7.1 - Isla

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Juna

Hab Unterlagen vom
Seminar für dich, könnte
ich dir eben vorbei bringen.
Und dein Buch hab ich
auch durch.

Das wäre sehr nett, wenn
du das machen würdest!
Möchtest du dir ein neues
ausleihen?

Juna antwortet nicht mehr, doch zwanzig Minuten später klingelt es an meiner Tür. Glücklicherweise habe ich heute morgen geduscht, weshalb ich mich nicht mehr ganz so gammelig fühle wie die letzten Tage. Etwas hibbelig stehe ich im Türrahmen, bis ich mich zusammenreiße, da ihr Kopf auf der Treppe auftaucht. Schließlich steht sie vor mir. „Hi", murmelt sie leise, ehe sie in ihrem Rucksack zu kramen beginnt. Einen Augenblick später kommt mein Buch sowie ein paar Zettel zum Vorschein, was mir alles in die Hand gedrückt wird. „Danke", freue ich mich ehrlich. „Willst du kurz reinkommen und dir ein neues Buch holen?", biete ich ihr an. Juna beißt sich unsicher auf ihre Unterlippe, ehe sie vorsichtig nickt. „Gehts dir besser?", erkundigt sie sich, als wir den Flur entlang zu meinem Zimmer gehen. „Auf jeden Fall. Danke noch mal für deine Hilfe", antworte ich. Jetzt wäre der optimale Zeitpunkt, um sie nach einem Essen zu fragen. Komm schon, Isla. Ich lege den Kram aus meiner Hand auf meinem Schreibtisch ab, indessen meine hübsche Kommilitonin vor meinem Bücherregal steht.

Juna entscheidet sich nach abwechselndem Durchlesen der Klappentexte und Anstarren der Cover für ein türkises Buch, in welchem die Hauptcharaktere zwar hetero sind, es aber queere Nebencharaktere gibt. Mit einem scheuen Gesichtsausdruck wendet sie sich mir zur, wobei sie das Buch fragend hochhält. „Nimm es gern mit", nicke ich auf ihre stumme Frage hin. „Danke", bringt sie heraus, wirft noch einen letzten Blick auf meine Bücher, ehe sie sich wieder in den Flur begibt. Jetzt, Isla.

„Wann... ist Arlo wieder bei uns?", will sie wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Donnerstag? Also morgen?", schlage ich vor. „Obwohl ich eure Hilfe für diese Woche eigentlich mehr als genug in Anspruch genommen habe", füge ich schnell hinzu. Ich wünschte wirklich, mir würde ein Weg einfallen, wie ich der ganzen Familie danken könnte. „Quatsch", entgegnet Juna rau. „Das ist doch selbstverständlich", schiebt sie hinterher, weshalb ich den Kopf schüttel. „Das ist es wirklich nicht. Deshalb wollte ich dich auch fragen..." Ich blicke in ihre grünen Augen, die mir in diesem Augenblick wieder einmal ziemlich abweisend erschienen. Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein, um eine Ausrede zu haben.

„Ob das wirklich okay ist, wenn er diese Woche noch einen Nachmittag bei euch ist. Ich würde das auch so schaffen", beteuere ich und könnte mich im gleichen Augenblick für meinen fehlenden Mut selbst schlagen. Meine Kommilitonin starrt mir für einen Moment forschend ins Gesicht, ehe sie langsam den Kopf schüttelt. „Nein, ist okay. Wir haben Arlo gern bei uns", versichert sie mir. „Uhm.. okay", gebe ich geschlagen zurück. „Dann Donnerstag", ergänze ich leise, enttäuscht von mir selbst, da ich es einfach nicht gebacken bekomme, sie einzuladen. Normalerweise habe ich wirklich keine Probleme, Leuten etwas anzubieten. Auch habe ich in meiner Vergangenheit diverse Mädels auf Dates eingeladen, ohne mich dabei stressen zu müssen.

Doch bei Juna ist irgendwie alles anders. Ich habe Angst, ihr zu nahe zu treten. Ich habe Angst, dass sie überfordert ist und ich sie in eine unangenehme Situation bringe. Ich habe Angst, dass sie abweisend reagiert und Nein sagt. Und da ich sie wirklich, wirklich gern mag und nicht nur ein bisschen auf sie stehe, will ich nicht, dass eine dieser Möglichkeiten eintritt. Deshalb bin ich feige und schweige.

„Bis dann", verabschiedet sich die Grünäugige von mir, da ich nichts mehr sage. „Ja, bis dann", antworte ich leise. Irgendwie würde ich sie gern umarmen. Juna nickt mir jedoch nur noch einmal zu, bevor sie sich umdreht und die Treppen nach unten läuft. Ich starre noch einen Augenblick auf den Boden vor mir, dann trete ich zurück und schließe meine Wohnungstür wieder.

adore youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt