Peinlich berührt saß ich am frühen Morgen im Zelt.
Arthur hatte ein Lager für die letzte Nacht aufgeschlagen und ich konnte nur erahnen, was ihm das für eine Kraft gekostet haben musste, mich im Zelt zu behalten.
Mir wurde allein bei dem Gedanken flau, wie ich mich in der Nacht gegen Arthur gewehrt hatte.
Immerhin konnte ich wieder einen klaren Gedanken fassen, nur die Schmerzen am Bein belasteten mich noch.
Auch das ich mich an jedoch so kleines Detail erinnern konnte, war verblüffend.
Man konnte es wie mit einem Alkoholrausch vergleichen, nur dass ich keinen Kater am Tag danach hatte, stattdessen aber ein absurdes schlechtes Gewissen und ein unheimliches Schamgefühl.
Schon seit mindestens zwei Stunden hockte ich hellwach im Zelt und nahm hin und wieder Schritte oder ein Räuspern von Arthur wahr.
Außerdem dachte ich über die Unruhe nach, die ich im Reservat verursacht hatte.
Ich musste umgehend zurück und mich für mein vergangenes Verhalten entschuldigen!
Abgesehen ich bleibe für immer im Zelt.
Nichtsdestotrotz schwirrte mir die Frage im Kopf, wieso es diesmal so geartet war?
Sonst waren es nur Schwindelanfälle und Visionen.
Diesmal aber spielten lebhafte Halluzinationen mit.
Hatte ich etwas gravierendes verändert oder war der Grund ein anderer?
Seufzend zog ich die Decke enger an meinen Körper und starrte das moosgrüne Laken an.
„Miss, ich weiß dass sie wach sind." rief Arthur urplötzlich und mein Herz stockte.
Wie peinlich sollte die Situation noch werden und woher zum Teufel wusste er das ich wach gelegen hatte?
Schweigend verharrte ich in meiner Position und lauschte den Geräuschen, die außerhalb des Zeltes zuhören waren.
Singende Vögel, raschelnde Blätter und der pfeifende Wind.
In meiner Nase stieg der angenehme Geruch von frisch aufgesetzten Kaffee, den Arthur wohl über dem Feuer aufbrühte.
Tatsächlich lockte mich der Geruch und ich schlüpfte schüchtern aus dem Zelt.
Arthur sah mich kurz aus dem Augenwinkel an und schüttelte schief lächelnd den Kopf.
Augenscheinlich amüsierte er sich an der peinlichen Situation.
Räuspernd rappelte ich mich auf meine Beine und konnte grad so einen schmerzlichen Schrei unterdrücken.
Mein Knöchel pulsierte und ein ziehender Schmerz zog sich bis in meine Bauchmitte.
„Sie sollten einen Arzt aufsuchen." murmelte er und erhob sich kerzengrade, während er in seiner Hand den Blechbecher hielt indem der dampfende Kaffee schwappte.
Ich brauchte keinen Arzt, die Frauen aus dem Reservat hatten bestimmt eine Salbe für mich übrig.
Der blauäugige, der ein rotes Hemd trug und seinen kraftstrotzenden Körper betonte, trat mir näher, während ich mich umsah.
Wir befanden uns im mitten eines Waldes und ich hoffte innig, dass ich den Weg zurückfand.
Stöhnend strich ich mein Haar hinters Ohr, dass über die Zeit lang gewachsen war.
„Wo sind wir?" stellte ich die Frage eher mir selbst, als ihm und konnte keinen Anhaltspunkt ausmachen.
Wälder waren mein Untergang, wenn es um meine nicht vorhandene Orientierungsfähigkeit handelte.
„Wieso?" kam es scharf von Arthur, der sich herausfordernd nach vorn beugte.
Konfus runzelte ich meine Stirn und sah in seine türkisblauen Iriden.
„Suchen sie die O'Driscoll's, hm?" fügte er noch beiläufig hinzu und legte seine Hand auf seine schimmernde Gürtelschnalle.
Sehr taktvoll, dachte ich mir und zog erzürnt meine Augenbrauen zusammen.
„Nein... Mister Arschgeige." das letzte nuschelte ich und humpelte zu dem knisternden Lagerfeuer.
Ich spürte wie ich den Tränen vor lauter Verzweiflung näher kam und wiederholt mehrmals schluckte, um nicht vor ihm noch eine Schau abzuziehen.
Natürlich hegte Arthur mir gegenüber einen Groll, ich meine; Nur aus reinster Nächstenliebe würde er wohl kaum agieren.
Wahrscheinlich wollte er mich lynchen.
Gerade als er den Mund öffnete, um etwas zu erwidern funkte ich bissig dazwischen.
„Lassen sie es gut sein, verdammt!"
Trotzig setzte ich mich auf den Boden und rieb vor dem Feuer wärmend meine Hände aneinander.
Noch immer saß die Kälte in meinen Knochen.
Arthur trat wortlos in mein Sichtfeld und reichte mir den Kaffee.
Irritiert verengte ich meine Augen und nahm zögerlich den Blechbecher an.
Entweder tat er dies ohne einen triftigen Grund oder er hatte vor mich zu vergiften.
Ganz gleich was seine Absicht war, ich genehmigte mir einen Schluck und atmete wohlig aus.
„Wären sie nicht gewesen, wären die Frauen nicht gestorben und die Männer würden mich nicht jagen, was meinten sie damit, Miss?"
Er hatte sich an den Wortlaut erinnert, dem ich ihm letzte Nacht vor dem Kopf geworfen hatte?
„Sie Mistkerl." ergänzte ich überheblich und kassierte einen fragenden Blick seinerseits aus.
„Na ja, wenn sie mich schon zitieren... dann auch den vollständigen Satz." störrisch zuckte ich mit den Schultern und schlürfte am Kaffee.
Zuerst kam keine Regung vom ihm, als er leise auflachte.
„Oh, entschuldigen sie." lässig verschränkte er seine Arme vor seiner Brust.
Kam er jetzt mit Sarkasmus um die Ecke?
„Tja." schnalzte ich und widmete mich meinen Kaffee, der mich von innen heraus wärmte.
Ein schweigen umgab uns, dass vorerst niemand zu brechen versuchte, als wir beide zeitgleich das Wort suchten.
„Ich.."
„Es..."
Ertappt sahen wir uns an.
Arthur räusperte sich und deutete, dass ich zuerst sprechen sollte.
Augenverdrehend seufzte ich und fuhr fort.
„Ich muss zurück und bevor sie wieder anfangen... nein nicht zurück zu diesen O'Dingenbums sondern ins Reservat und ja, sie haben richtig gehört INS RESERVAT. Dort sind Leute die mich brauchen und ich muss einiges wieder gutmachen."
Es war glasklar, dass ich genervt war und seine Gesellschaft nicht genoss.
Zumindest nach seiner taktlosen Frage nicht.
Was dachte er sich auch?
Er rieb sich die Schläfe und nickte.
„Dann packe ich mal alles zusammen."
Was denn, kein Widerwort?
Der Mann war wirklich ein Buch mit sieben Siegeln.
Während ich ihn über dem Rand des Bechers scharfsinnig beobachtete, rollte er dass Zelt zusammen und packte es hinter dem Sattel.
Sein Pferd war ein anderes.
Es müsste wohl ein Turkmene gewesen sein.
Sein glänzend schwarzes Fell und die blau auffälligen Augen, machten den Hengst zu einer sagenhaften Schönheit.
Wie er wohl der Rufname des Pferdes war?
„Hm." kam es über meine Lippen.
Arthur reagierte und zog fragend die Augenbrauen zusammen.
Zuerst erwiderte ich nichts, doch dann schoss mir eine Frage in den Sinn.
„Wieso sind sie eigentlich in dieser Umgebung, ich meine seid ihr nicht mehr... wie war gleich nochmal der Name?"
Suchend nach dem Namen des Ortes schnipste ich mit meinen Fingern.
„Shady Belle." kam es knapp von ihm, als er fortfuhr.
„Doch sind wir, Miss. Nur musste ich etwas zurückholen was uns gehörte."
Neugierig legte ich meinen Kopf schief und spekulierte gedanklich was er sich zurückgeholt hatte.
Bestimmt hatte es mal wieder mit Geld zutun.
„Und dabei sind mir ihre Steckbriefe aufgefallen." folgte es noch von ihm kühn.
Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht.
Es war ihm nicht ergangen?
Mein Herz raste und das Blut in meinen Venen erfror.
„Na ja..." stotterte ich und kratzte mich am Hinterkopf.
„Sie wollen mich also ausliefern?" kam es kleinlaut, während mein Fluchtinstinkt in mir pulsierte.
Arthur lachte laut auf.
„Miss, ich bin zwar ein Mistkerl aber kein Verräter."
Befangen nickte ich und senkte meine Augenlider, während er sich zum Feuer begab und mich zu mustern schien.
Aus seiner Hosentasche fischte er sich eine Zigarette und zündete diese mit einem Streichholz an.
„Schwarzgebrannten... Betrug... Mord." murmelte er und nahm einen kräftigen zug seiner Giftstange.
Mit offener Kinnlade schoss mein Kopf hoch und der Jähzorn umfing mich.
„Halten sie die Klappe! Sie sind doch nicht besser. Außerdem sind all die Anschuldigungen nicht wahr und an den Haaren herbei gezogen!"
Ich sprang auf und ignorierte gekonnt die Schmerzen.
In seinem Gesichtsausdruck zeigte sich keine Regung, stattdessen paffte er an der Zigarette und der Qualm quirlte in den Lüften allmählich auf.
So ein überheblich- aufgeblasener Mistkerl!
Wütend und hochnäsig schritt ich weg und rief noch: „Ich gehe jetzt allein weiter!"
Auch wenn mir die Schmerzen im Wege standen, würde ich vor ihm nicht dass schwache Fräulein spielen.
„Wenn sie zum Reservat gehen wollen, müssen sie in die andere Richtung." räusperte sich Arthur und zeigte mit seinem Finger auf die gegenüberliegende Seite.
„Und woher wissen sie das so genau?" launenhaft verschränkte ich meine Arme und funkelte ihn herablassend an.
„Jeder weiß das, denn dass ist das einzige Reservat was es hier in der Nähe gibt."
Selbstgefällig verlagerte er sein Gewicht auf sein rechtes Bein.
Grummelnd äffte ich ihn nach und stolzierte in die vorgegebene Richtung.
So ein Klugscheißer.
Wieso musste ich auch ausgerechnet ihm über den Weg laufen?
Konnte es nicht Dylan gewesen sein?
Weiß Gott wo er sich auch momentan aufhielt.
Hinter mir vernahm ich wie Arthur das Feuer ausscharrte und sich anschließend auf sein Pferd schwang.
Tja, anscheinend wollte er wirklich davon reiten und mich der Wildnis überlassen.
Von wegen Gentleman, aber dass war ich ja schon von ihm gewohnt.
Das er sich nicht einmal entschuldige, dass ich wegen ihm im Camp an dem Baum geheftet geworden bin, zeigte doch nur, dass er kein Stück besser war, als die anderen Männer.
Völlig in Rage klopfte mein Herz bis zum Halse.
„Ich bringe sie hin." Arthur trat auf seinem Pferd neben mich und reichte mir seine Hand.
Beleidigt warf ich meinen Kopf zur Seite und beachtete seine Wenigkeit nicht.
Ich hörte wie er entnervt ausatmete und vom Pferd sprang.
„Ich habe es schon mal gesagt, aber sie gehen mir wirklich auf die Nerven, Missy."
Noch bevor ich reagieren konnte packte er mich an der Taille und bugsierte mich federleicht in den Sattel.
Verdattert sah ich ihn an, als er sich auf das Hinterteil schwang und das Pferd schnaubend die Hufe in die Erde schlug.
„Und kommen sie nicht auf die Idee abzuspringen, sonst werde ich sie hinter mir her ziehen!" raunte er in mein Ohr und griff nach den Zügeln.
Mir fehlten die Worte und meine Wangen glühten.
Schluckend nickte ich nur und hielt mich am Knauf fest.***
„Runa... kommt her, Runa ist wieder da!"
Gerade als Arthur und ich das Reservat erreichten empfing uns schon Paytha.
Sofort bildete sich eine Traube und besorgte Augenpaare durchbohrten mich.
Verlegen lächelte ich.
Arthur stieg ab und hob mich im nächsten Atemzug aus dem Sattel, als schon Paytha auf mich zu kam und mich in eine Umarmung zog.
„Geht es ihnen besser?" flüsterte er und drückte mich behutsam von sich.
Anscheinend waren sie besorgter, als ich zunächst ahnte.
Nickend winkte ich ab und da gelangte auch schon Fliegender Alder in mein Sichtfeld.
Mein Herz machte einen Freudensprung und ein Lächeln bis über beide Ohren zeichnete sich auf meinem Gesicht.
Auch er musterte mich strahlend und ging auf mich zu, als er mich liebevoll an seinen Körper drückte.
Freudig erwiderte ich die Geste.
„Tut mir leid." nuschelte ich an seiner Brust und legte meinen Kopf in mein Nacken, um in sein Gesicht sehen zu können.
„Sie waren durch den Wind, wenn man bedenkt was sie alles durchgemacht haben."
Er musterte mich aufrichtig, als seine Augen zu Arthur gelangten, der noch immer hinter mir stand.
Sofort trat ich zur Seite und machte die beiden aneinander bekannt.
„Arthur das ist Fliegender Adler, Fliegender Adler, dass ist Arthur. Er hat mir geholfen."
Ich widmete dem blauäugigen keinen Augenkontakt und begrüßte stattdessen Fallender Regen, der dazu gestoßen war.
Die beiden Männer gaben sich derweil die Hand und wechselten ein paar Worte, während ich bei dem Häuptling ankam.
„Schön zu sehen, dass sie wieder bei Verstand sind, Miss." er legte vielsagend seine Hand auf meine Schulter.
„Ich wollte sie nicht in Aufruhr bringen, verzeihen sie." beschämt sah ich auf meine Füße.
Doch der Häuptling lachte rau und schüttelte den Kopf.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen."
Dankend lächelte ich und wurde schon im nächsten Augenblick von den Damen am Arm aus der Menschentraube gezogen.
„Sie brauchen Ruhe, Miss."
Kam es von ihnen synchron, als sie mich in eines der Tipis verfrachten.
Ich schätzte ihren fürsorglichen Empfang und ließ ihren Helfersyndrom über mich ergehen.
Die Frauen begutachteten meine Verletzung am Knöchel, die ihnen nicht ergangen war.
„Was ist eigentlich aus dem Gespräch mit Mister Miller geworden?"
Ich ersann mich an das Gespräch von hoher Bedeutung.
Die Frauen wechselten untereinander einen undefinierbaren Blick.
„Sie sollten erst einmal zur Ruhe kommen, später wird ihnen der Häuptling mehr berichten."
Es war eindeutig, sie weichten mir aus.
Doch dies ließ ich nicht auf mir sitzen.
Gerade als einer der Frauen mir die Salbe auf meinen Knöchel auftrug, sprang ich auf und gelangte aus dem Tipi.
Ich vernahm noch ihre entsetzten Rufe, aber dies hielt mich nicht zurück.
„Was ist in meiner Abwesenheit passiert?" rief ich und erlangte die Aufmerksamkeit von jedem.
„Miss, sie sollten sich aus-."
„Was ist passiert?" fuhr ich Fallender Regen über den Mund und erhaschte einen niedergeschlagenen Blick von Paytha, der mir kurz darauf den Rücken zuwandte.
Meine Schultern erschlafften und ich erahnte, dass es kein Happy End gab.
So schnell wurde ein freudiger Empfang zu einer traurigen Erkenntnis.
Arthur, der sein Pferd über die nüchtern strich, hörte aufmerksam zu.
„Kurz nachdem sie aus dem Reservat gerannt waren, kam Mister Favours." fing Fallender Regen an und sah zu seinem Sohn, der gehässig einen Laut von sich gab.
„Mister Favours hat Mister Miller einsperren lassen und das Dokument vernichtet. Anscheinend hatte er von unser Vorhaben windbekommen." beendete Fliegender Adler die knappe Erzählung.
Bestürzt und zugleich zornig blies ich die Luft aus meinen Lungen.
Wieso konnte nicht einmal eine Sache glatt verlaufen?
Und woher wusste Mister Favours über den Besuch von Mister Miller Bescheid?
Hatten wir so unsauber gearbeitet?
Haare raufend suchte ich vergebens nach einer Lösung.
„Dann müssen wir nochmal in diese Raffinerie! Es müssen noch mehr Dokumente existieren... mehr Beweise!" kam es hysterisch von mir.
Arthur warf mir einen kryptischen Blick zu.
Anscheinend waren ihm diese Probleme der Indiander nicht fremd.
„Nein! Beim letzten Mal sind sie grad so entkommen."
„Na und? Dann mache ich es diesmal anders, immerhin weiß ich wo sich das Büro befindet."
Fuhr ich Fliegender Adler barsch an und war schon auf dem besten Weg zurück in die Raffinerie, doch Arthur hielt mich an den Schultern zurück.
„Er hat recht!" raunte er bestimmend und erduldete keine Widerrede.
Wutschnaubend verschränkte ich meine Arme.
„Wir haben keine Chance gegen die Armee." setzte der Häuptling mutlos die Erkenntnis.
Schwermütig seufzte ich und eine beherrschende Stille umschwirrte uns.
Innerlich wehrte mich gegen den Gedanken, dass alles verloren war.
Das war doch nicht fair!
Diese Menschen waren unschuldig.
Urplötzlich erhob Arthur das Wort und setzte damit neue Maßstäbe.
„Charles und ich könnten vielleicht mehr ausrichten."
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Zwischen uns die Zeit
FanficDie junge Frau, Runa, suchte in den Wüsten von Amerika den Abstand zwischen sich und ihrer Vergangenheit. Dabei fand sie Unterschlupf bei der Familie MacFarlane, die ihre Ranch seit Generationen lieblich pflegten. Tessa, eine der Töchter von dem a...