Stechende Kopfschmerzen riefen mich zurück in die Realität.
Keuchend fasste ich mir an meine glühende Stirn und öffnete flackernd meine Augenlider.
Über mir ergab sich ein verwitterter Kronleuchter und ich selbst lag auf einer harten Matratze.
Stöhnend rappelte ich mich auf und bemerkte schnell, dass ich mich im Haus des Camps in Shady Bell befand.
Sofort ersann ich mich an den Raubüberfall im Laden, dann an Archie und dieser Kuss, bevor ich bewusstlos wurde.
Erschrocken riss ich meine Augen weit auf.
Mein Vorfahre hatte mich geküsst.
Geküsst!
Das wirkte schon wie Inzest.
Eine Übelkeit überkam mich.
Archie war zwar ein gut- aussehender junger Mann, aber er war irgendwie meine Familie.
Außerdem schaute er wie mein Vater aus, was die Sache verstörender machte.
Nicht nur dass, er müsste grad mal achtzehn sein, während ich schon auf die Ende zwanzig zusteuerte.
Ein Jahr jünger und ich würde mich in meiner Zeit strafbar machen.
Doch ich durfte keine Zeit verlieren, denn ich musste mit Arthur reden und ihn davon überzeugen, dass wir ein glückliches Paar vorgaukeln.
Hektisch warf ich die kratzige Decke von meinem Körper und sprang schon im nächsten Wimpernschlag auf, wobei mein Kreislauf drohte zu Versagen.
Obwohl ich mich sonst schnell von meinen Blackouts erholte, war dieses Mal etwas anders.
Meine Sinne schienen benebelt und mein körperlicher Zustand glich dem einer alten kranken Frau.
Wieso?
Was hatte ich nur angerichtet?
Ächzend stützte ich mich an der Wand, dessen Putz über die Zeit abblätterte.
Die Sonnenstrahlen erstreckten sich ins Schlafzimmer, was daraufhin deutete, dass der nächste Tag angebrochen war.
Wie sollte ich in diesem Zustand Archie davon überzeugen, dass ich in einer glücklichen Beziehung lebte?
Wieso war ich so blauäugig und hatte mich von ihm küssen lassen?
Ich drückte mich von der Wand ab und stolperte zur Tür, die verschlossen war.
War nun der Zeitpunkt gekommen mich jemanden anzuvertrauen?
Doch es würde nur ein reines Chaos auslösen.
Mein Herzschläge klangen schwach und ein ätzendes rauschen übertünchte mein Gehör.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen dass meine Lebenszeit tickte.
Meine eiskalte Hand fuhr über die rau- vermoderte Oberfläche der Tür, bis sie den Türknauf erreichte und ich diesen hastig herumdrehte.
Die Tür flog aus der Angel und ich gleich hinterher.
An der Reling, die keine drei Meter vor mir entfernt stand, konnte ich mich noch abfangen und mich vor einem Sturz bewahren.
Ich befand mich auf der zweiten Etage, was daraufhin wies, dass Arthur's Zimmer nur einige Schritte von mir entfernt lag.
Was natürlich mehr als optimal war.
Immerhin musste ich dann in meinem Zustand keine Treppen bestreiten.
Außer er befand sich unten.
Doch ich betete innerlich, dass das Glück dieses eine mal mich beglückte.
Ich atmete tief durch und schlenderte die letzten Meter zur Tür, die in das Zimmer von Arthur führte.
Immer wieder verschwamm meine Sicht und mein Kreislauf spielte vollkommen verrückt.
Es war schon eine Herausforderung beim klaren Verstand zu bleiben.
Sogar die unheimlichen Bilder, von den Grabsteinen, blitzten bei jedem Wimpernschlag in mein Gedächtnis.
Zaghaft klopfte ich an die Tür und ich glaubte, dass er es nicht hören könnte, denn mir fehlte schon die Kraft dafür, doch ich vernahm dumpf eine tiefe Stimme, die mich herein bat.
Erleichtert, dass er anwesend war, atmete ich aus und öffnete die Tür, während ich daraufhin ins Zimmer schwankte.
„Mister... Morgan." meine Stimme klang belegt und schwach. Mir fehlte schon allein der Sauerstoff um einen anständigen Satz über die Lippen zu bringen.
Ich musste mich zusammenreißen, solang ich bis dahin die Wogen geglättet hatte.
„Was machen sie denn, Miss?" Arthur sprang von seiner Pritsche und eilte in großen Schritten auf mich zu.
Seine Arme umschlangen meinen zitternden Körper und gaben mir somit den nötigen Halt.
Fürsorglich begleitete er mich zu seiner Pritsche, auf der sein Tagebuch lag, in dies er sich immer verlor, wenn er tief in Gedanken etwas hinein schrieb.
Keuchend plumpste ich wie ein Sackkartoffeln auf die durchgesessene Matratze, während Arthur neben mir Platz nahm und mich streng musterte.
„Wir müssen nach Rhodes, jetzt sofort." platzte es mir in einem Atemzug heraus und mein Brustkorb hob und senkte sich in viel zu kurzen Abständen.
Mir wäre es lieb gewesen, ohne weitere Fragen uns in die Sättel zu schwingen und die Sache somit hinter mich zubringen, doch hatte ich die Rechnung ohne Arthur gemacht, der konfus seine Stirn runzelte.
„Miss, ich werde ganz sicher nicht, mit ihnen, in ihren Zustand nach Rhodes reiten!" seine Tonlage klang besorgt, auch wenn eine gewisse Strenge in ihr schwebte.
Noch bevor ich mich rechtfertigen konnte, legte er seine linke Hand auf meine Stirn, während seine rechte auf seine ruhte.
„Außerdem haben sie Fieber." fügte er eher murmelnd hinzu, als seine Hände wieder auf seinem Schoß ruhten.
Bei seiner Berührung durchfuhr mich unwillkürlich eine angenehme Gänsehaut, die meinen Puls in erhöhte Geschwindigkeit pochen ließ.
Doch ich hatte nicht die Zeit, mir weiter darum Gedanken zu machen, weshalb ich einen erneuten Anlauf versuchte.
Diesmal atmete ich tief durch und konzentrierte mich intensiv auf meine bebende Stimme.
„Was ist wenn ich ihnen sage, dass mein Leben davon abhängt?" es klang fast schon kläglich und selbst in meinen Ohren unglaubwürdig.
Meine Augen benetzte einen Tränenschleier, während ich nervös meine Hände knetete, die sich wie Eiszapfen anfühlten.
Neben mir vernahm ich wie Arthur scharf die Luft einsog.
Ich senkte meine Augenlider und kämpfte mit meinen Emotionen.
Mal abgesehen von den Schmerzen, die mir fast schon den Atem raubten.
‚Bleib stark Runa!'
Mahnte ich mich selbst und biss verbittert auf meine Unterlippe, die unter meinen Schneidezähne begann zu pochen.
„Miss, ich glaube... dass sie verwirrt sind. Hosea hätte etwas bemerkt, wenn sie in Gefahr wären." seine wohllautende Stimme hinterließ noch einen langen Nachklang.
Mir entglitt ein tiefer Seufzer.
Natürlich zweifelte er an meinen Verstand.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und stierte krampfhaft die Wand an, dessen Putz ebenfalls abbröckelte, um mich auf mein inneres zu fokussieren.
„Sie würden es sowieso niemals verstehen, Mister Morgan, aber ich brauche ihre Hilfe! Sie müssen mir vertrauen, nur dieses eine mal." in meiner Stimme schwang ein Hauch an Stärke und Standhaftigkeit.
Als meine Augen fest in seine sahen, enthüllten die tänzelnden Sonnenstrahlen, seine verborgene Nuance seiner Iriden.
Das Ozeanblau dominierte zwar, aber eine gewisse Eisgrüne stach heraus.
Es glich fast schon dem Türkis, doch wirkte es intensiver und geheimnisvoller.
Seine Augen spiegelten fast schon seinen Charakter wieder, denn auch in ihm schlummerte eine vergrabene Seite, die ich zu gern beleuchten würde.
Arthur wandte seine Iriden von meinen ab.
Anscheinend hatte ich ihn ein Ticken zu lang angestarrt.
Peinlich berührt täuschte ich ein Husten vor und widmete meinen Blick dem zerkratzten Laminat.
„Um was geht es denn, Miss?" er räusperte sich und nahm dabei seinen Hut von seinem Kopf, während Strähnen seines aschblonden Haares, in sein markantes Gesicht fielen.
Anscheinend war ihm die Situation unangenehm geworden, was mich auf eine unerklärliche Weise kränkte.
Die Stärke, die mich für einen moment durchzuckt hatte, wurde schon von der Welle meiner Selbstzweifel überflutet.
Schwer atmete ich aus.
Ich musste mich zusammen reißen und mich nicht von solchen kleinen Dinge abbringen lassen.
„Wir müssen uns mit Archie Downes treffen und ein glückliches Pärchen spielen." erklärte ich plump, denn selbst wenn ich darum eine Ausrede spinnen würde, klang es noch immer verrückt.
Arthur lachte grell auf und rechnete noch mit einem sehr schlechten Witz, doch als ich meine Mimik für keine Sekunde verzog, sondern die ernste Fassete beibehielt, verstummte sein Lachen.
„Wie bitte?" er zog verständnislos seine Augenbrauen zusammen und seine Iriden sprachen Bände.
Jetzt war ich diejenige, die beschämt begann zu lachen.
Ich hätte wohl jemand anderes erwähnen sollen, als ich Archie von meiner Verlobung verkündete.
Wären die Schmerzen nicht so präsent und meine Sinneswahrnehmungen so vernebelt, hätte ich ihm mehr erzählt, doch die Zeit drängte.
„Ich erkläre es ihnen danach, versprochen! Aber jetzt bleibt mir keine Zeit und wir müssen los und zwar sofort!" Die Verunsicherung, dass ich vielleicht zu spät zum Treffpunkt antraf, schlich sich in meine Gedanken.
Denn in dieser Epoche verlor ich schnell das Zeitgefühl.
Hier war es nun einmal Gang und Gäbe sich an die Sonne zu richten, vor allem hier im Camp.
„Ich hoffe sie haben eine gute Erklärung parat." murmelte der blauäugige und setzte seinen Hut auf den Kopf.
Schweigend stand ich von der Pritsche auf und mein Kreislauf sackte in den Keller, was mich ins Schwanken brach.
Super Zeitpunkt.
Stöhnend fasste ich mir an die Stirn, wurde aber von zwei starken Armen gestützt, wobei mein Körper eine Hitze durchfuhr.
„Sie reiten mit mir, denn ich will nicht zusehen, wie sie von ihrem Pferd fallen und sich vielleicht auch noch etwas brechen." raunte er und sein heißer Atem kitzelte meine Haut.
„Danke, Mister Morgan." murmelte ich, während eine Röte meine Wangen umspielten.
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Zwischen uns die Zeit
FanfictionDie junge Frau, Runa, suchte in den Wüsten von Amerika den Abstand zwischen sich und ihrer Vergangenheit. Dabei fand sie Unterschlupf bei der Familie MacFarlane, die ihre Ranch seit Generationen lieblich pflegten. Tessa, eine der Töchter von dem a...