9.1 - Juna

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„Ich wusste es!", ruft mein Vater überglücklich aus. „Ich wusste, dass sie auch auf dich steht und ihr was anfangt!", fügt er strahlend hinzu, indessen er aufsteht, um mich von meinem Stuhl nach oben zu ziehen. Einen Herzschlag später hat er mich auch schon fest an sich gedrückt. „Ich bin so stolz auf dich, meine Große!", flüstert er mir ins Haar. „Wir wollen auch!", ruft Keanu hinter uns, weshalb Papa einen Arm öffnet, sodass wir uns alle vier zusammen umarmen können. Ich lache leise und ziemlich befreit.

Es klingelt, als die drei quasi fertig damit sind, jedes Detail aus mir herauszuquetschen. Mein Vater bekommt rote Wangen und beginnt, sich nervös durch die Haare zu fahren. Ich grinse. Er ist so verdammt verknallt. „Du siehst gut genug aus, er ist dir eh schon verfallen!", rufe ich ihm hinterher, als er in den Flur eilt. Meine Brüder lachen. „Ich bewege mich hier nicht weg, bis ich ihn nicht zumindest gesehen habe", eröffnet Keanu uns dann seinen Plan. Mit verschränkten Armen und einem verschmitzten Lächeln sitzt er auf einem der Stühle. Kopfschüttelnd, aber lächelnd, weil ich irgendwie nicht damit aufhören kann, wuschle ich durch seine bunten Haare, bevor ich einmal den Tisch abwische und dann zwei frische Gedeckte auf selbigen stelle.

Papa hält in einer Hand die von Jax, in der anderen einen hübschen, schlichten Blumenstrauß, weshalb ich sofort überlege, ob sich Meadow wohl auch über Blumen freuen würde. „Hi, ich bin Jax", stellt sich der Rothaarige freundlich lächelnd bei Keanu vor. Dieser hält es sogar für nötig, aufzustehen und ihm die Hand zu reichen. „Keanu, richtig?", freut sich Jax, woraufhin mein bunthaariger Halbbruder überrascht nickt. Jax grinst, dann wendet er sich an meinen besten Freund und mich. „Schön, euch wieder zu sehen", sagt er dann ehrlich, weshalb ich ihn vorsichtig anlächle. Die Augen des Rothaarigen weiten sich kurz überrascht, dann strahlt er mich glücklich an.

„Meine Tochter ist vergeben", grunzt Papa aus dem Hintergrund, welcher gerade die Blumen in eine Vase gestellt hat. Jax lacht leise. „Das freut mich für dich, Juna", beglückwünscht er mich. „Seit heute", fügt Keanu hinzu, weshalb mein Gegenüber einen überraschten Laut ausstößt. „Wow, noch ganz frisch, wie schön! Ich hoffe, die Person ist respektvoll und behandelt dich so gut, wie du es eben verdienst", lächelt er. Ich weiß nicht, ob ich mich mehr über seine geschlechtsneutrale Formulierung oder über den Inhalt seiner Aussage freuen soll. Wieder frage ich mich kurz, warum er so gut über mein Inneres Bescheid weiß, schiebe den Gedanken daran aber erneut in den Hintergrund. Viel interessanter ist nämlich, dass Jax sich jetzt meinem Vater zuwendet.

„Gewöhn dir diese unnötige Eifersucht am besten gleich wieder ab, Mika", murmelt er. „Erstens bist du derjenige, der sich nicht in eine Beziehung traut, weshalb ich frei durch die Gegend laufe und zweitens dachte ich, dass du wüsstest, dass ich schwul bin. Ich kann es dir aber natürlich auch gern noch mal zeigen", grinst er. Mein Vater wird erneut rot, bevor er Jux in seine Arme zieht. Über dessen Schulter blickt er zu uns, die wir alle drei schamlos die beiden Männer beobachten. „Das ist jetzt der Zeitpunkt, wo sich meine Kinder zu verziehen haben", brummt er. Keanu kichert, Kian und ich grinsen, doch wir sind so freundlich, die Küche zu verlassen. „Viel Spahaß!", wünscht mein bunthaariger Bruder noch lachend, ehe er die Tür hinter uns schließt.

Eine halbe Stunde später klettere ich die Leiter zu meiner Matratze hoch. Es ist zwar noch nicht besonders spät, doch da wir mittwochs bereits um halb neun Seminar haben, begebe ich mich schon jetzt ins Bett. Außerdem wollte ich noch Meadow schreiben, falls ich mich trauen sollte. Als ich jedoch mein Handy entsperre, stelle ich fest, dass es gar nicht mehr nötig ist, meinen Mut zusammen zu kratzen, da sie mir bereits geschrieben hat.

Meadow

Hey, ich wollte mich
noch mal für den
schönen Abend be-
danken.
Ich bin echt so so
glücklich, dass du
ja gesagt hast!
Und es ist noch so
viel schöner, dich
zu küssen, wenn du
meine Freundin bist:)

Hey
Ich fands auch schön
Und ich bin auch
glücklich

Ahh endlich kommst
du online!
Also kein Vorwurf,
aber ich hab dich
schon vermisst :/

Du bist... süß.

Awww du auch
Wie möchtest du das
in der Uni handhaben?

Dass wir zusammen
sind?

Jaa (das klingt toll)

Ist mir eigentlich egal
(das tut es)

Ich würd dich sehr
gern morgen früh
küssen und mich
dafür nicht im Klo
verstecken müssen;)

Okay

Wie, okay?

Okay halt

Also kann ich dich
einfach so küssen?

Jup

Vor allen anderen?

Jup

Das... uiii!
Lass uns schnell schlafen,
dann ist schneller morgen
und ich kann dich schneller
küssen!!

Hahaha ok schlaf gut

Du auch, Juna! <3

Ich fühle mich abartig kitschig, als ich mein ausgeschaltetes Handy gegen meine Brust drücke, aber sie hat mir ein Herz geschickt! Und sie will mich küssen und sagt süße Sachen und... ich kann es nicht abwarten, bis es morgen ist. Ich versuche, so schnell einzuschlafen, wie es geht, doch der Gedanke an ihre hübschen Lippen lässt mich lange nicht zur Ruhe kommen.

Trotzdem erwache ich am nächsten Tag schon um sechs Uhr, weshalb ich entnervt stöhne. Was soll ich denn noch so lange machen, bis ich endlich in die Uni kann? Ich kann mich nicht wirklich an einen Tag erinnern, an welchem ich mich derartig auf die Uni freute, doch heute kann ich es kaum abwarten, da ich genau weiß, dass ich dort meine feste Freundin treffen werde. Habe ich schon einmal erwähnt, wie sehr ich in sie verliebt bin?

Ein Blick in den großen Flur zeigt mir, dass Jax' Schuhe noch im Regal stehen, weshalb ich mir nur mein Rad aus dem Keller hole und alleine eine Runde fahre. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit ist am Ende ziemlich hoch, was an meiner Beflügelung liegen könnte. Verschwitzt komme ich wieder zu Hause an, wo ich aus dem Flur schon Stimmen höre, als ich die Kellertreppe wieder nach oben gehe. Ich kann es nicht lassen, meinen Kopf durch die Tür zwischen den beiden Fluren zu stecken. „Ja, bis Freitag. Ich freue mich", murmelt Jax gerade, dessen Gesicht in den Händen meines Vaters liegt. Ertappt wenden die beiden den Kopf zu mir.

Ich grinse entschuldigend. „Sorry! Bin schon wieder weg", schmunzel ich. „Hey, hast du ohne mich trainiert?", beschwert sich mein Vater statt einer Antwort. Ich zucke unschuldig mit den Schultern. „Ich bin davon ausgegangen, dass du gestern Abend noch ausgiebig Sport gemacht hast", erkläre ich ihm. Jax kichert leise, indessen mein Vater gespielt geschockt den Kopf schüttelt. „Wie du da nur drauf kommst", gibt er ironisch zurück. „Keine Ahnung", erwidere ich scheinheilig, dann verziehe ich mich wieder. „Ihr seid euch ganz schön ähnlich", höre ich noch gedämpft die Stimme des Rothaarigen, dann gehe ich lächelnd die Treppe hinauf. Als mir einfällt, dass ich in anderthalb Stunden Meadow sehe, biegen sich meine Mundwinkel noch ein Stückchen höher.

adore youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt