Beerdigung, die [Substantiv] - Verbringung des Leichnams oder der Asche eines Verstorbenen an einen festen, endgültig bestimmten Ort in der Erde oder die Ausbringung der Asche in die Natur
Nachdem ich sechs Tage lang nur im Sessel im Kinderzimmer saß, sogar darin geschlafen hatte und ihn nur verlassen hatte, um zur Toilette zu gehen, stand ich nun in meinem Zimmer vorm Spiegel und sah mich in diesem schwarzen Kleid an, welches mich sofort an die bevorstehende Beerdigung meiner Tochter erinnerte.
Es klopfte an der Tür. "Hey, bist du fertig?", sah Sam mich fragend an. Ich nickte bloß und schnappte mir meine schwarze Lederhandtasche, in die ich die wichtigsten Sachen eingeräumt hatte.
Im Auto herrschte schon wieder eine unangenehme Stille zwischen Sam und mir. Er hatte in den letzten Tagen immer mal wieder versucht, ein Gespräch mit mir zu beginnen, wenn er mir etwas zu Essen oder zu Trinken ins Kinderzimmer gebracht hat, aber er hat immer nur über belangloses Zeug mit mir reden wollen. Fast hatte ich das Gefühl, dass er das Thema "Minou" völlig umgehen möchte. So, als wäre es ihm völlig egal, dass seine Tochter vor einer Woche gestorben ist und nicht einmal das Licht der Welt erblicken konnte.
Sam räuspert sich, während er in die Straße des Friedhofs einbiegt. "Ich hab Elia, Logan und Ethan für nach der Beerdigung zu uns nach Hause zum Kaffee trinken eingeladen. Ich hab deinen Lieblingskuchen besorgt, Malea."
Mich überkommt ein Schauer, als er meinen Namen ausspricht. "Okay", gebe ich ihm ein Zeichen, dass ich verstanden habe, was er gesagt hat.
Sobald das Auto auf dem Friedhofsparkplatz zum Stehen gekommen ist, öffne ich die Tür und steige aus. Ich atme die kühle Luft tief ein, sodass ich spüren kann, wie sie sich in meiner Lunge breitmacht.
Sam nimmt sanft meine Hand in seine und wir gehen zusammen zu der kleinen Kapelle auf dem Friedhof, in welcher der Pfarrer, sowie unsere Freunde und Sams Bruder schon auf uns warten. Der Pfarrer schüttelt uns beiden die Hand und spricht uns sein "herzlichstes Beileid" aus, bevor ich mich in einer warmen Umarmung von Elia wiederfinde. Sie streicht mir ganz leicht über den Rücken, da sie weiß, wie sehr ich sie heute brauche. Selbst Ethan umarmt mich heute verhältnismäßig lange und bringt keinen doofen Spruch zum Vorschein.
Viel gesagt habe ich nicht, denn ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Deshalb bin ich sehr froh darüber, als wir uns in die Bänke setzen und der Pfarrer anfängt, über beginnendes und endendes Leben, Ungerechtigkeit und den Willen Gottes zu philosophieren.
"Sam, Sophia - Gott hat Minou zu euch gesandt, doch dann wurde ihm bewusst, dass er diesen Engel nicht entbehren kann und er hat sie wieder zu sich gerufen. Sei euch gesagt, dass Minou als Engel nun von dort oben aus über euch wacht." Er deutet auf die Decke der Kapelle, doch ich bin mir sicher, dass er eigentlich den Himmel meint.
Mein Blick hängt während der ganzen Andacht nur auf dem weißen, winzigen Sarg, welcher vorne steht und mit meinen Lieblingsblumen geschmückt wurde. Sam und Elia hatten sich bei der Planung der Beerdigung wirklich Mühe gegeben, wofür ich ihnen auch sehr dankbar bin.
Als wir die Kapelle verlassen, um zum Grab von Sams Mutter zu gehen, regnet es wie in Strömen. Sam öffnet einen schwarzen Regenschirm, den er über uns beide hält, während wir dem Sarg folgen, welcher von zwei Männern, die plötzlich aus dem Hinterraum der Kapelle gekommen sind, getragen wird. Mir kommt es so vor, als würde selbst das Wetter um unsere Tochter trauern.
Wir kommen am Grab von Minou Adams an und spüre augenblicklich, wie Ethan und Sam mit den Tränen kämpfen. Ihre Mutter muss wirklich ein toller Mensch gewesen sein.
Sie hat einen wirklich schönen Grabstein, an dem jetzt nachträglich ein Täfelchen mit dem Namen und Geburts- und gleichzeitigem Todesdatum unserer Tochter Minou Adams angebracht wurde. Ich nehme nur am Rande wahr, wie die beiden Männer Minous Sarg langsam in das winzige Loch einlassen und der Pfarrer noch ein paar Worte spricht. Elia wirft noch eine Blume ins Grab und Sam kramt einen kleinen Teddybären aus seiner Jackentasche, den er anscheinend für unsere Tochter besorgt hatte und ihr nun mit ins Grab gibt.
Nach einer Weile verabschiedet der Pfarrer sich von uns und die beiden Männer beginnen damit, Erde in das Loch zu schaufeln, um das Grab wieder zu verschließen. Ich starre das immer kleiner werdende Loch an, während ich spüre, wie mir vereinzelte Tränen die Wangen hinunterkullern. Es ist das erste Mal seit drei Tagen, dass ich weine, denn irgendwann konnte ich einfach nicht mehr.
Sobald wir wieder Zuhause angekommen waren, verschwand ich ohne ein Wort zu den Anderen erneut im Kinderzimmer, während diese alleine im Wohnzimmer saßen und Kuchen aßen, so als würden sie feiern wollen, dass meine Tochter nun unter der Erde war.
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Verschütteter Kaffee macht schwanger!
General FictionFür Sophia bedeutete es große Freiheit, dass sie nun endlich 4.000 Kilometer von ihren bestimmerischen Eltern entfernt wohnte und zusammen mit ihrer besten Freundin Elia alles tun konnte, was sie wollte. Doch diese Freiheit hielt leider nur knappe e...