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Es zogen einige Wochen ans Land, in der ich im Reservat eine helfende Hand wurde und ein fester Bestandteil.
Die Frauen belehrten mich über die Pflanzen und deren Gebrauch.
In der Zeit lernte ich auch den Sohn des Häuptlings kennen, Fliegender Adler.
Er war sehr aufbrausend und verachtete das friedvolle Verhalten seines Vaters gegenüber der US- Armee.
Sein handeln wirkte kopflos und kostete seinem Vater unzählige Diskussionen mit Mister Favours, der im Zusammenhang mit der Armee stand.
Mister Favours war ein herrischer Mann.
Es erging mir nicht, dass er mit hinterhältigen Maßnahmen wichtige Vorräte aus dem Vorbehalt zurückhielt.
Das Reservat erlag einen miserabel Zustand.
Kinder und die älteren wurden vermehrt krank und die Medizin verkürzt.
Doch ich durfte mich nicht allzu sehr in den Vordergrund rücken, da mein Gesicht in New Hannover wegen den Steckbriefen bereits die Runden machte.
2000$ Kopfgeld.
Dies erfuhr ich von Fliegender Adler, als er eines Abends mir den Steckbrief hinhielt.
Ein Glück, dass Fallender Regen und seine Leute mich angehört hatten und mich nicht aus dem Reservat geworfen hatten.
Natürlich war ich seitdem, sobald jemand von der Armee kam, in eines der Tipis geblieben.
Nichtsdestotrotz lebte ich mich ein und stand den Kranken bei.
Dylan verschwand in diesen Wochen und war wie vom Erdboden verschluckt.
Er hinterließ nicht einmal einen Brief oder einen Hinweis, wohin es ihm vertrieben hatte.
Ob er irgendwann wieder zurückkam?
Sein verschwinden stimmte mich melancholisch und noch weitere Fragen häuften sich.

In Gedanken versunken goss ich heißes Wasser in eine Holzschüssel, dessen Boden von zermahlten Pflanzen bedeckt war.
Eine schmerzlindernde Medizin, aus Ginseng, Olendersalbei und Schafgarbe.
Die Medizin stank und schmeckte fürchterlich, aber die Wirkung war wohltuend.
Zumindest stimmte dies die weinenden Kinder ruhig, die fiebrig in den Tipis lagen.
Es änderte nur nichts an ihrem Zustand.
Stattdessen wurde dieser von Tag zu Tag schlimmer und besorgniserregender.
„So kann es nicht weitergehen!"
„Mein Sohn, beruhig dich. Wir dürfen das Verhältnis zwischen uns und der Armee nicht aufs Spiel setzen."
„Ach ja? Deswegen verbreiten sie lügen und kürzen unsere Ressourcen? Ich habe genug davon, Vater!"
Fallender Regen und Fliegender Adler gerieten in ein Disput.
Bemitleidend stieß ich die Luft aus meinen Lungen.
Fliegender Adler hatte von meiner Geschichte Wind bekommen und seine Reaktion war fatal.
Als eines Tages Mister Favours und seine Männer das Reservat besucht hatten, verlor er seine Besinnung.
Dies endete damit, dass Mister Favours ihnen Drohungen aussprach und seither schien es so, als wären die Ressourcen noch weniger geworden.
Vielleicht war es meine Schuld, aber ich schwor ihnen anderweitig behilflich zu sein.
Immerhin konnte ich auf eigene Faust die richtigen Pflanzen sammeln und über das offene Feuer sättigende Mahlzeiten zubereiten.
Ich zog es auch in Erwägung mein Schießtraining weiter auszuüben.
Paytha, ein junger Indianer und ein guter Freund von Fliegender Adler, zeigte mir wie man einen Bogen spannte und- oder Pfeile herstellte.
Es waren kleine Schritte, aber ich fühlte mich von Tag zu Tag sicherer in meiner eigenen Haut.
„Du bist verblendet, Vater." rief der Häuptlings Sohn abwertend und schwang sich im nächsten Augenblick in den Sattel.
Fallender Regen sah bedrückt drein, als seine Augen in meine fielen.
Aufmunternd schenkte ich ihm ein schmales Lächeln, doch er kehrte um und verschanzte sich in sein Tipi.
Er musste sich elend fühlen.
Fliegender Adler war sein zweiter Sohn, sein erster wurde von der US- Armee getötet genauso wie seine Frau.
Es brach mir das Herz.
Ich verstand die Wut und den unerbittlichen Zorn den Fliegender Adler durchflutete, dennoch empfand ich, das er seinem Vater nicht so vor dem Kopf stoßen sollte.
„Runa, komm mal schnell!"
Mein Kopf schellte zur Seite und Inola, eine junge Indianerfrau, winkte mich zur ihr.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren ließ ich alles stehen und liegen und eilte zu ihr.
Sie schien aufgewühlt und fuhr sich abermals durch ihr langes schwarzes Haar, während sie auf und ab lief.
Konfus musterte ich sie und ließ mich von ihrer Unruhe anstecken.
„Es geht um Ashok, er wird diese Nacht nicht überleben." flüsterte sie betrübt und warf einen bedauernden Blick seiner Mutter zu, die von seinem Zustand noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde.
„Verdammt." hauchte ich und senkte meine Augenlider.
Ashok war erst zehn Jahre jung und der einzige Sohn seiner Mutter, die vor kurzem erst ihren Mann verloren hatte.
Niemals würde sie über seinen Tod hinweg kommen.
„Es muss doch etwas geben um sein Leben zu retten, dass darf nicht endgültig sein." wütend über unsere klägliche Hilflosigkeit schlug ich meine Faust in die Handfläche.
Inola seufzte hörbar aus, was ich ihr in diesem Moment gleich tat.
Im selben Augenblick, als hätte es dass Schicksal so gewollt, tauchte Paytha neben uns auf, dem unsere Situation nicht entgangen war.
„Was ist, wenn wir an die Medizin kommen?"
Stirnrunzelnd stierten Inola und ich ihn an.
„Wie Miss Downes es schon gesagt hat, es darf nicht endgültig sein, also; Wenn er die Medizin bekommen würde, könnte es sein Leben retten?"
Ungeduldig wippte er auf seinen Fußsohlen und sah uns abwechselnd an.
Die Indianerin und ich wechselten einen kurzen Augenkontakt, als sie dass Wort ergriff.
„Ich denke schon. Nur müsste es bald passieren und das ist unmöglich."
Ohne an Zeit zu verlieren wandte sich Paytha meiner Wenigkeit, wobei er vor Ehrfurcht nicht ruhig stehen bleiben konnte.
„Eine Möglichkeit gibt es, nur brauche ich sie dafür, Miss."
Verwirrt legte ich meinen Kopf schief und auch Inola verstand nicht worauf er hinaus möchte.
Dachte er etwa daran, dass wir zur Armee marschieren und höflich nachfragen?
„Nicht weit entfernt liegt eine Raffinerie. Dort sind unsere Ressourcen und auch die notwendige Medizin. Wir können damit nicht nur Ashok das Leben retten..."
Er ließ seine nussbraunen Augen durch das Reservat schwirren, als sie wieder in meine fanden.
Noch immer verstand ich nicht, wie er dass bewältigen wollte.
Nicht nur das es eine riskante Idee war, sondern auch sein Leben kosten könnte.
Geschweige von meinem eigenen.
„Und wie lautet der Plan?"
„Wir schleichen uns rein!"
Unglaubwürdig zog ich eine Augenbraue in die Höhe.
„Wie sollen wir das anstellen? Überall lauern Wachen. Das ist reinster selbstmord!"
„Keine Sorge, darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht. Fliegender Adler ist ebenfalls involviert, er kennt jedes Schlupfloch."
Bittend legte er seine Hand auf meine Schulter.
Wenn Fliegender Adler auch nur ein Haar gekrümmt wird, würde mir dass der Häuptling niemals verzeihen.
Scharf zog ich die Luft ein.
„Wieso soll denn ausgerechnet ich mit?"
„Weil du Kenntnisse besitzt und die Männer erst in den frühen Morgenstunden zurückkehren. Fliegender Adler und ich werden dir den Rücken freihalten, damit du ungestört an die Medizin gelangst."
Es gab für mich keinen Weg drum herum.
Paytha hatte sich zu sehr darauf verbissen gehabt.
Außerdem war es mir lieber daran beteiligt zu sein, denn falls doch etwas schief laufen sollte, würde ich mich selbst aushändigen.
Somit drohten ihnen keine Konsequenzen.
Geschlagen stimmte ich zu und erntete einen undefinierbaren Blick von Inola.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt