Ich schalte mein Handy aus, nachdem ich das Dutzend an unbeantworteten Nachrichten erreicht habe und steige endlich aus meinem Wagen.
Inzwischen ist es dunkel und ich bin auf das Licht der Laternen angewiesen, die in regelmäßigen Abständen den Weg zur Haustür säumen. Ich ziehe die Jacke enger um meinen Körper und eile auf das Haus zu, um endlich in meine Wohnung zu gelangen und mich unter der Bettdecke zu vergraben.
Es hat eine Weile gedauert, bis die Tränen verblasst sind, aber jetzt traue ich mich nach oben. Zwar spüre ich noch immer das Kribbeln auf meinen Wangen und das Brennen in meinen Augen, doch die Aussicht darauf, niemandem über den Weg zu laufen, lässt mich mutig werden.
Ich schließe die Tür auf und husche ins Innere. Ich lege die Hand an das Geländer und nehme zwei Stufen auf einmal, was meinen Herzschlag in die Höhe treibt und kleine, schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen lässt. Fast oben angekommen, verharre ich auf dem letzten Absatz und richte den Blick nach vorne.
Aspen sitzt auf der kleinen Bank, die wir im Zutun aller Personen dieser Etage aufgestellt, und seitdem kaum genutzt haben. Ich lecke mir mit der Zunge über die trockenen Lippen und strecke den Rücken durch, bevor ich die letzten Stufen nach oben schleiche.
»Cass, gottseidank.« Aspen springt von der Bank auf und kommt mir entgegen. Seine Arme legen sich um meinen zitternden Körper und drücken mich an seine warme Brust.
Ich nehme seinen herben Duft auf, genieße das Gefühl von Geborgenheit, bevor mich die Ereignisse der letzten Stunden dazu bringen, Abstand aufzubauen.
»Ich habe vor zwei Stunden deine Eltern angerufen und sie gefragt, ob du nach der Vorlesung zu ihnen gefahren bist. Ist dein Handy kaputt? Warum bist du nicht rangegangen?« Er macht von sich aus einen Schritt nach hinten und lässt den Blick über meinen Körper wandern. Instinktiv schlinge ich die Arme um ihn und lasse den Blick schweifen.
Seine Haare sind zerzaust und sein Hemd zerknittert. Es verschwindet nicht mehr unter dem Saum seiner Hose, sondern überlappt den lockeren Gürtel, der kaum seinen Zweck erfüllen kann.
»Ich sitze seit über eine Stunde hier. Wo warst du, dass du von deinen Eltern bis hierhin so lange gebraucht hast?« Der vorwurfsvolle Unterton überschattet seine Worte und ich schäme mich, dass ich ihm trotz seiner aufrichtigen Sorge eine Lüge auftischen werde.
»Ich musste noch einkaufen. Wir hatten keine... Pizza mehr«, lüge ich und streiche mir ein paar Fussel von der dunklen Hose. Aspen verschränkt die Arme locker vor der Brust beugt sich vor.
»Und die Pizza versteckst du... wo?« Ich schließe die Augen und schlage mir innerlich mit der Hand vor die Stirn. Einkaufen. Das war das Abwegigste, was ich hätte sagen können.
»Sie hatten nicht die, die ich wollte. Also war ich bei Donna und habe mir bei ihr eine bestellt«, weiche ich weiter aus. »Ich habe sie direkt gegessen«, schiebe ich hinterher. Ich hebe den Kopf und sehe in sein skeptisches Gesicht. Er glaubt kein Wort von dem, was ich ihm aufzutischen versuche. Aber die Wahrheit würde zu viele Fragen aufwerfen, auf die ich ihm keine Antwort geben kann.
Außerdem... außerdem habe ich mir, bevor wir auf unser erstes Date gegangen sind, geschworen, die negativen Dinge von ihm fernzuhalten. Meinen Ausbruch zu erklären und meine Ängste und Enttäuschungen zu erwähnen, zählt nicht zu diesem Plan, auch wenn durch das Gespräch mit meinen Eltern alles... durcheinandergeworfen wurde. Eigentlich habe ich keine Ahnung mehr, welche Regeln und Prinzipien gelten und ich hasse es, wie sich dieser Verlust anfühlt. Als wäre nichts mehr dort, wo es hingehört.
Selbst die Autofahrt, die von lauter Musik und reichlich Tränen geprägt war, hat mein Gemüt nicht beruhigen können. Ich bin durch die Gegend gefahren, ohne mein Ziel zu kennen. Habe die Sonne auf wenig romantische Weise dabei beobachtet, wie sie hinter den Hügeln verschwindet und habe eine Pause an einem kleinen Teich eingelegt, um meine Lungen wieder mit frischer Luft zu füllen. Leider hat sie die Enge in meiner Brust nicht vertrieben.
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All this Time | ✓
RomanceZahlen bestimmen unser Leben, aber für Cassie ist nur eine wichtig. Die Eins, die sich widerspiegelt in der Person, die das Leben auf die schönste und romantischste Weise auf den Kopf stellt. Seit Jahren wartet sie darauf, dass ihre große Liebe unau...