9. Fischer und Hausmädchen

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Schade um das schöne Rendezvous mit der noch schöneren Gouverneurstochter war es schon gewesen. Doch mit der Verhaftung des Hochbrunn-Sprösslings war Vitus dem Baron einen Schritt näher gekommen und im Nachhinein betrachtet hatte sich seine Entscheidung vollends ausgezahlt.

Vitus würde den Drogenring lahmlegen, der sich auf Kosten der Abhängigen bereicherte. Der Abhängigen, die ihr Leben in der Gosse fristeten und für eine Hand voll kupferner Fuchslinge ihren Nächsten erschlugen. Das Lahscha musste weichen, wenn die Kriminalität unter den Makha enden sollte. Und Vitus hatte sein Leben dieser Aufgabe gewidmet.

Eine Frau hatte in seinem Leben somit keinen vorrangigen Platz und weil Annabella keine war, die sich mit einem zweiten Rang zufriedengeben würde, war das Rendezvous von vornherein aussichtslos gewesen. Aber irgendwie konnte er auch nicht loslassen.

Trotzdem glühte tiefe Zufriedenheit in Vitus, als er nach seiner unfreiwilligen Nachtschicht das Gendarmeriegebäude verließ. Der Prinzipal persönlich hatte ihn nach Hause geschickt und sich des Hochbrunn-Sprösslings angenommen. Gotthart vasta Rax würde vor den Advokaten nicht klein beigeben.

Im steinernen Innenhof hallten Huftritte und der Geruch von Pferdedung hing zwischen den Gemäuern. Die Gendarmeriepferde waren vor Ort in Stallungen untergebracht, um im Verbrechensfall schnellstmöglich an den Tatort zu gelangen. Seit nunmehr zwölf Jahren schlenderte Vitus tagtäglich durch diesen Hof, vorbei an den Palmen, die allmählich über die Dächer ragten.

Wegen seiner Müdigkeit starrte Vitus vor sich auf den Boden, seine Umgebung nicht beachtend. Die Eisengittertür stand offen, das ersparte ihm das nervige Quietschen der Angeln.

"Wie ich hörte, hast du gute Arbeit geleistet."

Vitus wandte sich um.

An der Mauer lehnte ein Mann mit einer Pfeife in der Hand. Obwohl er im Schatten stand, reflektierte seine eiförmige Glatze das Licht. Zwei spitzige Ohren standen von seinem Kopf ab und unter seinen zerrupften Augenbrauen starrte er Vitus mit wässrigen blauen Augen an. Aus dem riesigen, hakenförmigen Zinken stieß der Mann den Rauch seiner Pfeife, die er paffte.

"Bartholo", stöhnte Vitus. "Und was willst du von mir?"

Bartholo stieß sich von der Wand ab und trat mit einem selbstgefälligen Grinsen näher. "Nichts. Nur gratulieren. Schließlich ist dir ein fetter Fisch ins Netz gegangen."

"Danke", antwortete Vitus verbissen. Dass Bartholo ihm nicht wirklich gratulierte, war ihm klar.

Der Spott klang unverhohlen in Bartholos Stimme mit, als er sagte: "Nur eben nicht der fetteste Fisch."

Der fetteste Fisch war nämlich der Drogenbaron und solange der auf freiem Fuß war, würde das Lahscha zentnerweise nach Manava strömen.

"Das ist mir bewusst. Danke für die Erinnerung", gab Vitus zurück und wandte sich zum Gehen.

Da griff Bartholo ihn am Oberarm. "Dir ist schon klar, dass die Verhaftung des kleinen Hochbrunns nicht für eine Beförderung zum Prinzipal ausreichen wird?"

Vitus verdrehte die Augen, ehe er sich wieder zu Bartholo umdrehte. "Und du hast hier auf mich gewartet und rauchst nun die siebte Pfeife, nur um mir das zu sagen?"

"Ich will nur deiner Enttäuschung vorbeugen, wenn in einem halben Jahr der alte Rax in Pension geht und du nicht zum Zug kommst."

Vitus zuckte mit den Schultern. "Dann komm ich eben nicht zum Zug." Ihm war das Amt des Prinzipals ohnehin viel zu groß. Er müsste sämtliche Verbrechen im Blick haben und könnte sich nicht mehr auf das Lahscha konzentrieren. Im Gegensatz dazu stand Bartholo, der schon mit den Hufen scharrte, um endlich Prinzipal zu werden. Dabei war Vitus sein ärgster Konkurrent, weswegen Bartholo keine Gelegenheit ausließ, um Vitus klein zu machen.

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