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»Hast du schon entschieden, welches Spiel wir uns als nächstens kaufen werden?« Nachdem wir die letzten Minuten zum Beobachten der Menschen in unserer Umgebung genutzt haben, kann ich mich der Stille nicht länger hingeben.

Aspen blinzelt mehrmals hintereinander. Ich beobachte, wie sein Adamsapfel einen kleinen Hüpfer macht, bevor er zum Sprechen ansetzt: »Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht«, murmelt er mit belegter Stimme.

Die Wurzeln unseres Drangs, in unregelmäßigen Abständen neue Kartenspiele zu kaufen, reichen bis in unsere Kindheit zurück. Das erste Treffen unter Aufsicht unserer Eltern hat damit begonnen, dass er mir ein Kartenspiel präsentiert hat. Wir beide waren damals schüchtern gewesen und ich für meinen Teil hätte mich am liebsten in meinem Zimmer versteckt, bis die drei fremden Personen aus meinem Wohnzimmer verschwunden waren. Aber Aspens Versuch, mir unter zitternden Fingern die Regeln des Klassikers beizubringen, hat das Eis schnell zum Schmelzen gebracht. Anfangs hatten wir einen Wettbewerb daraus gemacht, wer es schafft, die meisten Runden hintereinander für sich zu entscheiden. Nicht einmal die Verlockung unserer Eltern auf köstliches Eis hat uns davon abgehalten, am gläsernen Wohnzimmertisch auszuharren und eine Runde nach der anderen zu absolvieren. Irgendwann war uns dabei sogar egal, wer gewinnt. Es zählte nur, dass wir möglichst viele Runden spielen konnten.

Heute ist mir der Name des Kartenspiels, das unsere Freundschaft geprägt und Grund für die gemeinsame Obsession war, entfallen. Sicher ist jedoch, dass es sich zwischen all den Spielen befindet, die wir über die Jahre zusammengesammelt und geordnet in mehreren Kisten verstaut haben.

Die Blicke unserer Mitschüler damals in der Schule sind mir bis heute noch bewusst. Während die unteren Jahrgänge uns begeistert dabei zugesehen haben, wie wir in den Pausen versucht haben, den jeweils anderen zu schlagen, haben die älteren Schüler uns schräg von der Seite angesehen und über die beiden Nerds gesprochen, die sich nur mit den Karten und nicht mit anderen beschäftigen.

Hinter vorgehaltener Hand haben sie sich über uns lustig gemacht und uns mit ihren abschätzigen Blicken zu verstehen gegeben, dass sie nicht nachvollziehen können, was wir da tun. Und warum wir es tun.
Aber das Aspen und mich nicht gestört. Wir waren glücklich mit unseren Kartenspielen, mit der Sammlung, die über die Jahre gewachsen ist und zu der alle paar Wochen ein neues Spiel hinzukommt.

Von vielen meiner sogenannten Freunde habe ich mir früher anhören müssen, wie merkwürdig es ist, dass wir nicht in den Pausen wir die anderen an den Tischtennisplatten oder in der Ecke hinter den Turnhallen stehen, um heimlich zu rauchen. Wir haben nicht dazu gehört und ich bin dankbar dafür.

»Ich habe eine Liste mit meinen Favoriten gemacht. Manche werden erst in den kommenden Wochen auf dem Markt erscheinen, aber sie klangen so interessant, dass ich sie trotzdem vermerkt und mit einem kleinen Stern versehen habe.« Aspen nickt grinsend.

»Ich kann es kaum erwarten, dich in einem weiteren Spiel besiegen zu können«, säuselt er, als bestünde nicht die Möglichkeit, dass ich ihn schlagen könnte. Dabei ist zwischen uns, zu meinem Leidwesen, ein ziemlich ausgeglichener Kampf entstanden. Auch wenn ich der Meinung bin, dass ich den ein oder anderen Sieg durch taktisches Denken mehr verdient hätte als er.

»Hm, das werden wir noch sehen«, gebe ich unbeeindruckt zurück. Aspen hebt eine Augenbraue und seine Lippen teilen sich in dem Moment, in dem Donna die Teller zwischen uns abstellt. Wir bedanken uns im Accord und ich greife geistesgegenwärtig nach dem Besteck.

Während des Gesprächs mit ihm habe ich den Gedanken an den Hunger weit nach hinten geschoben. Jetzt jedoch, mit der dampfenden Portion Tagliatelle in Sahnesoße und mit feinen Lachsstreifen vor der Nase, kann ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Der Geruch von frischen Kräutern steigt mir in die Nase und ich schließe genüsslich die Augen, als ich den ersten Löffel nehme.

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