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Der Geruch von Schießpulver lag in der Luft und dichte Rauchschwaden verdeckten den Nachthimmel.
Hustend stolperte ich über etliche Leichen.
Mein Körper zitterte unaufhörlich und die pure Angst beklemmte mich.
Es war Milton.
Er hatte uns aufgespürt.
Wimmernd sah ich zu der ausgebrannten Hütte, wobei ich über die Leichnamen von der Pinkterton's Männer stolperte und bäuchlings zu Boden fiel.
Keuchend rappelte ich mich auf und vernahm eine Silhouette, die auf mich zu gerannt kam.
Panisch rutschte ich zurück und stieß dabei mit meinem Arm gegen den leblosen Körper von einem Mann, wobei mir ein entsetzlicher Schrei entfloh.
„Runa!"
Lenny's Stimme gelangte in mein Gehörgang, als der Afroamerikaner seine Hände auf meine Wangen legte und mich zwang ihn anzusehen.
„Alles gut... alles ist gut!"
Sein Gesicht war von Schrammen, Blut und Ruß bedeckt.
Zaghaft nickte ich, als eine weitere Stimme erklang.
„Mama!" Jack stand heulend im mitten des Schlachtfeldes.
Lenny wandte sich von mir ab, um den kleinen Jungen zu trösten, während ich wie paralysiert dagesessen hatte.
Wir hätten weiterziehen sollen!
Krampfhaft unterdrückte ich einen verbitterten Schluchzer.
„Jack!" rief John und der kleine Junge rannte seinem Vater in die Arme, als auch schon Abigail hustend dazu gelangte.
Ein Glück, es ging ihnen gut!
Schwerfällig stand ich auf und ließ meine Iriden umher schweifen.
Auch Mary, sowie Molly blieben unversehrt und klopften sich den Schmutz von der Kleidung.
„Javier?" kam es von Lenny.
„Mir geht's gut!"
Der Mexikaner stieg ächzend über die Leichen und verdeckte mit seiner Hand Mund und Nase.
Allmählich fraß sich der Geruch von Blut durch die Rauchschwade.
Die Übelkeit überkam mich regelrecht.
Schluckend unterdrückte ich ein Würgereiz, der meine Magensäure nach oben drückte.
Die Männer brüllten die Namen von noch vermissten Personen.
Milton wusste wie er vorgehen musste.
Zuerst hatte er wahllos geschossen und die Männer in die Enge getrieben, als er mit hochexplosivem TNT geworfen hatte.
Wir saßen regelrecht in der Todesfalle.
Zumindest die anderen, ich hingegen durfte mir das schreckliche Schauspiel von weitem anhören.
Wäre Arthur....
„Arthur!" hauchte ich und mein Kopf schellte in jegliche Richtung.
Wo war er?
Panisch klopfte mein Herz bis zum Anschlag und ich stolperte voran, während mich die toten Gesichter anstarrten.
Meine Atmung beschleunigte sich und meine Gliedmaßen zitterten.
Wann hörte nur dieses sinnlose Töten auf?
Ich ersann mich an meine düsteren Gedanken, dass ich für all das verantwortlich war.
War ich das?
„Miss Grimshaw!" schrie Mary aus vollstem Leibe und erregte unsere Aufmerksamkeit.
„Sie ist tot!"
Noch mehr Verluste?
Wie erstarrt sah ich zu wie Javier und Lenny zu Mary rannten, während Abigail Jack auf die Arme nahm und ich tröstete.
John rieb sich die Stirn und versuchte bei Sinnen zu bleiben.
Ich hingegen fühlte mich wie der Todesbote, als ich mich übergab und die Tränen aus meinen Augen quollen.
Keuchend fasste ich mich an meinem Bauch.
Das war einfach zu viel.
Stöhnend wischte ich mit meinem Handrücken über meinen Mund und torkelte zurück.
Meine Kehle brannte und ein übler Geschmack lag auf meiner Zunge, doch es war nichts zum Vergleich was sich vor meinen geistigen Auge abspielte.
„Ihr Wichser!" lallte Karen und schwankte vor und zurück, während sie die Flasche in die Lüfte hielt.
Benommen fiel ich auf mein Hinterteil und starrte einfach in das Geschehen.
Ich konnte nichts ausrichten.
„Sie bluten, Pearson!" kam es von dem Reverend, der ihm ein Tuch hinhielt.
Dankend nahm der Lagerkoch das Tuch entgegen und tupfte damit das Blut von seiner Schläfe.
Wie oft musste ich mitansehen, wie Menschen starben?
Wie oft würde ich dieses Szenario noch erleben?
Was das mein Fluch?
Ich legte meine Hände in mein Gesicht.
Das war wie die Hölle.
Nein, schlimmer....
Mary weinte, John fluchte, Javier und Lenny diskutieren und Karen säuselte lautstark irgendein Stutz.
Tief holte ich Luft.
Reiß dich zusammen, Runa!
Befahl ich mir in Gedanken und blies den Sauerstoff aus meinen Lungen.
Wieder stand ich auf und spürte wie meine Knie wie verrückt zitterten.
„Sadie!" rief John und klopfte ihr auf die Schulter, die erschlagen wirkte.
Doch wo war Arthur?
Ich malte mir schon das schlimmste aus.
Mir entwich ein Schluchzer und die Angst schnürte meine Atemwege ab.
Niemals könnte ich es mir verzeihen, wenn er...
Bei diesem Gedanken erschauderte es mir.
Wieso hatte ich auch nur auf ihn gehört?
„Runa." Molly gelangte in mein Sichtfeld und strich mir aufmunternd meinem Oberarm.
„Wo ist Arthur?" preschte ich hervor und beäugte sie panisch.
Sie sah sich um, aber zuckte letztendlich mit ihren Schultern.
„Ich weiß nicht."
Ein Tränenschleier benetzte meine Iriden, als ich mich von ihr entfernte und weiter nach ihm Ausschau hielt.
Aber ich erkannte kaum etwas.
Die Rauchschwade erschwerte mir das sehen.
Die Irländerin holte mich besorgt auf und hielt mich zurück.
„Runa, mach dich nicht verrückt!"
„Ich soll mich nicht verrückt machen? In meiner Anwesenheit sterben Menschen und... wenn Arthur jetzt auch dazu gehört, dann schwöre ich das ich Milton höchstpersönlich den Garaus mache, nachdem ich Hixon qualvoll getötet habe!" brüllte ich von Wut verzerrt.
„Daran bist du doch nicht schuld!"
„Aber warum sterben immer Menschen? Daran muss ich doch schuld sein!" wimmerte ich und strich die kommenden Tränen fort.
Molly seufzte hörbar und senkte ihren Kopf.
Ich hätte nicht zurückkommen dürfen.
Schniefend stand ich dort und war mit meinem Latein am Ende.
Es war ein Teufelskreis.
Zunächst verlief alles gut und aus dem Nichts tauchten diese Männer auf.
„Miss O'Shea hat recht, sie sind dafür nicht verantwortlich."
Erschrocken fuhr ich herum und vertraute ozeanblaue Iriden musterten mich schief lächelnd.
„Arthur." hauchte ich und rannte auf ihn zu, als ich ihm letztendlich um den Hals fiel.
Er schlang seine Arme um meinen Körper und strich mir wiederholt über meinen Haarscheitel.
Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in seine Halsbeuge.
Es war ein weinen zwischen Erleichterung und purer Trauer.
„Wir müssen weg!" kam es von Sadie auffordernd und die anderen stimmten zu.
Ich hatte mich von Arthur gelöst und sah in die Runde.
Die Erschöpfung stand ihnen regelrecht auf ihrer Stirn geschrieben.
Wohin würde es uns als Nächstes treiben?
„Vielleicht zurück nach Westen?" warf Pearson ein.
„Bist du wahnsinnig? Dann können wir uns gleich selbst ausliefern!" zischte Arthur und rieb sich nachdenklich den Nasenrücken.
„Dann weiter nach Osten?"
„Wir kommen immer weiter von unserem Ziel ab!"
„Ach halt die Klappe John!"
Javier und John funkelten sich hasserfüllt an.
„Hört auf zu streiten, Herr Gott!" mischte nun Sadie mit und verdrehte genervt die Augen.
Auch Abigail war am Ende ihrer Nerven und legte ihre Hand auf die Stirn.
„Wir werden alle sterben." jammerte Swanson und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Niemand wird sterben!"
Urplötzlich hallte die Stimme von Dutch durch das zerstörte Camp.
Sofort verstummte jeder und schienen wie vom Donner gerührt.
Der Anführer lief lässig und unversehrt ins Camp, in Begleitung von Micah und Bill, die breit grinsend drein sahen.
Sie lebten?
Ich meine, natürlich lebten sie noch, aber...
„Dutch!"
„Dutch ist zurück!"
Riefen die ersten erfreut und empfingen ihren Anführer herzlichst.
Molly wirkte in diesem Moment sehr erschrocken und rückte mir näher.
Arthur, John und Abigail wirkten distanziert, fast schon gereizt.
In mir hatte sich derweil ein unbehagliches Gefühl breit gemacht.
Vor allem Micah löste in mir ein merkwürdiges Gefühl aus.
Denn seine Iriden hatten fest meine fixiert und irgendwas versuchte er mir zu sagen.
Räuspernd entriss ich mich dem Augenkontakt, doch seine Augen hafteten noch immer auf mir.
„Ihr fragt euch mit Sicherheit wo ich solang war, na ja... die Geschichte mag sich jetzt ein bisschen verrückt anhören, aber wir waren auf einer Insel gestrandet namens Guarma."
Erzählte der Anführer mit einer merkwürdigen Leichtigkeit.
Dabei erschütterte es ihn nicht einmal, dass Miss Grimshaw wenige Meter von ihm leblos dalag.
Selbst Bill und Micah schienen kaum Empathie zu empfinden.
Vor allem wo zum Teufel lag  Guarma?
Konfus blinzelte ich zu Arthur, der ebenso wirr drein sah und seinen Mentor zu hinterfragen schien.
„Und es gibt noch einiges zu besprechen." fügte Dutch schelmisch hinzu, als er seine Stimme erhob und uns zum aufbrechen aufforderte.
In diesem Moment schwor ich, dass ich gelb- leuchtende Augen von einem Wolf erhascht zu haben.
Ich musste allmählich diese Visionen hinterfragen.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt