, welcher seine Arme nun von hinten um meinen Vater schlingt. An dessen Kopf vorbei lächelt er mich aufmunternd an. „Ich würde mich auch freuen, wenn du bleiben würdest. Du störst nicht", kommuniziert mir Jax dann noch einmal deutlich.

„Eigentlich wollte ich joggen gehen", murmel ich unsicher. „Wie du möchtest, aber du kannst dich auch zu uns setzen", bietet Papa mir an. Sein was auch immer nickt zustimmend, dann drückt er ihm einen Kuss in den Nacken. 

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