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„Herzlich Willkommen auf meiner Ranch." der alte Rancher, der schon über sechzig Sommer gesehen hatte, reichte mir seine Hand die ich freundlich schüttelte.
„Ich hoffe doch, dass meine Töchter und ich als gute Gastgeber dienen können." der Mann zwinkerte mir vielsagend zu, was ich nur mit einem verlegenen Lachen erwiderte.
Der Rancher, Hershel MacFarlane, führte mich über seine riesige Ranch, die im wüsten von Amerika gebaut war und die seit Generationen gepflegt und umsorgt wurde.
Wie viele Kriege sie wohl schon miterlebt haben musste?
Die idyllische Luft stieg mir in die Nase.
Wohlig strich ich mein strohblondes Haar zurück, dass im Wind wehte.
„Da hinten sind die Ställe in denen vier prachtvolle Pferde stehen, wenn sie wollen können sie gleich dorthin und meine Tochter wird ihnen etwas über ihre Herkunft erzählen." noch bevor ich etwas entgegnen konnte sprach er schon weiter: „Und dort halten wir unsere Hühner, also können sie sich jeden Morgen auf frische Eier freuen." er harkte seine Daumen an seine Hosenträger, dessen schwarzes Leder allmählich abblätterte.
Stolz triumphierend hielt er für einen Moment inne, was ich schnell nutzte und nun endlich das Wort ergriff.
„Vielen dank, Mister MacFarlane, ich weiß ihre Geste zu schätzen, aber ich hatte eine lange Anreise und würde gern etwas zur Ruhe kommen." entschuldigend faltete ich meine knochigen Finger ineinander.
In meiner Verwunderung lachte Hershel beherzig auf: „Es tut mir leid, wenn ich sie so überrumpelt habe, aber sie haben recht, Miss Downes." er kehrte um, schien aber nicht beleidigt, zumindest hoffte ich es schwer.
Seufzend zupfte ich meine weiße Bluse zurecht.
Nicht einmal einen Tag hier gewesen und schon schindete ich den Eindruck von Arroganz.
Na Super, Runa.
In Gedanken ermahnte ich mich selbst, doch schüttelte ich die Gedanken fort.
Nochmals ließ ich meine Smaragdgrünen Augen über die Ranch schweifen, die eine solch angenehme und vertraute Atmosphäre ausstrahlte und mein Herz erwärmte.
Rinder und Schafe, die gemütlich auf der Weide grasten.
Eine gigantische Windmühle, dessen Flügel knarzend rotierten und immer wieder einen großen Schatten über den Hof warf.
Natürlich durfte das ländliche Haus nicht fehlen, indem ich die nächsten Tage nächtigen würde.
Dieser Ort wirkte wie aus einem Bilderbuch.
Anziehend, gemütlich und malerisch.
Für einen Moment ließ ich die Einblicke auf mich wirken, bevor ich zu den Ställen trat, in der ich schon eine sanfte Stimme wahrnahm.
„Braves Mädchen." hallte aus dem Stallflur und ich erkannte schon ein weiß gesticktes Pferd, dass mich von seiner Box aus mürrisch anstierte.
Aus irgendeinem Grund entging mir kein flüchtiger Lacher, der wohl die Aufmerksam der Frau geweckt hatte.
„Oh Hallo." eine schlanke Frau trat aus der Ecke, die mich mit ihren blauen Augen neugierig musterte.
„Entschuldige ich wollte sie nicht erschrecken." rief ich ertappt und kratzte mich peinlich berührt am Hinterkopf.
Die Frau, die ihr pechschwarzes Haar zu einem Dud gebunden hatte, winkte nur kopfschüttelnd ab, als sie auch schon näher zu mir trat.
Ihr extravertiertes Auftreten und das wilde funkeln in ihren Augen, ließen mich als zurückhaltende und kontaktarme Person ärmlich fühlen.
Krampfhaft zwang ich mir das selbstbewussteste Lächeln auf meine Lippen, dass mir zur Verfügung stand.
„Sie können mich ruhig Tessa nennen und sie sind?" sie hielt mir ihre Hand hin, die ich höflich umschloss.
„Runa." erwiderte ich plump.
So machte man sich auf jeden Fall KEINE Freunde.
Tessa, die wirklich die Schönheit in Person repräsentierte und mein Selbstwertgefühl in Grund und Boden trat, nickte mit gerunzelter Stirn.
Entweder wegen meinen Namen, da er eine Seltenheit war, oder wegen meiner taktlosen Antwort.
In den letzten Monaten, als ich von einem Land ins nächste reiste, verlernte ich wohl den Umgang mit Menschen.
Ich räusperte mich nervös und Durchschnitt die außerordentlich peinliche Stille, die Tessa und mich umflog: „Ich wollte gerne etwas über die Pferde erfahren und vielleicht sogar auf eines reiten."
Die schwarzhaarige steckte ihre Hände in ihre Khakifarbene Weste und nickte, als sie mir den Rücken zuwandte und davon ging.
Perplex verharrte ich in meiner Haltung und die Verunsicherung durchflutete mich.
War das nun ein Ja oder ein Nein?
Ich warf meinen Kopf über meine Schulter, in der Überlegung mich unauffällig davon zu machen oder diese peinliche Situation auszuharren, bis ich Wurzeln schlug.
Wie aus Kinderzeiten versuchte ich keinen mucks von mir zugeben, wenn die Eltern einen beim Fernsehen gucken vergessen hatten.
„Ich kann dir diesen Turkmene empfehlen." erschrocken fuhr ich zusammen, doch war ich auch erleichtert, dass sie mich wohl nicht einfach stehen lassen hatte.
„Dieser Gaul ist sehr geduldig und lässt sich einfach führen." Tessa tätschelte dem braun gesteckten Pferd den Hals, dass er mit einem wohligen schnauben kommentierte.
Elegant führte sie das hübsche Pferd über den Stallflur, als sie mir ein Zeichen gab ihr zu folgen auf die anliegende Koppel.
Stumm und den Blick auf das Pferd gerichtet lief ich ihr nach.
Ich saß zu lang in meinem Auto und durchkämmte die Schönheit der Natur zu flüchtig, weshalb ich es in Erwägung zog nach langer Zeit mich wieder auf ein Pferderücken zu schwingen.
Ein Glück das ich die Ranch im Internet fand und ein Segen, dass der Rancher mich für die nächsten Tage aufnahm, bevor ich meine Reise fortfuhr.
Meine Augen wanderten unbedacht zu meiner linken Hand, an dessen Ringfinger ein glänzender Ring funkelte.
Ein tiefes seufzen entfloh meiner Kehle.
Wie weit müsste ich noch reisen, um das Schicksal zu akzeptieren?
Mein Herz stach bei den verdrängten Erinnerungen, die wie bei einem alten Röhrenfernsehen aufflackerten.
„Wenn du magst kannst du Charlie eine Möhre geben." Tessa zerrte mich aus meinen Gedanken.
Mein Kopf schoss in die Höhe und ich musste ein paar mal blinzeln, um die Unschärfe zu brechen, die sich vor meiner Netzhaut gespannt hatte, dabei fiel mir auf, dass sie mir die angesprochene Möhre hin hielt.
„Ach so... klar gerne." stammelte ich und setzte ein flüchtiges Lächeln auf.
Tessa reichte mir die abgenutzten Zügel, die ich fest umklammerte, ehe sie auch schon zur Seite trat.
Noch etwas schüchtern streichelte ich dem Hengst, der wohl den Namen Charlie trug, die Nüstern.
„Hey." hauchte ich und zartfühlend und hielt ihm die Möhre hin, die er ohne zu zögern schnappte und genüsslich aß.
Grinsend fuhr ich mit meiner Hand über seinen weißen Blitz.
Tatsächlich schienen wir uns zu mögen.
„Woher kommst du eigentlich?" die schwarzhaarige lehnte lässig am Zaun und beobachtete haargenau jeder meiner Bewegungen.
Meine Augen wanderten für einen Moment zu ihr, als ich sie auch schon wieder den Hengst fixierten, der seine Nüstern an meine Schulter stupste.
„Aus New York, aber irgendwann zog es mich mehr in den Süden." antwortete ich knapp.
Es war nicht so, dass ich sie nicht mochte, aber einige Dinge aus meiner Vergangenheit sollten verschwiegen bleiben, wie ein Tagebuch mit einem Schloss.
Sie nickte kaum merklich und steckte sich eine Zigarette an.
„Weißt du, wenn du vor hast auszureiten, dann solltest du auf der Hut bleiben." der weiße Qualm stieg in den Himmel und quirlte langsam auf.
Neugierig legte ich meine Stirn in Falten.
„Man spricht von Rothäuten, die hier ihr Unwesen treiben und weiße wie wir für ihr grausames Schicksal bestrafen." ihre Stimme nahm einen Geheimnisvollen Klang an.
Bestrafen?
Rothäute?
Es musste sich um einer dieser Gruselgeschichten handeln, die man einem Kind erzählte.
Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte, um nachzufragen, vernahm ich hinter mir die raue Stimme des Ranchers.
„Tess, deine Schwester braucht Hilfe bei den Rindern."
Die angesprochene verdrehte genervt die Augen und sprang ohne Anstrengung über den Zaun.
Noch bevor sie verschwand sahen mich ihre Augen eindringlich an: „Bleib nicht so lang draußen."
Sie zwinkerte mir zu und lief ihrem Vater hinterher, der von dem hier nichts mitbekam.
Tatsächlich bewirkte ihre kryptische Art einen Hauch von Ungewissheit, die ich versuchte runterzuschlucken.
Charlie hingegen sah unbeeindruckt drein.
Solang ich in Reichweite blieb, würde mir nichts passieren.
Vielleicht wollte sie mir auch nur Angst einjagen?
Ich versuchte diese unheimliche Geschichte aus meinen Kopf zu schlagen und schwang mich auf den vermoderten Sattel.
Der Hengst wieherte auf, aber machte keine Anstalten mich abzuwerfen.
Kurz überlegte ich, ob ich vorsichtshalber mein Handy einpacken sollte, aber empfand dies als eine dumme Idee, da dass Netz sowieso versagen würde.
„Los." rief ich und gab dem Pferd die Sporen und brauste davon, während die Ranch hinter den Büschen und Sträuchern verschluckt wurde.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt