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Ein jubeln raunte durch das Camp.
Sean, ein Camp- Mitglied mit Irischen Wurzeln und einem geselligen Charakterzug, gelangte es durch die Hilfe von Bill, einem ruppigen Mann, dem das Wort Körperpflege fremd war, und Sadie, eine tough- Gut-aussehende Blondine, aus den Fängen einiger Kopfgeldjäger zu entkommen.
Zumindest verstand ich dies so.
Da ich mich an die Freude nur wenig beteiligen konnte, beobachtete ich das Szenario in einem bedachten Abstand.
„Kaum zu glauben, dass Sean noch lebt!" rief Dutch freudig und hielt ein Glas in die Höhe, dass in den grellen Strahlen der Sonne aufblitzte.
Ich fühlte mich so verdammt fehl am Platz.
Tatsächlich vermisste ich mein Leben, denn da hatte ich meinen Rückzugsort, der mir in solchen Momenten sehr fehlte.
Gekränkt wandte ich mich von der jubelnden Masse ab und gesellte mich zu den schnaufenden Pferden, die seelenruhig an ihren Stellplätzen grasten.
Nachdenklich setzte ich mich auf zwei aufeinander gestapelten Heuballen und faltete meine Hände auf meinem Schoß ineinander.
Eines dieser Pferd, erinnerte mich an den braun gescheckten Turkeme, den mir Tessa empfohlen hatte.
Sein Fell glänzte genauso herrlich unter den Strahlen der Sonne und diese ruhigen schwarzen Knopfaugen, in denen man sich verlor.
„Oh, Hallo." eine friedvolle Männerstimme tauchte unerwartet neben mir auf, wobei ich nur schreckhaft in mich zusammenzuckte.
„Entschuldigen sie Miss, ich wollte sie nicht erschrecken." die Kastanienbraunen Augen von dem Halbindianer, dessen Name Charles war, sahen mich entschuldigend an.
Genau der Mann, dem ich eigentlich versuchte aus dem Weg zu gehen.
„Schon gut." murmelte ich abwesend und versuchte mir ein Lächeln aufzuzwingen, dass aber eher in einem verzweifelten Gesichtsausdruck scheiterte.
Ob er auch insgeheim Nachts diese komischen Rituale ausführte und grölend ums Feuer tanzte?
Der Halbindianer musste wohl meine Abwesenheit gespürt haben, denn er wandte sich von mir ab, dabei wehte sein lang- schwarzes Haar im Windzug auf.
Seufzend schüttelte ich kaum merklich meinen Kopf und fühlte mich miserabel über meine Unhöflichkeit.
„Wie lange sind sie schon hier, Mister?" krampfhaft baute ich einen smalltalk auf.
Der muskulöse Mann warf verwundert seinen Kopf über seine Schulter, als ihm ein schmales Lächeln über seine Lippen huschte.
Vielleicht war er doch anders, als die anderen Rothäute, trotzdem schloss ich nichts aus.
Man kann ja bekanntlich einen Menschen nur vor dem Kopf schauen, denn was sich darin abspielte, blieb verschlossen.
Er blickte grübelnd in den Himmel, bevor er seine Augen begradigte: „Ich glaube, es müssten schon sechs Monate sein."
Staunend nickte ich, doch schoss mir gleich schon die nächste Frage heraus.
„Und was haben sie davor gemacht?"
Charles runzelte konfus seine Stirn, dennoch schimmerten in seinen Iriden ein Hauch von Geduld und Aufrichtigkeit.
„Ich verbrach meine Zeit allein, bevor ich auf Dutch und den anderen stieß." er stemmte sein rechtes Bein auf den Heuballen, auf denen ich saß, während er seine Unterarme auf dessen Oberschenkel stützte.
Tatsächlich hatte ich geglaubt, dass er mir von seinem Stamm erzählte.
Na ja, nun mal das klischeehafte Denken eben.
„Und sie Miss? Mir kommt es so vor, als wären sie nicht von hier." stellte er mir nun die Gegenfrage.
Wenn er nur wüsste.
Für einen Moment warf ich meinen Blick auf die lachende Truppe, die noch immer diesen Sean willkommen hießen, als ich meine Augenlider senkte und meinen Zeigefinger untersuchte, an dem die verkrustete Wunde klaffte, dank meiner Unaufmerksamkeit am gestrigen Tag.
„Kann ich sie mal was fragen?" kleinlaut schielte ich zu ihm herüber und umging somit seine Frage.
Er nickte nur und musterte mich abwartend.
Tief holte ich Luft, als ich sie im nächsten Wimpernschlag aus meinen Lungen blies.
Jetzt oder nie.
„Wo leben die Rothäute?" flüsterte ich fast schon.
Mein Herz schlug fest gegen meine Brust und das Adrenalin schoss bei einem Mal durch meine Venen.
Vielleicht konnte er mich dorthin führen oder mir zumindest den Weg weisen.
Denn ich musste zurück in meine Epoche, dass war nunmal meine Bestimmung und nicht in einem Jahrhundert zu verweilen, indem ich nichts zu suchen hatte!
Gegen meine Erwartung entwich Charles ein kehliges Lachen, dass mich fürchterlich erschrak.
„Miss, ich weiß zwar nicht woher sie kommen, aber die Bezeichnung Rothäute ist eine Beleidigung für mein Volk." wies er mich daraufhin, schien mir dennoch kein Vorwurf über meine Wortwahl zu machen.
Peinlich berührt lief ich rot an und meine Hände begannen zu schwitzen.
Dabei war es in meiner Zeit Gang und gäbe, diese Bezeichnung zu benutzen.
Am liebsten wäre ich unsichtbar geworden, um mich von dieser beschämenden Situation zurückzuziehen.
„Sagen sie ruhig Indianer, aber im Beisein von ihnen, benutzen sie lieber das Wort Naturvölker." erklärte er mir besonnen, als er fortfuhr: „Außerdem gibt es schon lange keine Indianerstämme mehr, zumindest habe ich keins ausfindig machen können, nur diese lieblosen Reservate, in denen sie gezwungen werden zu leben."
Stimmt, ich hatte vollkommen verdrängt, dass die Amerikaner schon vor langer Zeit die Völker ausradiert hatten.
Das einzige was im Endeffekt zurück blieb, waren zutiefst verletzte Menschen, über dessen Lebensstil gelacht wurde.
Seufzend strich ich meine Haarsträhnen hinter mein Ohr, die mir ins Gesicht gerutscht waren.
„Tut mir leid." murmelte ich zaghaft und sah bedrückt drein.
Auch wenn mich die Indianer in diese missliche Lage gebracht hatten, konnte ich ihren Frust und ihr Leiden nachvollziehen.
„Aber wieso interessiert es sie?" Charles kratzte seinen glattrasiertes Kinn, dabei fixierten mich seine Augen neugierig.
Nach einer Ausrede suchend huschten meine Iriden unruhig umher, dabei atmete ich beschwerlich die Luft aus.
Ich konnte ihm schlecht von der Sache erzählen, die mir widerfahren war.
„Äh..." stieß ich aus und knibbelte nervös die überschüssige Haut meines Fingers ab.
Es war ja nicht so, dass mir die Ausreden einfach so in den Schoß fielen.
Der Halbindianer musterte mich derweil amüsiert, als er mir zuvorkam: „Schon gut, sie brauchen es mir nicht zu erzählen."
Erleichtert entglitt mir ein seufzen, dass ich mit einem Nicken unterstrich.
Charles stemmte seinen Fuß in die Wiese und zückte aus seiner Westentasche eine Packung Zigaretten, aus der er eine Giftstange fischte und diese zwischen seine Lippen legte.
Gerade als mich für seine Verständlichkeit bedanken wollte, stieß John zu uns, der ein verschmitztes Lächeln auf seine blassen Lippen trug.
„Die geheimnisvollen treffen aufeinander." witzelte er, wobei er von Charles einen konfusen Blick erntete.
Auch ich war ein wenig über seine Aussage verwirrt, doch schüttelte John nur seinen Kopf und visierte Charles an, der seine Zigarette mit einem Streichholz anzündete.
„Hosea will mit dir sprechen." teilte der schwarzhaarige knapp mit und zeigte dabei in Richtung der Zelte.
Charles nickte wissend und bevor er außer Reichweite trat, zwinkerte er mir noch zu, dass ich mit einem Lächeln kommentierte.
Meine Augen wanderten hoch zu John's Gesicht, dessen Narben ziemlich schmerzhaft aussahen. Er beäugte mich belustigt und währenddessen er seinen grau- abgenutzten Hut richtete.
Hatte ich etwas Gesicht?
Fragend legte ich meinen Kopf schief und zog meine Augenbrauen zusammen.
„Manchmal schauen sie mich mit einem traurigen Hundeblick an, deshalb kontere ich ihn." pfiff er lässig und legte seine Hände auf seine silberne Gürtelschnalle ab.
Tat ich das?
Vielleicht lag es an diesem Traum, der noch immer so present in meinem Kopf schwirrte.
Wie er von unzähligen Kugeln durchlöchert wurde, dann dieser Hirsch, das wissen, dass er aus unerklärlichen Gründen in den Westen reiste und dort auf Bonnie traf.
„Mhm." murmelte ich und stand im nächsten Wimpernschlag kerzengrade vor ihm.
Sowie die meisten Männer hier im Camp, war auch er knapp einen Kopf größer.
„Ich gucke mal ob ich Pearson unter die Arme greifen kann." verabschiedete ich mich mit einer flüchtigen Handbewegung und trat an ihm vorbei.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt