Wir ritten im Morgengrau bereits los, während ich hinter Arthur saß und meine Arme um seinen Körper geschlungen hatte.
Wegen des Mangels an Schlaf, verfiel ich in einen Sekundenschlaf und stieß mit meinem Kopf immer wieder an seinen breit gebauten Rücken und schreckte jedesmal auf.
Fliegender Adler saß derweil hinter Charles und kämpfte nicht mit der Müdigkeit, er wirkte relativ aufweckt.
Seitdem Gespräch und der Offenbarung, verhielten sich Charles und Arthur mir gegenüber unverändert.
Natürlich sah ich in ihren Gesichtern das Mitleid heraus kristallisieren, aber es war nicht unangenehm oder aufdringlich.
Tatsächlich hatte sich auch Charles für die eskalierende Situation entschuldigt, die in Shady Belle damals passiert war.
Ich fand auch heraus, was es mit den O'Driscoll's auf sich hatte.
Sie war eine rivalisierende Bande, die ein gewisser Colm anführte.
Er war skrupellos und tötete einst die Geliebte von Dutch.
Daraus entstand dann eine Fehde, die sich über Jahre hinauszog.
Arthur erzählte sogar, dass sie Cornwall kannten und das dieser wiederum mit den Pinkterton's unter einer Decke steckte.
Man beachtete wie sich der Kreis schloss.
Mister Hixon, die Pinkterton's und die Armee arbeiteten mit Cornwall... oder Cornwall mit den Agenten?
Wie es dem auch sei, sie kannten aneinander und somit waren sie gut gewappnet.
Anscheinend hatten wir mehr Ärger am Hals, als wir zunächst glaubten.
Da ich wieder ein Teil- so die Vorstellung- der Van der Linde Bande wurde, wurden auch wieder die Pinkterton's auf mich aufmerksam, wenn sie es nicht bereits schon waren.
Wo blieb da die Zeit, mich auf das wesentliche zu konzentrieren?
Und selbst wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich nicht ohne meinen Racheakt durch die Zeit springen.Nach einer gefühlten Ewigkeit, die wir durch die Utopia geritten waren und Reisende auf ihrem Weg grüßten, erreichten wir die Sümpfe.
Die schwüle Luft, die knurrenden Alligatoren und Frösche, die über dem Trampelweg hüpften waren mir sofort vertraut.
Vom weiten erkannte ich die Lichtung und das bewohnte Haus von Shady Belle.
Meine Müdigkeit verflog und nervös befummelte ich das Hemd von Arthur, was ihn nicht weiter störte.
„Wer ist da?" rief eine männliche Stimme und ich wusste sofort das es sich um Bill handelte.
„Ich, du dummer Esel!" fauchte Arthur und schon sprang Bill aus seiner Deckung.
Er schulterte sein Gewehr und sah verwirrt zu Fliegender Adler, als seine Augen in meine huschten.
„Du hast ja die O'Driscroll Liebhaberin mitgebracht." Bill lachte kehlig, erntete aber einen bissigen Kommentar von Arthur.
„Halt die Schnauze, sonst werde ich dich höchstpersönlich den Alligatoren vorwerfen, dann sind sie für die nächsten Wochen wenigstens ausgesorgt."
Charles schüttelte über Bills Bemerkung nur den Kopf und stieg ab, was ihm Fliegender Adler gleichtat.
Bill schnaubte beleidigt und stampfte mit den Worten: „Wir haben Besuch!" ins Camp.
Seufzend schwang sich Arthur aus dem Sattel und half mir von seinem Pferd.
Dankend ließ ich meine Mundwinkel nach oben zucken und begleitete mit Fliegender Adler Charles und Arthur.
Die Aufruhr im Camp war kaum zu überhören.
„Miss Downes ist wieder da!"
„Ein Indianer?"
„War Arthur nicht wegen anderen Dingen ausgeritten?"
„Was ist passiert?"
Ein reinstes Stimmenwirrwarr artete aus, als Dutch aus dem Haus trat und die Türen lautstark ins Schloss schlug.
Auf einem Schlag verstummten die Stimmen.
„So so..." raunte der Anführer und richtete seine makellose Weste.
In mir entfachte sich ein unbehagliches Gefühl, während ich bekannte Gesichter aus dem Augenwinkel ausmachte.
Vor allem John fiel mir sofort auf, der sich zu uns gesellt hatte, gefolgt von Hosea.
Es hatte sich in meiner Abwesenheit nichts verändert gehabt.
Zumindest war dies mein erster Eindruck.
„Miss Downes." Dutch sah mich mit verengten Augen an, als er den Blick von mir abwandte und zu Fliegender Adler sah, der selbstbewusst dort stand und ihm unweigerlich die Hand reichte.
„Ich bin Fliegender Adler."
Dutch nickte anmaßend und schüttelte seine Hand, als er sich als Anführer und Mentor der Bande vorstellte.
Natürlich musste er mit seiner Position prahlen, was auch sonst.
„Arthur erklärst du mir mal, was das hier zu bedeuten hat?"
„Miss Downes, sowie Fliegender Adler stecken in Schwierigkeiten..."
„Und da nimmst du sie mit ins Camp, obwohl wir schon genug Probleme am Hals haben?" unterbrach Dutch schroff und Arme verschränkend.
Entnervt verdrehte ich meine Augen.
„Dutch." seufzte Hosea und schien ebenso genervt von seinem Verhalten.
„Sie gehört zu den O'Driscoll's, was soll ich dazu noch sagen?" erwiderte er nur Schulterzuckend.
Jetzt reichte es mir.
Wütend trat ich vor, während dass Adrenalin nur so durch meine Venen rauschte.
„Ich gehöre zu niemanden! All das war ein Missverständnis, verstanden? Ich habe Mister Morgan und Mister Smith über all das bereits aufgeklärt. Außerdem hängen mir, wie ihnen, Agenten am Hals, die aus purer Gehässigkeit Freunde von mir ermordet haben und die Familie von Fliegender Adler."
Ich atmete aus, als ich fortfuhr.
„Jetzt wurde mir auch noch ein Kopfgeld angehängt und ich bitte sie darum, wenigstens Fliegender Adler aufzunehmen! Wenn ich wieder gehen soll, na schön, dann gehe ich, aber erst mit der Gewissheit, dass sie ihm helfen oder zumindest beistehen!"
Dutch zog über mein souveränes Auftreten die Braue in die Höhe, als ihm ein Lachen entwich.
Er drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal im Kreis und sah dabei jeden seiner Mitglieder in die Augen, als sie wieder in meine fanden.
„Sieh mal einer an, die einst schüchterne Miss Downes ist aus sich heraus gewachsen!"
John, der seitlich von mir stand, stöhnte leise auf und rieb sich den Nasenrücken, während Bill dümmlich lachte.
Es erging einem nicht, dass sich innerhalb der Bande Grüppchen gebildet hatten.
„Natürlich gewährleiste ich ihnen, Miss Downes und ihrem Freund, Fliegender Adler, Unterschlupf."
Konfus runzelte ich meine Stirn.
War das nun ernstgemeint oder einer seiner Spielchen?
Arthur schien genauso über das Verhalten seines Mentors verwirrt und wechselte mit Charles einen flüchtigen Augenkontakt.
Der Anführer kehrte um und zitierte Arthur zu sich.
Anscheinend wollte er mit ihm ein paar Worte wechseln.
Also eigentlich das übliche.
Als Arthur mit Dutch im Haus verschwand, standen Fliegender Adler und ich wie bestellt und nicht abgeholt da, doch da kam schon Mary auf mich zu und musterte mich lächelnd.
„Schön dich wiederzusehen, Runa."
„Auch schön zu sehen, dass es euch gut geht." erwiderte ich genauso freundlich.
Sie packte mich urplötzlich an der Hand und zerrte mich hinter ihr her, wobei ich Hosea und John noch flüchtig zu nickte.
Was war denn auf einmal in ihr gefahren?
An einer ruhigeren Stelle blieb sie stehen und ließ mich los, doch ihre Augen glimmerten verschwörerisch.
„Ich denke, ich sollte dich einweihen."
Nun stand ich auf dem Schlauch und beäugte sie nur verwirrt.
Einweihen?
„Sean ist kurz nach deinem Ausriss in einem Konflikt mit den Pinkterton's erschossen worden, dann... Kieran, ein nett- gut aussehender Mann, den John bei uns aufgenommen hatte, wurde von den O'Driscoll's enthauptet und... und..." hysterisch schnappte sie nach Luft und kämpfte mit den Tränen.
Es war wohl mehr passiert, als ich zunächst annahm.
Tröstend legte ich meine Hand auf ihre Schulter.
„Immer mit der Ruhe, ja?"
Sie nickte schniefend und fuhr diesmal ruhiger fort.
„Karen ist komplett dem Alkohol verfallen und nun plant Dutch einen Überfall in Saint Denise. Hier herrscht eine schreckliche Atmosphäre und Hosea meinte sogar, dass dieser Überfall unser Todesurteil sein wird."
Schluckend musste ich erst einmal die neuen Informationen verdauen.
Sean war tot.
Dann kam ein gewisser Kieran ins Camp und wurde enthauptet.
Jetzt stand ein geplanter Überfall an, während Karen nur noch trank und die Stimmung eindeutig am kippen war.
Ich musste tief Luft holen.
„Arthur war eigentlich auf dem Weg nach einem Schuldner, der Mister Strauss viel Geld schuldete, dies hätte vielleicht unser Durchbruch sein können." murmelte sie noch und strich sich die verirrten Haarsträhnen zurück.
„Und dann kam ich ihm in die Quere." ächzte ich und legte meine Hand ins Gesicht.
Mein Kopf lief auf Hochtouren.
Und trotz alledem war Arthur dazu bereit mir zu helfen und mit Charles die Angelegenheit zu glätten im Reservat.
Ich war ihnen einiges schuldig.
„So war das nicht gemeint! Nur ich bin froh, mich endlich wieder mit jemanden unterhalten zu können."
„Was ist denn mit Tilly?"
„Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich glaube sie hat uns verlassen."
Wie vom Donner gerührt stand ich da.
Die Situation musste ernst sein, wenn die ersten schon die Flucht suchten.
Wie überfahren blies ich den Sauerstoff aus meinen Lungen.
„Danke, dass du mich auf den laufenden gebracht hast."
Sie nickte nur und eine gewisse Erleichterung entwich ihrer Miene, als ich Sadie ausmachte, die mir zunickte.
Meine Muskeln spannten sich auf einen Schlag an.
Immerhin hatte sie mich fast umgebracht.
Doch ihre Wut und Abneigung mir gegenüber schien wie verflogen.
Dennoch wagte ich es vorerst nicht, mit ihr allein zu sein.
„Miss Downes."
Augenverdrehend kehrte ich um.
Ich hatte total verdrängt, dass sich hier ein Obermacker aufhielt.
„Mister Bell."
Micah grinste schelmisch und mit einem widerlichen Geräusch die Nase hochzog, als er auf den Boden spuckte.
Angeekelt rümpfte ich die Nase und verschränkte die Arme vor die Brust.
Ein Glück, dass ich diesem Kauz nicht über den Weg gelaufen war.
„Sie sind wohlauf, freut mich." schnalzte er und stützte seine Hände auf seine zwei Revolver, die im Holster steckten.
„Jap." stieß ich aus.
Bill und Micah waren vom Wesen her sehr ähnlich.
Die zwei größten Idioten der Welt.
Mary, die hinter mir stand, schien ebenso von Micah's Anwesenheit genervt und stöhnte laut aus.
Der Kauz lachte krächzend und zwinkerte mir noch zu, als er sich von uns entfernte.
„Ich hasse ihn." murmelte die Blondine, wo ich zustimmend den Kopf nickte.
Was fand Dutch nur an ihm?
Kopfschüttelnd schwirrten meine Iriden durch das Camp.
Abigail und Jack aßen zusammen, Lenny und Javier unterhielten sich und Fliegender Adler wurde von Charles herumgeführt.
Die anderen Mitglieder hielten sich wohl wo anders im Camp auf.
„Du kannst übrigens wieder bei mir im Zelt schlafen."
„Natürlich, danke Mary." ich warf ihr einen aufrichtigen Blick zu, den sie ebenso erwiderte.Die Sonne stand senkrecht am Himmel, während ich entschlossen hatte im Camp zu helfen.
Ich fütterte die gackernden Hühner, die außerhalb des Camps weilten, goss für Pearson frisches Wasser ein und wechselte hin und wieder mit einigen ein paar Worte.
Fliegender Adler begleitete kurz nach unserer Ankunft Dutch in sein Zimmer und seither war er nicht mehr zusehen.
Über was sie wohl sprachen?
„Sie haben sich schnell wieder eingelebt."
Ich stellte den Eimer zurück, während Pearson mir dankte und ich mich herum wandte.
„Irgendwas muss ich ja machen." erwiderte ich Schulterzuckend.
Arthur nickte und deponierte seine Hand auf seine Gürtelschnalle.
„Wissen sie Miss, Rache ist ein Spiel für Idioten." raunte er und spielte auf meine Rachegelüste an, die ich in der Nacht hoch angeprangert hatte.
„Dann ist dem so! Aber ich lasse nicht zu, dass dieser Hixon feuchtfröhlich durch Amerika spaziert!"
„Glauben sie mir, dass will ich ebenso wenig, aber wir müssen beim klaren Verstand bleiben. Es reicht mir schon, dass Dutch ihn nicht mehr hat." der blauäugige musterte mich besorgt und beugte sich ein wenig nach vorn.
„Was ist mit ihm passiert?"
„Ich weiß nicht, vielleicht waren die letzten Wochen Zuviel für ihn."
„Hören sie, Mister Morgan, ich verspreche ihnen beim Verstand zu bleiben, aber ich werde Hixon den Garaus machen." ich machte meinen Standpunkt deutlich und ich ließ nicht zu, dass mich jemand umstimmte.
Es war wie in Stein gemeißelt.
„Kommen sie bloß nicht auf die Idee abzuhauen, wenn sie eine Spur ausmachen!" ermahnte er mich.
„Schon klar." gab ich patzig zurück und fügte noch hinzu: „Ich muss jetzt weiterarbeiten."
Stampfend trat ich an ihm vorbei und half Mary bei der Wäsche.
Was mich wohl als Nächstes erwarten würde?
Der Anführer verlor den Verstand, dass war kein gutes Zeichen.
Zudem war seine aufgesetzte Freundlichkeit wirklich bedenklich.
Er nahm mich einfach so auf?
Irgendwas führte er im Schilde.

DU LIEST GERADE
Zwischen uns die Zeit
FanfictionDie junge Frau, Runa, suchte in den Wüsten von Amerika den Abstand zwischen sich und ihrer Vergangenheit. Dabei fand sie Unterschlupf bei der Familie MacFarlane, die ihre Ranch seit Generationen lieblich pflegten. Tessa, eine der Töchter von dem a...