8.1 - Juna

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„Warte... noch mal von von", nuschelt Kian müde und reibt sich seine Augen. Ich habe keine Ahnung, warum er ebenfalls so lange geschlafen hat – wahrscheinlich hat er noch bis spät in die Nacht Beats gebaut oder gezeichnet. Ich seufze und streiche durch seine ausgewaschenen blauen Strähnen. „Willst du die eigentlich nachfärben?", erkundige ich mich, da ich ihm sicherlich nicht die ganze Geschichte noch einmal erzählen werde. „Mhm. Würdest du mir helfen?" Ich zucke mit den Schultern, ehe ich nicke. „Wieder blau?", will ich wissen. „Keine Ahnung", gähnt mein Stiefbruder. „Ich lass mich überraschen, was mich anlacht, wenn ich vorm Regal stehe", teilt er mir seinen Plan mit. Ich grinse leicht. So etwas sieht ihm ähnlich.

„Aber zurück zu deinem gestrigen Abend", murmelt mein bester Freund nun. „Hm", erwidere ich. „Hab ich das richtig verstanden, dass ihr hardcore rumgemacht habt, aber kein Wort geredet habt?", versichert er sich. Ich weiche seinem Blick aus. „Davor haben wir geredet", nuschle ich. Kian schnauft. „Du weißt genau, was ich meine. Juna, ich weiß, dass Worte nicht so deins sind, aber die allermeisten Menschen brauchen schon irgendeine verbale Bestätigung. Sonst denkt sie noch, das war was Einmaliges", erklärt er mir, was mir definitiv bewusst ist. „Ich weiheiß", gebe ich deshalb zurück. „Und woher willst du wissen, dass es nichts Einmaliges war?", füge ich hinzu.

Kian verdreht die Augen. „Weil du eindeutig verschossen in sie bist und es ziemlich gut fandest gestern Abend, zumindest klang es so", antwortet er. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. „Ich meinte auch eher von ihr aus", murmle ich. Mein Stiefbruder hebt den Kopf. „Du meinst, dass sie nicht zumindest in dich verknallt ist? Glaube ich eigentlich nicht, so wie sie dich schon seit Wochen anguckt", überlegt er. In meinem Bauch breitet sich eine vorsichtige Wärme aus. „Echt?", vergewissere ich mich, weshalb Kian leise lacht. „Ja, echt. Was hältst du davon, wenn wir hoch gehen und du die anderen auf den neusten Stand bringst? Zumindest Papa? Und Keanu?"

Wie es zu erwarten war, freut sich mein Vater einen Ast ab, womit er auch meine beiden Brüder ansteckt. Ich bin froh, dass meine kleineren Geschwister nicht in der Küche sind, als Papa mich aufgeregt nach den Details fragt. Die Augen verdrehend kann ich ein Grinsen nicht ganz zurückhalten. „Ich hab doch schon gesagt, dass es gut war. Was willst du noch hören? Wo ihre Hände waren? Oder meine? Oder unsere Lippen?" Papa lacht. „Ist ja gut", beschwichtigt er mich. „Vielleicht willst du ja auch stattdessen was erzählen, immerhin habe ich hier alle auf den neusten Stand gebracht", schlage ich ihm mit einem bedeutungsvollen Gesichtsausdruck vor. Augenblicklich werden die Wangen meines Vaters etwas rot. „Juna!", mault er, sein Blick springt zwischen den Gesichtern meiner Brüder hin und her.

„Lass mich raten, du hast gecheckt, dass du auf diesen kleinen Rothaarigen stehst", grinst Kian. „Warte, was? Warum wissen hier alle von diesem Menschen, ich hab den noch nie gesehen!", beschwert sich Keanu. Ich wuschle ihm durch seine bunten Haare. „Vielleicht, weil du da schon immer ins Bettchen musstest, Kleiner?", ärgere ich ihn. In dieser Zeit hat mein Vater sich gefangen, weshalb er jetzt ergeben seufzt. „Er heißt Jax", beginnt er vorsichtig, sodass ich augenblicklich von meinem Halbbruder ablasse. Papa seufzt noch einmal. „Und ja, ich hab mich in ihn verguckt. Wir... treffen uns nächste Woche", erzählt er. Ich verdrehe erneut die Augen. „Er war schon zwei mal zum Vögeln hier und sie haben nächste Woche drei Dates", präzisiere ich seine Aussage. „Wow!", macht Keanu nur überrascht, indessen Kian anerkennend nickt und mein Vater mich mit einem strafenden Blick bedenkt.

Ich zucke ungerührt mich den Schultern. „Ist doch so! Und du hast dich nicht nur verguckt, sondern bist volle Kanne verliebt", führe ich fort. Mein Gegenüber wird noch roter, dann wirft er geschlagen die Arme in die Luft. „Ja, okay! Du hast recht! Ich bin Hals über Kopf in ihn verliebt und er ist wundervoll. Aber dir gehts doch genau so!", ruft er. Ich grinse und nehme ihn in den Arm. „Stimmt. Aber ihr beide seid einfach wirklich süß", lächle ich. In diesem Moment klingelt es. „Oh, das wird Isla sein. Dann können wir ja mal schauen, wie süß ihr seid", triumphiert Papa, weshalb ich das Gesicht verziehe. Ich habe keine Ahnung, wie ich Meadow gegenüber treten soll, denn auch, wenn Kian der Meinung ist, dass sie ebenfalls auf mich steht, bin ich mir dessen nicht komplett sicher. Was, wenn sie gestern einfach nur betrunken war?

„Wollt ihr nicht lieber Arlo holen und sicherstellen, dass er alles wieder mitnimmt?", murmle ich. Kian wirft mir einen Blick zu. „Das finde ich eine gute Idee", entscheidet er dann, wobei er seinen Stiefvater und Halbbruder zur Treppe schiebt. Ich werfe meinem besten Freund noch einen dankbares, aber nervöses Lächeln zu, dann öffne ich die Haustür.

„Hey", mache ich rau. Meadow sieht wunderschön aus. „Komm rein, Arlo und seine Sachen werden grade oben zusammengepackt", murmle ich, woraufhin sie eintritt. Mir ist klar, dass mein Satz nicht gerade der beste war, doch die Anspannung lässt es nicht zu, dass ich mich wirklich darüber ärgere. Stattdessen schließe ich die Haustür und drehe mich zu ihr. Mit einem Mal stehen wir ganz nah voreinander. Ich kann es nicht lassen, meinen Blick kurz zu ihren Lippen schweifen zu lassen. Wenn sie mich jetzt küssen würde, wüsste ich, dass-

Sie küsst mich. Sie umfasst meine Hüfte und küsst mich. Überrumpelt schiebe ich meine Hände in ihre Haare, welche ich total faszinierend finde. Wer kommt auch auf die Idee, sich die unteren Haare in pink und lila zu färben?

Wirklich lange darüber kann ich allerdings nicht nachdenken, denn unser Kuss fordert meine ganze Aufmerksamkeit. Ich gebe mir Mühe, gleichzeitig auf Schritte auf der Treppe zu hören, obwohl ich sie am liebsten mit zu mir nach oben nehmen würde.

Isla beißt sanft in meine Unterlippe, bevor sie sich von mir löst. Ich lächle vorsichtig, gebe ihr einen Kuss auf die Nase, streiche ihr eine schwarz-pinke Strähne hinters Ohr. Sie lächelt ebenfalls, doch statt etwas zu sagen, lehnt sie sich vor, um mich erneut zu küssen. Zumindest weiß ich jetzt, dass es nichts Einmaliges ist.

Als ich schließlich Gepolter auf der Treppe wahrnehme, löse ich unsere Lippen voneinander und trete einen Schritt zurück. Mir ist bewusst, dass zumindest Papa, Kian und Keanu unsere geschwollenen Lippen auffallen werden, doch die beiden Jungs sausen lachend auf uns zu, ohne die Situation infrage zu stellen. „Hey, mein Kleiner", lächelt Meadow, wobei sie ihren Bruder hochhebt und fest drückt. „Hattest du eine schöne Zeit?", will sie wissen. Ich versuche, nicht allzu verliebt zu lächeln, als sie seine Wange küsst und interessiert seinem aufgeregten Geplapper lauscht. Wirklich gut scheint mir das nicht zu gelingen, denn Keanu pikt mir mit einem wissenden Grinsen in die Seite. „Fuck off", brumme ich leise in seine Richtung, weshalb er amüsiert lacht.

Fünf Minuten später sind Isla und Arlo aus der Tür. Ich starre ein paar Sekunden auf das glatte Holz, bevor ich mich zu den anderen umdrehe. „Ich gehe laufen. Willst du mit, Papa?" Mein Vater schmunzelt. „Bisschen den Kopf freikriegen, hm?", zieht er mich auf. „Willst du mit oder nicht?", frage ich mit bewegungsloser Mine noch einmal. Er seufzt und zieht mich in seine Arme. „Ja, will ich. Eigentlich wäre eher Schwimmen oder Radfahren dran, aber wir machen, was du willst. Nur bitte, verschließ dich nicht wieder, okay?", murmelt er in meine Haare. Ich presse die Lippen zusammen, indessen ich nicke. „Gut. Also, was möchtest du trainieren?"

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