15. Bruchbuden und Herrenhäuser

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Der Krumme Anker.

Vitus hatte nicht lange gebraucht um herauszufinden, um was es sich dabei handelte. Es war eine Schänke im äußeren Ring von Manava - im Makha-Viertel. Jetzt wartete er nur noch auf das Vorrücken der Uhrzeiger, während er mit Loah im Schoß auf seinem königsblauen Kanapee saß. Das Schnurren des Katers beruhigte Vitus, sodass auch sein Fuß nicht mehr auf und ab zappelte wie ein Fisch an der Angelschnur.

Das Gaslicht schimmerte auf dem blauen Samt der Vorhänge und des Kanapees und spiegelte sich auf dem lackierten Tisch und den Regalen, die mit allerlei Büchern bestückt waren. Hauptsächlich Lektüre aus Kondal, damit er die Geschichte und Kultur der Kolonisten hatte erlernen und annehmen können.

Der Zeiger der Standuhr sprang endlich auf acht Uhr abends. Vitus hatte extra bis zum Wochenende gewartet, immerhin lief dann das Drogengeschäft laut Tommas Molena am besten.

Vitus war unwohl dabei, seinen Kater beiseite zu schieben. Die plötzliche Kälte und Leere in seinem Schoß ließ ihn schauern und er schüttelte sich, als könne er so sein Unbehagen abwerfen.

Er löschte das Licht, ging zur Tür und griff im Automatismus nach seinem grauen Uniformsjackett der Gendarmerie, wobei Vitus über sich selbst schmunzelte. Noch dümmer könnte er sich nicht verraten. So legte er einen schwarzen Schwalbenschwanzfrack an, wie es zurzeit in Mode war.

Routinemäßig schob er sein Portemonnaie in die Innentasche des Fracks und öffnete gedankenverloren die Tür. Den Blick auf die Steinkacheln des Treppenhauses gesenkt, bemerkte Vitus gerade noch rechtzeitig das Hindernis, das ihm im Weg stand.

Überrascht hob er den Kopf und noch überraschter wich er zurück, als er erkannte, wer da vor ihm stand. "Annabella?" Seine Gedanken tobten, als er lose Teile zusammenzusetzen versuchte, doch irgendetwas wollte in seinen Gehirnwindungen nicht einrasten.

Gerade nach den vergangenen Erlebnissen hatte er nicht erwartet, dass sie noch einmal mit ihm würde sprechen wollen. Zum einen die Erpressung zum Rendezvous. Der Angriff des Drogenbauern. Wenigstens war die Unterhaltung auf dem Balkon des Güldenen Hibiskus angenehm gewesen, doch dann hatte er sie sitzengelassen.

Zum anderen war da noch der Ausflug zur Akalua-Mine gewesen, bei dem sie von irgendwelchen absonderlichen Gestalten bedroht worden war.

Insgesamt gab es wahrlich nichts Positives, das Annabella mit ihm verbinden konnte. "Was machst du denn hier?"

In ihrem roten hochgeschlossenen Kleid, dessen Faltenrock ihre schlanken Waden umwehte, war sie sicherlich ein Objekt für so manchen Männertraum, nicht zuletzt seinen eigenen. Offenbar hatte Annabella es aufgegeben, sich in ausladende Kleider zu hüllen, wenn sie sich mit Vitus traf. Bisher war sie noch jedes Mal unpassend gekleidet gewesen.

"Ich wollte...", begann Annabella und statt zu antworten, zog sie die Stirn kraus. "Wo gehst du jetzt noch hin?"

Das konnte sie gut: Die Bälle zurückspielen, wenn eigentlich sie am Zug war. Vitus winkte ab. "Ich muss für einen Fall ermitteln."

Annabella deutete an seinen Beinen vorbei. "Du hast eine Katze?"
Loah war neben ihm aufgetaucht, als wollte er den unverhofften Gast begrüßen - oder verjagen. Bei seinem Kater wusste Vitus nicht genau, was Sache war. "Ich hab die Katze als meinen Aumakua gewählt", sagte er beiläufig und nickte nach oben zum Türstock, wo ein geschnitztes Relief aus Koaholz angebracht war.

Es zeigte das Profil einer sitzenden Katze mit allerlei Schnörkeln, die sich aus ihrem Fell zogen und in die Schnörkel der Gräser und Blumen übergingen. Eine solche Darstellung entsprach am ehesten dem Stil der Ulakas, soweit Vitus das beurteilen konnte.

Der Mythos von Tarragoss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt