23. Pfannen und Rührei

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Sonnenstrahlen erhitzten seine Haut und ehe Vitus realisierte, wo er war, drehte er sich zur Seite. Unter ihm knisterte eine Strohmatte. Das hier war nicht sein Bett - eine Feststellung, die ihm zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Anstrengung abverlangte.

Ein Blitz zuckte durch seinen Körper und schlagartig war Vitus wach. Ein Zustand, den er in der letzten Zeit nicht erreicht hatte. Zwar hatte er mitbekommen, wie ihm seine Helferin eine Suppe zu essen und ihm zur Toilette geholfen hatte, doch hing diese Erinnerung wie grauer Einheitsbrei in seinem Kopf, sodass Vitus nicht sagen konnte, wie lange er in diesem Zustand gewesen war.

Er richtete sich auf, wobei ihm ein paar Tücher vom nackten Oberkörper rutschten. Sein Kopf dröhnte und er kniff die Augen wegen der grellen Helligkeit zusammen.

In dem spärlich eingerichteten, winzigen Raum, dessen Wände, Decke und Boden aus zerfransten Brettern bestanden, befand sich alles, was das Appartement zu bieten hatte: Ein kleiner, runder Tisch mit einer getöpferten Blumenvase in der Ecke neben der Tür, ein richtiges Bett diagonal gegenüber, eine Kochnische mit einer offenen Feuerstelle, über die man Töpfe hängen konnte, und einer Spüle, die man selbst mit Wasser be- und entfüllen musste.

Vitus selbst lag neben einem Fenster und beobachtete seine Helferin, die ihre langen, schwarzen Haare in einem Dutt trug.

"Au! Du blödes Scheißteil", fluchte die Frau und zog ihre Hand von einer zischenden Pfanne zurück, die offenbar mit heißem Öl um sich spritzte. Dem Geruch nach bratete seine Helferin Eier. Rühreier, so wie Vitus sie kannte - für Spiegeleier hatte sie keine Geduld: Der Dotter ging zu schnell kaputt.

"Machalla", wisperte Vitus. Sie hatte ihn nicht gehört, war sie doch zu sehr mit ihrer Pfanne beschäftigt. Ob er Machalla überhaupt stören wollte? Er konnte kaum aus eigener Kraft sitzen, sodass er zurückrutschte und sich gegen die Wand lehnte.

Eine Weile saß Vitus nur da, sah an sich herab und begutachtete die blauen Flecken auf seinem Oberkörper. Vermutlich lagen ein paar gebrochene Rippen darunter, immerhin hatte er beim Einatmen stechende Schmerzen. Um seinen Hals spannte das Lederband samt geschnitzten Anhänger, der eine Katze zeigte. Zum Glück war sie noch da. Die einzige Erinnerung an seine Eltern.

"Du bist ja wach, du verpennter Taugenichts!" Machalla stand mit in den Hüften gestemmten Händen vor dem Herd, einen Kochlöffel in der Hand.

"Bei dem Krach könntest du Tote aus ihren Gräbern scheuchen", gab Vitus zurück.

Empört wandte sie sich um. "Du kannst dir deine Scheiße auch selber kochen, Nakoa."

Nakoa - wie lange hatte er diesen Namen schon nicht mehr gehört. Seinen echten Namen. Es fühlte sich an wie ein Stück Heimat und doch übergoss ihn das schlechte Gewissen wie ein Schwall kaltes Wasser, weil ihm klar war, dass er dieser Heimat aus freien Stücken den Rücken gekehrt hatte.

Mühsam zog sich Vitus auf seine Beine, tappte zu Machalla und ächzte unter dem pochenden Schmerz, der seinen gesamten Körper durchzog. Umso näher er dem Feuer kam, umso schwerer konnte er in der Hitze atmen. Vitus legte eine Hand auf die Schulter seiner Helferin. "Mahalo für alles." Ein leiser Dank, der ihr nicht gerecht wurde.

Machalla wandte sich um und funkelte ihn aus dunklen Augen an. "So konnte ich mich wenigstens für die paar Mal, die du mich vor dem Kerker bewahrt hast, revanchieren."

"Ein paar Mal", murmelte Vitus. In den zwölf Jahren, in denen er als Kriminalbeamter tätig war, hatte er sie mindestens einmal im Jahr aus einer brenzligen Situation gerettet, die ihr eine Haftstrafe eingebracht hätte. Das war so weit gegangen, dass er manchmal verwundert gewesen war, wenn er länger als zwölf Monate nichts von ihr gehört hatte.

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