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Blut trifte aus meiner Nase und ein Veilchen pochte an meinem rechten Auge.
Benommen und zugleich nach Luft ringend lag mein Kinn auf meiner Brust, während meine Ohren rauschten.
Ich hatte kaum noch Kraft aufrecht zu sitzen, stattdessen hielten mich nur noch die Fesseln am Stuhl fest.
Schemenhaft vernahm ich wie Hixon mit einem Mann sprach und das Blut von seinen Handknöcheln an seine schwarze Hose schmierte.
Seit drei war ich gefangen und seit etlichen Stunden wurde ich geprügelt und erniedrigt.
Ächzend hob ich meinen Kopf und der Raum schien sich wie auf einem Karussell zu drehen.
Dieser Mistkerl und sein Handlanger hatten mich in den frühen Morgenstunden in einen kleinen Raum gezerrt, mich dann an einen Stuhl gefesselt und versucht Informationen aus mir heraus zu kitzeln.
Informationen über die Van der Linde Bande, sowie der Aufenthaltsort einer Frau, die Schwarzgebrannten herstellte und anschließend verkaufte.
Doch ich hatte noch nie von der Frau gehört.
Ich ersann mich zwar, dass Hixon mal einen Namen erwähnt hatte, als ich mit Martha ihn zum ersten Mal in Annesburg über den weggelaufen war.
Zudem hatte ich nichts über Dutch verraten.
Dies brach Hixon zur Weißglut, während er mit seinen Fäusten auf mich eingeprügelt hatte.
Nichtsdestotrotz schwieg ich wie ein Grab.
„...mehr Patrouillen in Saint Denise..."
vernahm ich dumpf von dem anderen Kerl, dem sein schwarzer Anzug eine Nummer zu groß war.
Hixon's Lippen bewegten sich, aber ich verstand nichts.
Geschwächt fielen meine Augenlider zu, als ich sie wieder öffnete und der Dreckskerl breit grinsend vor mir stand.
„Sie haben wirklich ein starkes Durchhaltevermögen." säuselte er und legte seine Finger an mein Kinn.
Ich war kaum noch in der Lage etwas zu erwidern und ließ seine perfiden Spiele über mich ergehen.
Sein Daumen berührte meine Unterlippe und in seine Iriden glimmerten echauffiert, was in mir ein unbehagliches Gefühl auslöste.
„Wenn sie wieder mehr bei verstand sind, Miss Downes, werde ich sie zu Dingen nötigen, die ihr schweigen brechen werden."
Er kam mit seinem Gesicht meinem näher, während ich nur angewidert meine Nase rümpfte und versuchte die Distanz zwischen uns zu wahren.
„Der Tag wird kommen, indem sie es bereuen werden, sich mit mir angelegt zu haben."
raunte er noch, als er von mir abließ und mich im Raum zurückließ.
Die Dunkelhaut verschluckte mich und ich konnte nicht einmal meine eigene Hand vor der Nase sehen.

***

Hustend riss ich meine Augen auf und ein bitterer metallischer Geschmack tanzte auf meinen Zungenknospen.
Noch immer saß ich in dem Raum in purer Dunkelheit.
Meine Handgelenke schmerzten durch die einschneidenden Seile und meine Beine waren eingeschlafen.
Allmählich bewegte ich meine Gliedmaßen und höllische Schmerzen durchzuckten meine Muskeln.
Hixon wollte mich brechen, aber dass würde ich nicht zulassen und mich ihm ergeben.
Keuchend kämpfte ich gegen die Schmerzen an und zerrte an den Seilen.
Ich musste raus hier!
Immer und immer wieder bewegte ich ruckartig meine Hände und wippte auf meinen Fußsohlen, um die Taubheit in meinen Beinen loszuwerden.
Mein Kopf lief auf Hochtouren und der Fluchtinstinkt durchströmte meine Venen und blendete alle anderen Gedanken aus.
„Verdammt." krächzte ich fieberhaft und kippelte mit dem Stuhl, wobei ich den Halt verlor und rücklings samt Stuhl auf den harten Boden aufschlug.
Das Holz des Stuhles knackte und mein Hinterkopf pochte.
Stöhnend kniff ich meine Augen zu und atmete durch die Schmerzen.
„Was ist da drin los?" brüllte eine dumpfe männliche Stimme von der anderen Seite, als die Tür bei einem Mal aufgeschlagen wurde und das hereinfallende Licht mich blendete.
„Hey! Was soll das werden!"
Der Mann packte mich grob am Kragen meiner zerrissenen Bluse und zerrte den Stuhl wieder auf die Beine.
„Arrgh." ächzte ich, als ich bemerkte dass das Seil um mein Handgelenk sich gelockert hatte.
Kopfschüttelnd wandte er mir den Rücken zu und trottete zur Tür, als ich mich im selben Wimpernschlag befreien konnte und die abgebrochene Armlehne lautkrachend zu Boden fiel.
Erschrocken fuhr er herum und zückte augenblicklich seinen Revolver.
Scharf zog ich die Luft ein.
„An ihrer Stelle würde ich ganz ruhig bleiben!" knurrte er und trat näher auf mich zu.
Dadurch das das Licht ihn von hinten anstrahlte, erkannte ich kaum sein Gesicht, was ihn bedrohlicher wirken ließ.
Scharfsinnig musterte ich jeder seiner Bewegungen und rekelte dabei sachte mein Handgelenk.
Unzählige Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn und meine Atmung war flach.
Seine Sporen an den Stiefeln klackten bei jedem Auftritt auf und seine Haltung war leicht gebeugt.
Meine Iriden wanderten hinunter zu seiner Gürtelschnalle und ein schillerndes Messer ragte empor.
Mittlerweile stand er vor mir und drückte den kalten Lauf seines Revolvers an meine Stirn, wobei das Messer nicht mal eine Armlänge von mir entfernt war.
Für einen Moment schloss ich meine Augenlider und atmete tief durch.
Reiß dich zusammen!
Befahl ich mir gedanklich, als ich mit meiner freien Hand den Revolver aus seiner Hand schlug und ein ohrenbetäubender Schuss ausgelöst wurde, wodurch meine Ohren schmerzlich piepen und für Sekunden mir die Sinne benebelte.
Wehklagend schnappte ich nach Luft und mein Kreislauf drohte zu Versagen.
Dumpf vernahm ich wie der Mann mich anbrüllte und mir einen Hieb in die Magengrube verpasste.
Röchelnd krümmte ich mich und spuckte dabei Speichel aus.
Für einen Bruchteil der Sekunde wurde meine Sicht in ein tiefes Schwarz getaucht, als er mich grob am Haar packte und meinen Kopf nach hinten zerrte.
Mein Kehlkopf zuckte und das Adrenalin das mir durch die Venen schoss, hielt mich beim Verstand.
Während er wohl damit gerechnet hatte, dass ich aufgab, entriss ich mich seinem Griff und verpasste ihm eine harte Kopfnuss, was ihn kurzzeitig außer Gefecht setzte.
Diese Gelegenheit nutzte ich und griff nach dem Messer.
Noch bevor er realisieren konnte, was geschehen war, rammte ich ihm die Klinge zwischen seinen Rippen.
„Wa-?" keuchte er und fiel rücklings zu Boden.
Eine Blutlache, die im Licht glitzerte bildete sich und seine Augen waren um 180 grad nach hinten gedreht.
Schluckend unterdrückte ich meine Übelkeit und löste das Seil an meinem anderen Handgelenk.
Es fühlte sich an wie ein Fiebertraum.
So als würde man durch eine Nebelschwade sehen und nur die Hälfte wahrnahmen.
Schweißperlen rinnen über meine Schläfe und vermischten sich mit dem vertrockneten Blut.
Stolpernd trat ich aus dem Raum und befand mich in einer Art Keller, in dem auch die Zelle, in der ich gegessen hatte, eingebaut wurde.
Wo zum Teufel befand ich mich nur.
Suchend nach einem Ausgang schwirrten meine Augen umher, als ich eine Treppe am Ende des abgedunkelten Ganges ausmachte, die nach oben führte.
Sofort rannte ich auf sie zu, während ich mich zeitgleich bei verstand halten musste.
Mir blieb gar kein anderer Gedanke, als nur die Flucht.
Zögerlich ergriff ich den Knauf der Tür und drehte ihn herum und ein malerischer Korridor eröffnete sich mir.
Die Wände waren in einem edlen rot gestrichen worden und mit goldenen Elementen verziert.
Auf dem Boden war ein Perser Teppich ausgelegt und ein sagenhafter Kronleuchter hing von der Decke.
Verwirrt und noch benommen lief ich auf Zehenspitzen voran, wobei dutzende Türen in ein anderes Zimmer führten und eine Wendeltreppe ins obere Stockwerk führte.
Es war fast schon paradox.
Hier oben schien alles auf Glanz und Eitel aus, während im Keller die Leichen lagen.
Im Haus herrschte eine eiserne Stille und niemand schien anwesend zu sein, was mich mehr als stutzig machte, als urplötzlich von draußen ein bebender Knall hallte und daraufhin verängstigte Schreie von Menschen zu hören war.
Auch ich fuhr erschrocken in mich zusammen und rannte zur Haustür, die am Ende des Flures lag.
Die Sonne blendete mich erneut, wobei ich mit meiner Hand meine Augen abschirmte.
Außer Puste und am Ende meiner Kräfte stolperte ich in den Vorgarten in Richtung des Metallzaunes, der das Grundstück abgrenzte.
Und umso näher ich dem Zaun kam, desto mehr wurde mir bewusst wo ich mich befand.
Saint Denise.
Laut quietschend ließ sich ich die Zauntür öffnen und rechts von mir ergab sich die Brücke, über die ich mit John gefahren war.
Hixon hatte mich in das protzige Haus verschleppt, dass mir bei unseren ersten Besuch nach Saint Denise auffiel!
Doch ich konnte keinen weiteren Gedanken darüber verlieren.
„Bleiben sie stehen!" hinter mir vernahm ich wütende Männerstimme, als ich umgehend davon rannte, aber nicht zur Brücke, denn da tauchten vermehrt Männer auf, die bis auf die Zähnen bewaffnet waren.
Stattdessen blieb mir nur noch der Weg in die Stadt zu flüchten.
Immer wieder verschwamm meine Sicht und vor lauter Schmerzen konnte ich kaum noch klar denken.
Es war ein purer Albtraum.
Als wäre mein Körper fremdgesteuert.
Kugeln zischten an mir vorbei und der Geruch von Schießpulver lag in der Luft.
Hechelnd bog ich in eine Seitenstraße und prallte mit einer Kiste zusammen, die ich zunächst nicht bemerkt hatte.
Kreischend fiel ich bäuchlings hin und meine Knie brannten fürchterlich.
Hektisch rappelte ich mich wieder auf sprintete weiter, während mein Herz mir bis zum Halse schlug
Drei Tage völlige Isolation und Desorientierung, die mir noch immer an meine Nerven zerrte.
Ich war am Ende meiner Kräfte, müde.... Erschlagen.
Alles schien so weit entfernt und mir fiel es schwer die Augen offen zuhalten.
Kopflos bog ich immer wieder in Seitengassen, während vor meinen geistigen Auge alles zu einer Masse verlief.
Nichts, rein gar nichts schien mehr einen Zusammenhang zu haben.
Die letzten drei Tage hatten mich zerrissen.
Wenige Meter vor mir nahm ich schemenhaft mehr als ein dutzend Männer wahr, die mich zunächst nicht beachtet hatten, bis die Männer hinter mir laut aufbrüllten.
Außer Puste steuerte ich auf die Männer zu, die ihre Köpfe zu mir gewandt hatten, als mich eine Kugel, die auf mich abgefeuert wurde, mein Bein durchbohrte und mich schreiend zu Boden beförderte.
Männer lachten, Schritte ertönten, ein weiterer Schuss folgte und ein ziehender Schmerz durchzog mein anderes Bein.
Erledigt drehte ich mich auf den Rücken und sah in den strahlend blauen Himmel, als ein unscharfes Gesicht über mir auftauchte.
„Ach, schön sie wiederzusehen, nach einer solch langen Zeit."
„Milton?" gab ich brüchig von mir.
Diese Stimme würde ich immer wieder erkennen.
Nur ergab sie die Frage, was er hier zu suchen hatte.
Hixon und Milton.
Hingen sie etwa unter einer Decke?
Doch ich war zu erschöpft um darüber philosophieren zu können.
Meine Augen fielen zu und die Geräusche verstummten.

***

„Die ärmste, was sie wohl durchgemacht hatte?"
„Ich hoffe sie erholt sich schnell."
Vertraute Frauenstimmen drangen in mein Gehörgang und holten mich aus meiner Bewusstlosigkeit.
Flackernd öffnete ich meine Augen und die sanften Mondstrahlen lagen mir im Gesicht.
Ächzend und bewegte ich mich unter der Decke, die mich in eine angenehme Wärme einhüllte, während sich über mir eine spröde Holzdecke zusammensetzte.
„Miss!"
„Schnell Karen, hol ihr etwas zu trinken!"
Konfus runzelte ich meine Stirn, als die Schmerzen mich quieken ließen.
Von Kopf bis Fuß schien alles zu brennen und pulsieren.
Langsam schlugen auch all die Erinnerungen zurück in mein Gedächtnis, wobei ich erschrocken hochfuhr und aufrecht saß.
Die Decke rutschte von meinem Körper und mein Kopf schellte in jegliche Richtung.
Ich befand mich in einer Art Hütte, rechts von mir hingen Hängematten und eine flackernde Öllampe, während ich auf dem Boden gelegen hatte auf weichen Decken.
„Beruhig dich, ja?" Mary gelangte in mein Sichtfeld, die mich lieblich anlächelte und mir einen Becher hinhielt.
„Wo... was?" stammelte ich heiser.
Wie war ich hierher gekommen?
Wo war ich?
Was war mit Milton?
Wo ist Hixon?
Panisch rang ich nach Luft und fasste mir an meine glühende Stirn.
„Alles ist gut, du bist jetzt in Sicherheit." erklärte sie mir ruhig und legte ihre Hand auf meine Schulter.
„Wie?... da war Milton"
„Hör zu, du solltest dich noch ausruhen, morgen erzählen wir dir alles, ja?" beschwichtigte sie und drückte mir den Becher in die Hand, aber ihre Augen verrieten mir, dass etwas schreckliches passiert war.
Mir war nicht nach ausruhen, auch wenn mir jeder Knochen schmerzte und mein Kopf wie verrückt brummte.
Ich verlangte nach antworten!
Aufgebracht schlug ich die Decke von meinem Körper und versuchte vergebens aufzustehen, aber brach bei meinem ersten Versuch wie ein Kartenhaus in mich zusammen.
Ich musste mich noch bei Hixon rächen!
Erneut rappelte ich mich auf meine Beine und stolperte unkontrolliert auf die gegenüberliegende Wand, an der ich halt suchte.
Mary wurde panisch und redete ununterbrochen auf mich ein, scheiterte aber kläglich, als hinter ihr Schritte ertönten.
Mein Herz stockte und meine Augen weiteten sich.
Ich hatte geglaubt ihn nie wieder zusehen.
Seine Iriden musterten unaufhörlich meine, während ich in Gedanken seinen Namen aussprach.
Arthur.
Er sah im weichen Lichteinfall der Lampen so müde und verletzt aus.
Was war nur passiert?
„Sie will abhauen!" kam es von Mary, die mich noch immer besorgt beäugte.
„Das war mir klar." murmelte Arthur und rieb sich seufzend die Stirn.
Tränen lösten sich von meinen Wimpern und kullerten mir über die Wangen.
Mein Körper zitterte wie Espenlaub und ein Schluchzer entwich mir.
Die Mauer, die meine Gefühle in Schacht gehalten hatten, wurde durch seine Anwesenheit zerstört.
In diesem Moment wurde mir bewusst, was ich verbrochen hatte.
Es raubte mir den Atem und die nötige Kraft mich auf meinen Beinen zuhalten.
Die torture die ich in den letzten Tagen durchgemacht hatte, war für meinen geistigen Horizont zufiel.
Geschwächt schwankte ich zurück und drohte auf den vermoderten Holzboden zu fallen, doch starke Arme bewahrten mich davor.
„Wenn sie mir noch einmal davon laufen, Miss, werde ich sie höchstpersönlich irgendwo anketten." raunte Arthur entnervt und führte mich behutsam auf mein Schlafplatz, wo er mich bettete und wieder im Begriff war zu gehen.
„Warte!" flüsterte ich ich mehr und glaubte zunächst, dass er mich gar nicht gehört hatte, doch er wandte sich herum und sah mich abwartend an.
Die sonst so herausstechende Nuance in seinen Iriden war verblasst, was mir einen Stich verpasste.
Dafür war nicht ich der Grund, sondern etwas gravierendes war vorgefallen.
Wir befanden uns auch nicht mehr in Shady Belle, was den Verdacht bestärkte.
„Danke." hauchte ich, obwohl mir viel mehr auf der Zunge lag.
Er nickte nur und verzog nicht einmal die Miene, stattdessen ging er und ließ mich mit Mary zurück.
Verbittert drehte ich mich auf die Seite und schluckte all die Schmerzen runter.
Hasste er mich?
War ich für irgendwas verantwortlich?
Was hatte mich nur geritten, solch eine waghalsige Aktion auszuführen?
Wieso hatte ich ihm erzählt gehabt, dass ich aus der Zukunft kam und keine glaubhafte Lüge aufgetischt?
Schluchzend versteckte ich mein Gesicht in der Decke, wobei ich Mary nur bemitleidend seufzend hörte.
Ich war wirklich so dumm und egoistisch!

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt