Unentwegt rann Vitus' Blut aus seiner aufgeplatzten Oberlippe und der Geschmack von Eisen beschwerte seine Zunge. Jeder Atemzug stach gegen seine Rippen und er versuchte, so flach wie möglich zu schnaufen. Pochender Schmerz ließ ihn schwindeln und trieb ihm den Schweiß aus den Poren.
In seiner Schwäche ließ Vitus den Kopf hängen. Wäre er nur rechtzeitig davongekommen: In den Gassen des Makha-Viertels hätten ihn diese Häscher nie gefunden. Dort kannte Vitus jedes Schlupfloch und jedes Versteck auswendig. Es war seine Heimat, in der er eine glückliche Kindheit und eine traurige Jugend erlebt hatte.
Doch statt in den vertrauten Gassen des äußeren Rings war er nun hier, in irgendeinem muffigen Keller, in dem es nach Moder und nasser Erde roch. Mit gefesselten Händen hockte Vitus auf dem feuchten Boden und lehnte sich dabei gegen eine kalte Wand. Spitze, grobe Steine bohrten sich in seinen Rücken. Kein Fenster, kein Schacht, keine Lampe. Die Dunkelheit sollte ihn brechen.
Vitus grinste, was ihm ein Stechen an Nase, Wange und Auge bereitete. Allen voran seine linke Gesichtsseite war mit Schlägen malträtiert worden. Normale Foltermethoden von Verbrechern. Was sie von ihm wollten?
Die Schmerzen machten seinen Aufenthalt in der Finsternis zu einem endlosen Strudel, der ihm jegliches Zeitgefühl raubte. Wie lange war Vitus schon hier?
Seine Befreiungsversuche scheiterten kläglich, da neben den rauen Stricken, die seine Handgelenke wundrieben, auch Eisenschellen angebracht waren, die bei jeder Bewegung klapperten.
Vitus blieb nichts anderes übrig als stillzuhalten, den Schmerz zu vergessen und zu warten, bis seine Entführer auftauchten. Oder würden seine Kameraden eintreffen? Ob sie ihn finden könnten?
Allerdings wusste Vitus nicht mal selbst, wo er war. Zu oft war er ohnmächtig geworden. Er seufzte und lehnte seinen Kopf gegen die Wand, was mit einem pochenden Schrei durch seinen Schädel bestraft wurde.Trotz der Dunkelheit drehte sich die Welt um ihn herum. Ein Schwindel überfiel Vitus, als wäre er ein außer Kontrolle geratenes Steuerrad auf einem Schiff, das gegen sturmhohe Wellen kämpfte.
Mit Sicherheit hatte er eine Platzwunde am Kopf oder gar eine Gehirnerschütterung. Zimperlich waren die Drogenleute nicht mit ihm umgegangen, was ihn zu dem Schluss brachte, dass er wirklich mitten ins Wespennest gestochen hatte.
Eine halbe Ewigkeit war vergangen, als Vitus das dumpfe Knarzen einer Tür hörte. Dann besann er sich und hörte wuselnde Schritte um sich herum. Eine Gruppe von Männern trat im dumpfen Schein von Fackeln an ihn heran. Die kahlen Kellerwände glänzten vor Feuchtigkeit.
Ein Schleier aus Staub dämpfte das Licht. Trotzdem war es grell genug, dass es Vitus rechtes Auge blendete. Das linke war wegen der Schläge zugeschwollen, doch auch mit nur einem konnte Vitus erkennen, dass sich eine hünenhafte Silhouette vor ihm aufbaute.
Verhüllt unter Kapuzen und hinter Masken platzierten sich die Männer wie Statuen vor Vitus. Generell ein gutes Zeichen - immerhin wollten sie ihr Gesicht vor ihm als Zeugen verbergen. Es war also möglich, dass sie Vitus am Leben ließen.
Die Schritte verstummten vor ihm. Es folgten keine Worte der Erklärung oder der Begrüßung. Stattdessen bückte sich einer von den Männern hinunter und verpasste ihm einen Schlag gegen die ohnehin schon schmerzende, linke Gesichtshälfte.
"Warum schnüffelst du uns hinterher?", fragte der Hüne und baute sich wieder vor ihm auf. Seine Stimme war so tief wie Felsbrocken, die einen Berg hinunter donnerten.
"Ich hab nicht …", begann Vitus, wurde dann aber mit einem weiteren Schlag, dieses Mal gegen die rechte Seite, zum Schweigen gebracht. Darauf, dass die Männer seine Ausrede glauben würden, konnte er nicht hoffen.
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Der Mythos von Tarragoss
Fantasy"Legt man sich mit den Ureinwohnern an, legt man sich mit der ganzen Insel an." * * * Die Südseeinsel Tarragoss ist die Heimat von Kolonisten, Ureinwohnern und einem unterdrückten Mischvolk. Im Pulverfass aus altem Hass, Verzweiflung und Rachegelüst...