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Mittlerweile seufzte ich schon das dritte mal und lauschte den Grillen wie sie lustvoll zirpten.
John war am leben und ein Grund zur Freude, aber diese Freude würde uns nur kurz bescheren, bis die bittere Realität uns wieder einholte.
Grübelnd legte ich meinen Kopf auf meine Knie, während ich mich in der Nacht unter einem prächtigen Baum gesessen hatte.
Mir war nicht nach schlafen, zu sehr hatten mich die Gedanken geplagt.
Molly war schwanger und Dutch höchstwahrscheinlich der Vater.
Was eine merkwürdige Vorstellung, Dutch sich als einen liebevollen Vater vorzustellen.
Obwohl er dies für Arthur und John war, als die beiden noch sehr jung war.
Hoffentlich würde diese Neuigkeit Dutch wieder zu Sinnen bringen.
„Es ist spät, was machen sie hier draußen, Miss?"
Entnervt verdrehte ich meine Augen.
Musste er immer dann aufkreuzen, wenn ich mal ungestört vor mich hin vegetieren wollte?
Stöhnend hob ich meinen Kopf und sah in seine Ozeanblauen Augen, die wie dass weite Meer glitzerten.
„Mhm?" machte ich nur und legte meinen Kopf wieder auf meine Knie.
„Was bedrückt sie, Miss?"
„Nichts, Mister Morgan, ich genieße nur die Ruhe und die Mücken, für die ich wie eine Bar zu seien scheine." murmelte ich.
Wieso hatte ich nicht mein Insektenspray aus meiner Zeit mitgenommen?
Diese Viecher waren lästig und die überall juckte es mich.
Mensch, dass müssten wohl die Luxusprobleme sein.
Ich vernahm wie Arthur mir näher trat, doch ich machte mir nicht die Mühe aufzusehen.
„Was ist los?" raunte er, als er schmerzvoll zischte, was nun doch meine Aufmerksamkeit lockte.
„Was ist mit ihnen los?" erwiderte ich die Frage und musterte ihn, wie er sich an die Schulter fasste.
Der Stoff seines weißen Hemdes wurde an dieser Stelle in eine dunkle Farbe getunkt, als es mir wie Schuppen vor die Augen fiel.
„Sie sind ja verwundet!" rief ich besorgt und stand in einem Satz aufrecht vor ihm, als ich ohne Erlaubnis das Hemd zur Seite strich und mir die Wunde genauer ansah.
Eine Schusswunde, anscheinend hatte er sich diese eingefangen, als er mit Sadie, John aus dem Gefängnis befreit hatte.
„Sie Idiot." fauchte ich.
Gott sei Dank ging die Kugel durch und steckte nicht drin.
„Wieso lassen sie sich von Miss Grimshaw nicht behandeln? Sie Möchtegern- Macho." schimpfte ich und wollte in die Hütte, um nach Medizin oder dergleichen zu sehen, doch Arthur packte mich am Arm und zog mich zurück.
„Miss, dass ist eine normale Schusswunde, die verheilt wieder." er lächelte mich amüsierend an und war um ein Augenzwinkern nicht verlegen.
Mein Wangen erglühten, als ich bemerkt hatte, wie nah wir uns gegenüber standen.
Räuspernd wandte ich meine Iriden von ihm.
„Dann nicht." grummelte ich.
Was ein Angeber...!
„Aber ich fühle mich natürlich sehr geschmeichelt, Missy." witzelte er und ließ meinen Arm los.
Finster funkelte ich ihn an.
„Sie sind ein Mistkerl, vergessen sie dass nicht."
„Das weiß ich." erwiderte er kess und fügte noch belustigt hinzu: „Sie mögen den Spitznamen Mistkerl was?"
Ich ging erst gar nicht auf seine Sticheleien ein und wechselte das Thema.
„Kann ich sie mal was fragen?"
Meine Gedanken schweiften wieder zu Molly.
Sie musste mehr essen und benötigte vielleicht  Medikamente.
In meinen Kopf herrschte das reinste Chaos, denn ich hatte keine Ahnung wie man einer schwangeren Frau am besten helfen konnte.
Nur durch damalige Freunde, wusste ich dass Ruhe mit einer der höchsten Prioritäten war.
Arthur nickte und zupfte sein Hemd zurecht.
„Denken sie, dass Dutch Molly wirklich liebt oder geliebt hat?"
„Ich denke schon... ich weiß nicht... wie kommen sie darauf, Miss?"
Der blauäugige war wohl selbst mit der Frage überfordert und strich sich grübelnd an seinem Dreitagebart.
Sollte ich ihm die Neuigkeit erzählen?
Er würde dieses Geheimnis bestimmt für sich bewahren, auch wenn ich Molly versprochen hatte, dass ich es für mich behielt, aber Arthur könnte mir helfen oder sogar Molly.
Hin und her gerissen lief ich auf und ab.
„Sie müssen mir was versprechen, ja?"
Bitterernst sah ich ihn an.
„Was ich ihnen jetzt erzähle darf niemand wissen!"
Arthur nickte und musterte mich aufrichtig.
„Also, es geht um Molly... sie hat mir gebeichtet, dass sie schwanger ist und ich gebe zu, ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll." ich hatte meine Stimme gedämmt und mich ihm genähert, um ganz sicher zu sein, dass niemand davon mitbekam.
Zuerst kam keine Regung von ihm, als er verblüfft die Luft ausblies.
„Die einzige Möglichkeit die ich hier sehe ist, dass wir sie hier rausschaffen."
„Was?" rief ich konfus.
Wollte er sie rausschmeißen?
Er bemerkte, dass ich es missverstanden hatte und korrigierte sich räuspernd.
„Es ist zu gefährlich hier für sie und ihr Kind. Nur müssen wir Geld beschaffen, damit sie weit weg ein erfülltes Leben führen kann. Sie wird hier nicht glücklich sein. Ich meine, sehen sie sie doch an. Dutch wird das wenig interessieren."
„Aber ich dachte Dutch liebt sie?" hauchte ich, obwohl ich tief im inneren wusste, dass er nichts mehr für Molly übrig hatte.
„Miss, ich glaube Dutch liebt die Vorstellung mehr irgendwo in Tahiti zu leben, als ein Kind großzuziehen. Das geht gegen seine Prinzipien."
Seufzend nickte ich.
Arthur hatte recht.
„War er schon immer so?" fragte ich kleinlaut und sah ihn mitfühlend an.
„Ich weiß nicht... ich weiß gar nichts mehr. Vielleicht war das Leben was wir geführt hatten, gar nicht so, wie ich es in Erinnerungen habe." er legte seine Hand in sein Nacken und schwelgte für einen Moment in der Vergangenheit.
Nicht nur das Arthur getäuscht wurden war, auch John und die anderen lebten zu lang in einem Trugbild.
Es musste ein erbärmliches Gefühl gewesen sein.
Einfühlsam legte ich meine Hand auf seinen Arm und lächelte ihn ermutigend an.
„Und wenn schon, dann machen sie es besser, für sich und die anderen."
Auf meine Bemerkung erwiderte Arthur mein Lächeln.
Allmählich überholte mich dann doch die Müdigkeit.
Vielleicht auch, weil ich meine Gedanken mit jemanden unzensiert teilen konnte.
Gähnend legte ich meine Hand auf den Mund.
„Ich leg mich mal schlafen, gute Nacht." murmelte ich und rieb meine Augen.
„Gute Nacht, Missy." Arthur schnipste gegen die Krempe seines Hutes und sah mir noch nach, wie ich zur Hütte ging.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt