8.3 - Isla

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Juna

Ist Arlo wie gewohnt
Dienstag und Freitag
bei uns?

Wenn das okay ist,
gerne!

Kurz denke ich darüber nach, sie auf die Situation zwischen uns anzusprechen, doch obwohl Schreiben für sie einfacher zu sein scheint, ist das etwas, was wir persönlich klären sollten.

„Isla?", unterbricht eine leise Stimme meine Gedanken. Ich hebe den Kopf, sodass ich meinen kleinen Bruder im Schlafanzug in meiner Tür stehen sehe. Ich schalte mein Handy aus und lächle ihn an. „Was ist, Spatz?", erkundige ich mich leise. Eigentlich sollte Arlo schon seit einer halben Stunde schlafen. „Glaubst du, Mama hat uns vergessen?", wispert er mit großen, traurigen Augen. „Ach, Arlo!", rufe ich mitleidig aus, wobei ich neben mich auf die Matratze klopfe. „Komm her, Süßer." Mein Halbbruder hüpft sogleich auf mein Bett und kuschelt sich in meinen ausgestreckten Arm.

„Sie hat uns bestimmt nicht vergessen", murmel ich, obwohl ich mir da selber nicht so sicher bin. Er seufzt leise. „Vermisst du sie auch?", will er wissen. Ich gebe ihm einen Kuss auf den Kopf. „Ich vermisse es, eine liebevolle, unterstützende Mutter zu haben, die immer für mich da ist", erzähle ich leise. „Leider war Mama das nie so richtig, zumindest nicht für mich", gebe ich zu. Ich sehe nicht ein, warum ich ihm die Wahrheit verschönern sollte, zumal wir ja abgesprochen haben, immer ehrlich zueinander zu sein.

„Für mich jetzt auch nicht mehr", fällt Arlo auf. „Stimmt", flüstere ich und drücke ihn eng an mich. „Aber dafür haben wir uns", füge ich hinzu. Mein kleiner Bruder nickt. „Ja", flüstert er zurück. „Und ich hab dich ganz dolle lieb, Isla." Ich schlinge beide Arme um ihn und ziehe ihn eng an mich, indessen ich mich in die Horizontale begebe. „Ich hab dich auch ganz doll lieb, Spatz. Möchtest du heute hier schlafen?", biete ich ihm an. Ich werde das nicht zur Regel machen, doch ich weiß, wie es ist, Eltern zu vermissen, weshalb ich möglichst gut für ihn da sein möchte. Eigentlich wollte ich zwar noch mit meinen beiden Freunden telefonieren, doch als Arlo leicht mit dem Kopf nickt, entscheide ich, dass ich auch genauso gut morgen mit ihnen reden kann.

Am nächsten Morgen begegne ich keinem aus Junas Familie an der Kita, was vielleicht ganz gut ist, da dies sicher nicht der richtige Ort zum Reden ist. Dafür essen Gabriel, Cara und ich nach der Vorlesung und dem Seminar zusammen in der Mensa. Mein bester Freund erzählt begeistert, dass es jetzt wahrscheinlich Merch von seinem Lieblingskünstler geben wird, da sich genug Leute dafür interessiert haben. Ich grinse wieder einmal darüber, wie niedlich Gabs ist, wenn er im Fanboy-Modus ist, bis Cara mich nach dem neusten Stand bei Juna fragt.

„Wir haben uns noch zwei Mal geküsst", erzähle ich leise. „Aber nicht geredet", schlussfolgert Gabriel, als ich nichts weiter sage. Ich nicke langsam. „Ja, genau. Und irgendwie glaube ich, dass sie mich auch mag, weil... naja, letztes Mal war sie super sanft und liebevoll. Ich glaube es wirklich. Und ich weiß, dass ihr Worte mehr als schwer fallen. Ich würde ihr so gerne die Möglichkeit geben, einfach nicht reden zu müssen, aber irgendwie... Ich brauche wenigstens ein einziges Mal eine Vergewisserung, dass es ernst für sie ist", seufze ich. „Ich finde, du kannst schon von ihr verlangen, dass sie sich dir gegenüber deutlich äußert", findet Cara. Ihr Freund wiegt mit dem Kopf.

„Ich weiß nicht so genau. Du hast doch mitbekommen, wie nervös sie war, als sie mit uns geredet hat. Das war halt einfach nicht... so sehr ich diese Wort hasse, aber das war halt einfach nicht normal. Und deshalb kann man eben genau das vielleicht nicht von ihr erwarten", überlegt er. „Vielleicht hat sie ja irgendeine Phobie, vor verbalem Kontakt oder so. Gibt es sowas?" Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung", murmle ich. „Ich weiß halt nicht so genau, was ich jetzt machen soll", füge ich dann hinzu, da ich in Junas Abwesenheit nicht so über sie urteilen will. Natürlich sind die beiden meine besten Freunde und sie würde niemals irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen, doch trotzdem fühle ich mich nicht ganz wohl dabei.

„Glaubst du, es wäre einfacher für sie, wenn du Ja-Nein-Fragen stellen würdest? Also nicht zu sagen Was ist das zwischen uns? sondern Hast du Gefühle für mich?. Das ist zwar ein bisschen direkt, aber eventuell kommt sie damit besser klar", schlägt Gabriel vor. Ich blicke ihn nachdenklich an. „Das könnte sein. Danke, dass ihr euch da so mit Gedanken drüber macht", lächle ich ehrlich. Cara rutscht näher zu mir, um einen Arm um meine Schulter zu legen. „Ist doch klar. Wir wollen doch endlich auf ein Doppeldate mit euch gehen", schmunzelt sie. „Ähm..", mache ich, doch sie beginnt augenblicklich zu lachen. „Das war ein Scherz. Ich weiß, dass das nicht so das richtige für deine Prinzessin wäre", zwinkert sie. Ich verdrehe die Augen, lehne mich aber glücklich an meine beste Freundin. Ich bin wirklich endlos froh, die beiden zu haben.

Meinen freien Nachmittag verbringe ich damit, das Bad zu putzen, ein bisschen für die Uni zu arbeiten und dann endlich mal wieder zu malen. Zu meiner Überraschung wird das Bild von Harry, an welchem ich vor einiger Zeit derartig verzweifelt bin, recht ansehnlich, als ich es überarbeite. Fast vergesse ich die Zeit, doch als ich bei dem Haus von Junas Familie ankomme, öffnet mir ihr Vater die Tür.

„Oh, hi, Isla! Komm gern rein, die anderen sind noch auf dem Spielplatz. Eigentlich wollten sie schon vor zehn Minuten wieder hier sein, aber du weißt ja, wie das ist mit kleinen Kindern", quasselt er. „Danke", lächle ich. „Ja, kein Problem", füge ich dann hinzu, wobei ich meine Schuhe ausziehe. „Ich kann einfach irgendwo warten", biete ich dann an, um ihn nicht zu nerven. Bisher kam Mika mir sehr nett vor, doch ich muss seine Großzügigkeit ja nicht strapazieren.

„Oder du kommst mit in die Küche und wir quatschen ein bisschen, während ich koche", schlägt er vor. „Oh, wenn das okay ist, dann gern", nicke ich, wiedereinmal fasziniert von der Freundlichkeit dieser Familie. „Gern doch. Ich brauche eh jemanden, der mir die Zucchini klein schneidet", lacht er.

„Warum machst du zwei Gerichte gleichzeitig?", wundere ich mich, nachdem ich das Chaos in der Küche halbwegs durchblickt habe. Mika lacht verlegen. „Heute Abend kommt noch mein... der Typ, den ich date", erzählt er dann mit roten Wangen. „Oh, wie schön", fällt mir dazu nur ein. Mika grinst, während er mir drei Paprika zuschiebt. „Falls du dich langweilst", schmunzelt er. „Oh ja, danke, ich bin schon fast gestorben vor Langeweile", gebe ich grinsend zurück. 

Junas Vater lacht leise, doch ehe er etwas erwidern kann, hören wir, wie die Tür aufgeschlossen wird. „Ah, da kommen all meine süßen Chaoten wieder", freut er sich, trocknet seine Hände ab und eilt in den Flur. Ich stehe ebenfalls auf folge ihm langsam. Einen Moment später hat Silas meinen Bruder mit nach oben gezogen, um ihm noch irgendwas Wichtiges zu zeigen, und die älteren Jungs und Vivica sind hinterher, um sicherzustellen, dass alle Kinder ihre Hände waschen.

„Ihr könnt zum Essen bleiben, wenn ihr mögt", bietet Mika mir an, verschwindet dann jedoch wieder in die Küche, ohne auf eine Antwort von mir zu warten. Juna starrt in meine Augen, als ich mich ihr zuwende. Ein paar Sekunden später räuspert sie sich. „Willst du... mit nach oben kommen?"

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