Kapitel 27

126 6 0
                                    

Furcht, die [Substantiv] - Angst angesichts einer Bedrohung oder Gefahr, hier: Gefahr, erneut verletzt zu werden

"Elia, ich hab Sam getroffen", wiederhole ich mich, während mir dadurch scheinbar eine Last von den Schultern abfällt.

"Warum sagst du denn nichts dazu, Lia?", schluchze ich. Nur ihren Atem zu hören, macht mich einfach wahnsinnig.

"Ich sage nichts, weil mir klar war, dass es dazu kommen wird", seufzt Elia.

"Was? Wie meinst du das?", frage ich sichtlich verwirrt.

"Ich wusste, dass Sam in Seattle lebt", gesteht mir meine beste Freundin reumütig. Sie hatte meinen Sprachanruf mittlerweile in einen Videoanruf umgewandelt, sodass ich ihre Gestik und Mimik erkennen kann.

Ich schnappe nach Luft. "Seit wann?"

"Fast drei Jahre. Logan hat mir einen interessanten Artikel weitergeleitet und als ich ihn mir angesehen hab, ist mir sofort ins Auge gefallen, dass der Verfasser Samuel Adams war und dann habe ich recherchiert. Er ist jetzt Chefredakteur", seufzt Lia.

"Ich weiß. Er hat meinen Pitch von heute betreut", erzähle ich, während ich mir meine Tränen wegwische. "Warum hast du es mir in den drei Jahren nie gesagt?"

"Ich wollte es dir sagen, wirklich. Aber Logan war sich nicht sicher, ob das nicht wieder Wunden bei dir aufreißt und du ihn dann unbedingt ausfindig machen willst. Und dann haben wir geschwiegen."

Ich nicke. "Okay, wenn man es von dieser Seite aus betrachtet, habt ihr wahrscheinlich alles richtig gemacht."

"Wie war das Treffen denn?" Jetzt geht die Neugier wieder mit meiner besten Freundin durch.

Ich erzähle ihr erst von unserer Begegnung im Café, bei der ich Sam geohrfeigt habe und dann vom Pitch. Entweder Lia grinst stolz über meine erzählten Handlungen oder sie sieht mich bloß verständnisvoll an.

Als ich fertig mit Erzählen bin, sehe ich in ihr nachdenkliches Gesicht. "Ich finde, du solltest darüber nachdenken, ob du dich nicht mit ihm aussprechen willst. Weißt du, um zu verstehen, warum er damals gegangen ist."

Ich hasse es, wenn Elia Recht hat.

~

Nachdem ich mich wieder beruhigt und mein Makeup aufgefrischt habe, verlasse ich mein Büro und begebe mich auf die Suche nach Stacy oder Louis.

Louis fällt mir als erstes ins Blickfeld, also gehe ich auf ihn zu.

"Louis, hat Mister Adams noch einen weiteren Termin vereinbart?", frage ich selbstbewusst.

Louis blickt lächelnd von mir auf sein Tablet, auf welchem er meinen Terminkalender öffnet.

"Nein, Sophia."

"Okay, dann vereinbaren Sie bitte noch einen Termin mit ihm, ja?"

"Selbstverständlich", meint mein zuvorkommender Assistent und blickt in den Kalender. "Sie hätten morgen noch Zeit. Ist das in Ordnung?"

Ich nicke und bedanke mich, bevor ich wieder in mein Büro zurückgehe.

Jetzt muss ich mir bis morgen nur noch dringend zurechtlegen, was ich sagen möchte.

~

"Herein!", rufe ich, nachdem es geklopft hat.

Louis tritt breit grinsend ein und stellt stolz mein bestelltes Mittagessen für Sam und mich auf den Tisch in der Mitte des Büros.

"Mister Adams war noch nicht in Sicht, sonst hätte ich ihn direkt mithochgenommen."

"Vielen Dank, Louis. Ich denke, Sie können für heute dann schon mal Feierabend machen. Den haben Sie sich verdient, finden Sie nicht?", lächele ich, während ich von meinem Schreibtischstuhl aufstehe, zu dem Tisch gehe und schon einmal zwei Gläser mit Wasser befülle.

"Sie brauchen mich also nicht bei Ihrem Termin mit Mister Adams?", fragt Louis verwundert.

Ich schüttele den Kopf. Während ich aus meiner Fensterfront blicke, bemerke ich gar nicht, dass die Tür meines Büros sich erneut geöffnet hat und rede munter weiter. "Nein, mein Treffen mit Mister Adams ist ein Stück weit auch privat, deshalb können Sie wirklich Feierabend machen, Louis."

Ich drehe mich um und erschrecke, als ich nun auch in die Augen von Stacy und Sam blicke. "Oh, hallo. Danke, Stacy, dass Sie Mister Adams hergebracht haben."

Stacy nickt nur lächelnd und schiebt dann Louis vor sich aus dem Raum hinaus, bevor die Situation noch unangenehmer werden würde. Wobei ich mich vor meinen Mitarbeitern wohl kaum rechtfertigen müsste.

"So, so, unser Treffen ist also privat." Sam klingt belustigt.

"Ja, ich will nämlich wissen, warum du mich damals verlassen hast, Sam."

Das Lächeln in Sams Gesicht verschwindet augenblicklich. "Malea..."

"Warte. Lass uns erst Essen. Ich hab Louis dein Lieblingsessen besorgen lassen." Ich setze mich an den Tisch und nehme einen Schluck Wasser, um meine staubtrockene Kehle los zu werden.

Kluger Schachzug von meinem inneren Schutzmechanismus - noch etwas Zeit zwischen jetzt und den Moment der Wahrheit zu bringen, der mein Herz schon wieder in tausende Einzelteile zerspringen lassen wird.

Verschütteter Kaffee macht schwanger!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt