Kapitel 2

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Zusammenstoß, der [Substantiv] - gegeneinanderstoßen zweier oder mehrerer Körper

"Oh mein Gott, entschuldigen Sie bitte!", sprach eine tiefe Stimme.

Ich löste meinen Blick von dem riesigen Kaffeefleck auf meiner weißen Bluse und blendete das Gefühl so gut es ging aus, welches mir die warme Flüssigkeit bereitete, während sie mir den Oberkörper hinabrann.

Zum ersten Mal sah ich in die dunkelbraunen Augen meines Gegenübers. Das waren wirklich schöne Augen, in denen man sich unwiderruflich verlieren könnte. Doch davon hielten mich meine Gedanken zum Glück ab.

Meine Gedanken kreisten nun nämlich um meine versaute Bluse. Meinen Praktikumsplatz konnte ich mir dann wohl abschminken. Wer nimmt schon eine Praktikantin an, die bei ihrem Bewerbungsgespräch mit einem dreckigen Shirt auftaucht?

"Wirklich, es tut mir unfassbar leid! Ich war in Gedanken und habe Sie übersehen!"

Der hochgewachsene Mann versucht, meine Aufmerksamkeit zu erlangen, indem er vor meinem Gesicht herumwedelt.

"Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Habe ich Sie verbrüht?"

"Mir geht's gut", antwortete ich dem Mann kurz angebunden und richtete meinen Blick wieder auf das Desaster mit meiner Bluse. Selbst wenn ich meinen Blazer zuknöpfen würde, sähe man den Fleck. So ein Mist! Warum muss dies ausgerechnet heute passieren?

"Ich hab Ihre Bluse ruiniert, das tut mir wirklich leid. So ein schönes Outfit..."

Im Normalfall hätte ich mich jetzt eventuell geschmeichelt gefühlt, doch so ging ich alle mir bleibenden Optionen durch:
Zum Bewerbungsgespräch gehen und den Kaffeefleck auf meiner Bluse behalten? Nein.
Vor der Uni noch mal ins Wohnheim gehen und mich umziehen? Nein, dann würde ich meine erste Vorlesung definitiv verpassen.
Was blieb mir sonst noch? Versuchen, den Fleck auf der Toilette mit Wasser und Seife zu entfernen? Rückstände würden definitiv bleiben.

Augenblicklich wurde ich nun wirklich wütend auf den Braunhaarigen, weil er mir jegliche Chance auf mein Traumpraktikum verbaut hatte.

"Hätten Sie nicht besser aufpassen können?! So kann ich doch nicht mehr zu einem Vorstellungsgespräch!", rief ich aus.

Der Braunhaarige riss überrascht die Augen auf und setzte an, sich schon wieder zu entschuldigen.

"Es tut mir wirklich leid -"

Ich unterbrach ihn. "Das bringt mir nun auch nichts mehr!"

Ich sah dem jungen Mann starr in die braunen Augen, was ihn anscheinend sehr verunsicherte.

"Mmh..." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Ich hab zwar keine weiße Bluse, die ich Ihnen anbieten kann, aber ich könnte mit einem weißen Shirt dienen. Immerhin besser als der Kaffeefleck, oder? Ich wohne ganz in der Nähe."

Zur Untermalung seiner Worte zeigte er mit seinem Daumen in die Richtung eines Wohnblocks.

'Gehe niemals mit einem Fremden mit.'

Ich hatte keine Wahl und nahm sein Angebot an. Er wird mich schon nicht vergewaltigen oder umbringen, hoffentlich.

~

So kam es, dass ich wenig später neben einem mir wildfremden Mann durch die Straßen Manhattans schlenderte und gelegentlich einen Schluck Kaffee aus meinem Thermobecher nahm.

In dieser Hinsicht tat mir der Braunhaarige wirklich leid. Sein Kaffee war vollständig in meine Bluse eingezogen und er konnte keinen Schluck davon trinken. Für mich wäre das die Hölle!

Die Blicke der Menschen, die den großen Kaffeefleck auf meinem Oberteil geradezu auffällig betrachteten, stachen mir fast schon in meine Haut. Hatten die nichts besseres zu tun?

"Ich bin übrigens Sam. Wie heißt du?", brach der Braunhaarige die Stille.

"Sophia", offenbarte ich ihm auch meinen Namen und sah ihn von der Seite aus an. Seine Lippen verzogen sich zu einem kaum sichtbaren Lächeln.

"Was?", fragte ich verwundert.

"Göttliche Weisheit", sagte er bloß. Ich verstand nur Bahnhof.

"Wie kommst du denn jetzt da drauf?", fragte ich verwirrt.

"Dein Name, Sophia. Er ist griechisch und bedeutet 'göttliche Weisheit'", grinste er.

"Aha", gebe ich kaum interessiert von mir. Gut, dass er meinen eigentlichen Vornamen nicht kennt. Ich will gar nicht wissen, wofür 'Malea' steht.

"Wofür ist dein Vorstellungsgespräch denn, wenn ich fragen darf?" Sam schien mir sehr gesprächig zu sein. Irgendwie cute...

Ich seufzte. "Ich muss fürs Studium ein Pflichtpraktikum absolvieren und das will ich eben unbedingt in diesem Verlag machen. Ich brauche das Praktikum, es ist mein Traum!"

"Schön, dass du etwas hast, wofür du so brennst. Dann hoffen wir mal, dass dein Outfit mit meinem Shirt auch so gut aussieht wie mit deiner Bluse und sie dich nehmen." Er lächelt kurz in meine Richtung und deutet dann auf eines der Wohngebäude. "Da müssen wir hinein."

Ich nickte und folgte Sam in den Hausflur und die Treppen hinauf. Ich muss zugeben, ich war schon ein bisschen gespannt auf seine Wohnung. Wie man lebt, sagt schließlich sehr viel über einen Menschen aus.

Dass er mich eben plötzlich ungefragt geduzt hatte, sagt auch etwas über ihn aus...

Verschütteter Kaffee macht schwanger!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt