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Das Pferdegetrampel verstummte und die Stille aus purer Ungewissheit ummantelte das Reservat.
Nervös knabberte ich an meinen Fingernagel und sah dem Staub zu, wie er sich allmählich niederlegte.
Was würde Arthur Dutch erzählen?
Würde er Dutch überhaupt in seine Pläne involvieren?
Immerhin begleiteten ihn Paytha und Fliegender Adler, dass würde doch sofort für Aufsehen im Camp sorgen!
Zerfahren zappelte ich mit meinen Bein.
Ich wusste nicht, ob ich Arthur oder geschweige Charles vertrauen konnte.
Nach der ganzen Aufruhr für die ich gesorgt hatte in ihrem Camp...
„Miss, sie sollten sich wirklich ausruhen."
Fallender Regen trat neben mich und legte beschwichtigend seine Hand auf meine Schulter.
Doch mir war nicht nach Schafen zählen!
Ich musste anwesend sein, sobald die Männer zurück ins Reservat kamen.
Für einen Wimpernschlag sah ich in seine Iriden, die mit soviel Traurigkeit gefüllt waren.
Schluckend senkte ich meine Lider.
Fliegender Adler war sein letzter Sohn, der sich in riskante Situation stürzte.
War es mir zu verdanken, dass sich die Indianer in laufender Gefahr begaben?
„Charles und Arthur wissen was sie tun."
Tröstend wandte ich mich zu ihm und versuchte meine eigene Unsicherheit zu verbergen.
„Ich wollte nie das es soweit kommt. All die Kraft und die Hoffnung die ich in mir trug genügt nicht mehr, um mein Folk ruhig zu stimmen. Sie rebellieren und mein Sohn führt sie unbedacht in den Abgrund."
Erschöpft blies er die angestaute Luft aus seinen Lungen.
Mitfühlend musterte ich ihn.
Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte, denn im Endeffekt steckte ich mit drin.
Fliegender Adler war wie ein Fegefeuer und ich der Brennstoff.
Vielleicht hätte ich ihn davon abhalten können.
„Miss." fing er an und sah mich durch seine rehbraunen Augen an.
„Was ziehen sie aus dieser Situation heraus?"
Räuspernd kratzte ich mich an der Schläfe.
Im ganzen Chaos vergaß ich, dass ich eine Fremde weiße Frau für sie war.
Sie kannten zwar meinen Namen, aber nicht meine vollständige Geschichte.
Anfangs half ich ihnen in alltäglichen Aufgaben, dann führte ich ellenlange Gespräche mit Fliegender Adler, in denen ich erzählte wie ungerecht die Armee mit ihnen kooperierte und dann kam es zur besagten Nacht.
Seither schien es so, als hätte ich den Sohn des Häuptlings in wilder Rage geredet.
Wie bereits erwähnt, zur solch einer düsteren Zeit war ich einfach nur eine weiße Frau, die mit Indianern zusammenlebte.
Dies war abnormal und wurde missbilligt.
„Wissen sie, Fallender Regen, die Menschen ändern sich nie, sie werden immer die Afroamerikaner, Indianer und- oder die Juden verachten. Das ist die Geschichte der Menschheit und das steht schon in der Bibel geschrieben. Rassismus ist nichts Neues und fast schon Normalität, nur man muss ein Zeichen setzen, die Geschichte verändern oder prägsam machen."
In Gedanken verloren sah ich in den strahlend blauen Himmel.
„Ich wünsche mir oft, dass ich mehr ausrichten könnte, aber manche Dinge sind so vorhergesehen und schlussendlich ist man nur ein unbeteiligter Zuschauer, der die Situation verschlimmert, nur durch die Anwesenheit."
Fallender Regen lauschte meinen Worten, die nur so aus meinen Mund sprudelten.
„Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich manchmal gar nicht mehr, was Wirklichkeit oder ein Bild der Fantasie ist. Ich schwanke jeden Tag zwischen den unendlichen Drang die Geschichte wieder gutzumachen und einfach einen Weg nach Hause zu finden und mich aus allem heraus zuhalten."
Eine kühle Windbrise durchkämmte mein Haar und ließ das Laub erzittern.
Das einzige was ich veränderte war meine eigene Geschichte.
Es war nicht so wie in den klischeehaften Zeitreisen- Filme, in der man die Macht verfügte den Verlauf der geschriebenen Geschichte umzukrempeln.
Diese Macht verfügte niemand, denn all meine jetzigen Taten, führten zu der bereits abgeschlossenen Geschichte.
In den letzten Wochen dachte ich vermehrt darüber nach und diese ernüchternde Erkenntnis stimmte mich in eine unendliche Melancholie.
Außerdem kämpfte ich zeitgleich noch mit meinen geistlichen Verstand.
Die Kontrolle über den Körper zu verlieren und Halluzinationen von der Realität nicht mehr unterscheiden zu können, war bisher dass furchteinflößende Gefühl.
Was war, wenn dies ausartete und ich jemanden verletze?
Wie oft würde mir dies noch widerfahren und was hatte es ausgelöst?
War ich mit irgendeinem Schicksal verbunden, von dem ich nichts wusste?
Denn als Arthur mich im Wald aufgriff, spürte ich dass er mich zur Besinnung brachte.
Aber welchen Zusammenhang hatte ich aus meiner Zeit zu Arthur?
Dies machte keinen Sinn und führte mich wieder in die Irre.
Der Häuptling erwiderte nichts, stattdessen ertrank er in seinen Gedanken und machte auf seinem Absatz kehrt.
Irritiert sah ich ihm nach, wie er sich in seinem Tipi zurückzog.
Hatte ich zu viel gesagt?
Tief seufzte ich auf.
Mir fehlte Dylan, er war der einzige, mit dem ich unbefangen reden konnte.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt