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POV Dylan:

Und schon wieder saß ich in der verstaubten Lagerhalle.

Wir sollten uns wirklich mal überlegen, ob wir sie nicht mal etwas heimischer gestalten sollten, so oft wie wir hier waren.
Zwar hatten wir schon eine alte, fleckige Couch, einen kleinen Tisch, ein paar Holzstühle, bei denen man sich auch fragte, ob man sich wirklich drauf sitzen sollte oder nicht doch lieber stehen sollte, um nicht auf den Boden zu krachen, weil der Stuhl sich dachte, dass es ihm besser gehen würde, wenn er 'Bye Bye' zu seinen Stuhlbeinen sagen würde, hier stehen. Trotzdem wirkte alles sehr düster und verlassen.
Wüsste ich nicht, dass das hier der Treffpunkt der Dangerous Players war, würde ich diese Halle wohl nur als eine weitere Bruchbude bezeichnen, die es hier in San Francisco häufig gab.

So eine gemütliche Sitzecke, einen kleinen Fernseher und eine PS5 würden doch sicherlich niemand schaden, oder?

Doch leider wusste ich, dass das sehr wohl schaden würde.
Treffpunkte von Gangs, die im Verborgenen agierten, mussten nämlich so aussehen, als wäre hier seit langer Zeit niemand mehr gewesen. Sonst könnte ja jeder Volltrottel, der hier zufällig reinspazierte, uns finden.
Natürlich war es nicht so leicht, hier hereinzukommen. Ein Frühwarnsystem, das Ethan installiert hatte, warnte uns rechtzeitig vor Eindringlingen, sodass wir sie geschickt von der Halle weglotsen konnten. Sonst würden sicher ein paar Penner diese Lagerhalle als Schlafplatz nutzen und das wollten wir ganz sicher nicht!

"Dylan?! Sollen wir vielleicht endlich mal anfangen?", riss mich Kayleb aus meinen Überlegungen.
"Ähm was? Achso. Natürlich", lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die anwesenden Menschen.
Als Kayleb mich weiterhin nur erwartungsvoll anschaute, zog ich verwirrt eine Augenbraue hoch.
"Man, Dylan. Was ist nur los mit dir?
Wenn wir diese Aktion wirklich machen wollen, dann müssen wir uns ALLE konzentrieren! Auch du!
Und jetzt begrüß endlich alle. Das ist deine Aufgabe als Anführer", seufzte Kayleb Augen verdrehend, während er mich ernst anstarrte.

Oh man.
Das habe ich tatsächlich vergessen.

Schnell sprang ich auf und wartete kurz, bis mich die anderen bemerkten und still wurden.
Erst jetzt fiel mir auf, wie viele heute gekommen waren. Alle die auch am Samstag helfen würden, den Deal zwischen den Snakebites und dem Dragon Clan zu verhindern, waren heute anwesend, um endlich zu erfahren, wie wir vorgehen würden. Das bedeutete auch, dass die Neulinge hier waren.
Da war es noch wichtiger, dass ich mich jetzt zusammenriss, damit sie sich nicht doch noch umentschieden und uns in Stich ließen.

"Hi Leute!
Danke, dass ihr alle heute gekommen seid. Vor allem freue ich mich unseren Neuzugang hier zu begrüßen, die sich dazu entschieden haben, uns diesen Samstag zu unterstützen.
Wir ihr alle wisst, haben wir geplant, in der Nacht von Samstag auf Sonntag den Deal zwischen den Snakebites und dem Dragon Clan zu verhindern. Alle Vorbereitungen hierfür sind inzwischen abgeschlossen und wir haben auch einen vernünftigen Plan entwickeln können, aber diesen wird Ethan gleich näher erklären.
Davor möchte ich jedoch nochmals betonen, dass diese Aktion nichts für schwache Nerven ist. Ich möchte, dass ihr euch alle bewusst seid, worauf ihr euch da einlasst. Wenn irgendetwas schief gehen sollte, kann es schnell passieren, dass es um Leben und Tod geht. Wenn ihr jetzt merkt, dass ihr dazu nicht bereit seid, dann bitte ich euch jetzt zu gehen. Aber bedenkt bitte noch eins: Wenn wir Erfolg haben, dann bedeutet das nicht nur, dass wir den beiden Gangs enorm geschadet haben, sondern dass wir auch mehrere Kilo Drogen sicher stellen konnten. Keine Kinder und Jugendlichen werden dazu missbraucht, diese in kleine Päcken abzufüllen oder sonstiges zu tun. Diese Arbeit ist extrem gesundheitsschädlich und nicht selten kommt es vor, dass unschuldige Kinder entführt werden, um für den Dragon Clan zu arbeiten. Später wenn sie nicht mehr gebraucht werden, werden sie entsorgt als wären sie nichts weiter als Müll...
Was ich damit sagen will: Wir können viel Gutes tun, wenn wir diese Mission durchführen!
Nun liegt die Entscheidung aber bei euch: Bleiben oder gehen?"

Sobald ich geendet hatte, herrschte Stille.

Als ich die Gesicher meiner Freunde und Gefährten musterte, erkannte ich bei fast allen Entschlossenheit und Zustimmung.
Sie waren bereit zu kämpfen. Koste es was es wolle.

Vereinzelt konnte ich auch einen Hauch Unsicherheit und Angst erkennen. Doch diese wandelte sich während meiner Rede ebenfalls zu der Erkenntnis, dass sie hier das Richtige taten.

Mein Blick blieb an einem Gesicht hängen.
Es gehörte einem schlaksigen Jungen, den Kayleb und ich erst vorgestern aufgesucht hatten, um ihn zu fragen, ob er uns helfen würde. Wenn ich mich nicht täuschte hieß er Jack. Schon dort hatte er nur zögernd zugestimmt und ich war mir nicht sicher gewesen, ob er es auch wirklich ernst meinte.
Wenn ich ihm jetzt in die Augen blickte, konnte ich auf der Stelle erkennen, dass er nur noch weg von hier möchte. Das war nichts für ihn.
Deshalb wunderte es mich auch nicht, als er aufstand, mir einen entschuldigenden Blick zuwarf, bevor er sich umdrehte und ohne ein Wort zu sagen, die Halle verließ.

Ich machte ihm keine Vorwürfe. Das hier war einfach nichts für jeden. Man musste schon fast lebensmüde sei, um hier mitzumachen.

Als nach ein paar Minuten niemand weiteres aufgestanden war, ergriff ich wieder das Wort:
"Freut mich, dass ihr euch fast alle dafür entschieden habt, zu bleiben.
Ethan, wenn ich bitten darf?"

Sofort sprang besagter Junge auf und begann ausführlich unseren Plan zu erläutern. Jede einzelne Frage beantwortete er gewissenhaft, damit auch wirklich jeder später wusste, was genau er machen musste.
Jeder hörte aufmerksam zu und scheute sich auch nicht, auf Verständnisprobleme hinzuweisen.

Das Ganze dauerte über drei Stunden, da wir ja wirklich jedes kleine Detail besprechen mussten, damit nichts schief laufen würde.
Hinzu kam, dass wir auch noch ein paar Notfallpläne und Fluchtpläne brauchten, für den Fall, dass irgendetwas unvorhergesehen passieren sollte.

Am Ende dieser drei Stunden war ich mir jedoch sicher, dass alle eine gewisse Sicherheit verspürten, weil sie wussten, dass wir fast auf alles vorbereitet waren.

Als dann auch die letzte Stimme verstummt war, verabschiedete ich alle mit den Worten:
"Da es anscheind keine Fragen mehr gibt, bedanke ich mich an dieser Stelle für eure Unterstützung.
Bitte seid alle am Samstag pünktlich und fitt, damit wir auch wirklich Erfolg haben.
Verhaltet euch bitte weiterhin unauffällig.
Wenn es sonst nichts mehr gibt, könnt ihr jetzt alle gehen.
Bis Samstagabend!"

Sofort erhoben sich die meisten und kleine Grüppchen bildeten sich, während sie langsam die Halle verließen.
Jeder tauschte sich über das Gehörte aus und machte sich gegenseitig Mut.

Das mochte ich am meisten an unserer Gang. Jeder wurde sofort irgendwo eingebunden. Niemand blieb als Außenseiter stehen.
Natürlich gab es immer ein paar, die nicht so gut miteinander auskamen, doch auch diese schafften es, sich soweit zusammenzureißen, sodass sie auf Missionen gut zusammenarbeiten konnten.

Wenn ich meine Gangmitglieder so betrachtete, war ich mir fast schon sicher, dass am Samstag alles gut gehen würde.

Wir werden das schaffen!

Badboys never love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt