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Meine Augen heften sich an die beiden Gläser in seinen rauen Händen.
Eines ist gefüllt mit weißem, das andere mit rotem Wein.

Wortlos reicht er mir das Weißweinglas und ich bin gewillt, danach zu greifen, als das unverkennbare Lachen meiner Mutter in meine Ohren dringt. Ich muss den Garten nicht nach ihr absuchen, um zu wissen, dass sie sich in meiner Nähe befindet und ein wachsames Auge auf mich hat. Grund genug für ihre Beobachtungen habe ich ihr vermutlich gegeben, als ich zielstrebig und vor einem weiteren Gespräch flüchtend nach draußen geeilt bin.

Meine Hand hängt haltlos in der Luft, auf halbem Weg zu meinem zweiten Glas Wein, als ich sie zur Faust balle und schließlich mit dem Zeigefinger auf das andere Glas deute.

»Würde es dir etwas ausmachen, mir den roten zu überlassen? Ich habe mein Pensum an Weißwein für heute schon erreicht.« Ich ringe mir ein Lächeln ab und lege vorsichtig die Finger um den dünnen Griff. Aspens Brauen wandern dicht über den Augen aufeinander zu und eine Furche tritt zwischen sie. Zögerlich betrachtet er die beiden Gläser, nickt dann aber.

»Wie du möchtest«, antwortet er gedehnt und überlässt mir das Glas.

Ich bringe einen geflüsterten Dank hervor und setzte das Glas an die Lippen, nachdem ich es zaghaft gegen seines gestoßen habe. Wie den gesamten Abend, wenn er denn überhaupt für mich erreichbar war, vermeide ich es, ihm in die Augen zu sehen.

Ein bitteres Aroma breitet sich auf meiner Zunge aus und ich muss unweigerlich husten. Schnell halte ich mir die Hand vor den Mund, betend, dass man meine Reaktion nicht auf den Wein zurückführt.

Es ist eine Weile her, dass ich das letzte Mal etwas getrunken habe. Zwischenzeitlich habe ich den Alkohol in meinem Blut deutlich gespürt und mich ermahnt, weniger zu trinken. Jetzt haben mich die langen und nervenaufreibenden Gespräche ausgenüchtert und ich bin froh, einen besten Freund zu haben, der meine innere Bereitschaft nach Alkohol unausgesprochen erkennt.

»Ich habe Lauren eben zum Eingang begleitet. Der Fahrer ihrer Familie hat sie abgeholt«, erwähnt Aspen und tritt einen kleinen Stein von sich, der unter seiner Schuhsohle gehaftet hat. Sein Blick wandert von mir zu der feinen Gesellschaft. Immer häufiger ertönt heiteres Lachen und ich sehe Frauen wie Männer, die sich bei zu schnellen Schritten an einem Anwesenden abstützen müssen.

»Sie ist schon nach Hause gefahren? Ich dachte, ihr würdet gemeinsam gehen.« Ich lecke mir mit der Zunge über die feuchten Lippen und versuche, beide Hände an dem Griff des Glases zu beschäftigen. Dabei richte ich den Blick stets auf belanglose Punkte in meiner Gegend.

Es ist schwierig, Aspens Anwesenheit aus meinen Gedanken zu streichen und nicht an Lauren zu denken, wenn sich unsere Arme leicht berühren und auch unsere Hüften nicht weit voneinander entfernt sind. Es ist eine absolut harmlose Situation, in der wir uns befinden. Unter normalen Umständen hätte ich dieser keinen einzigen Gedanken gewidmet. Aber ich habe auch gedacht, dass sein Anblick in einem Anzug kein aufdringliches Flattern in meinem Magen hervorrufen würde. Und bevor die Erinnerung daran nicht aus meinem Kopf verschwunden ist, bin ich mir seiner Nähe nur zu gut bewusst.

»Nein. Sie hat im Vorhinein schon angekündigt, dass sie beizeiten nach Hause fahren würde. Morgen warten allerlei Aufgaben und Lernmaterial auf sie. Du weißt schon, die Klausurenphase.« Er stößt sanft mit der Schulter gegen meine und ein wissendes Lächeln huscht über seine rosigen Lippen. Ich nicke resigniert.

»Jona ist auch nach Hause. Ich habe ihn gesehen, als ich mich auf die Suche nach dir gemacht habe. Er hat sich von deinem Vater verabschiedet und mir gesagt, dass ich ihn bei dir abmelden soll. Er meinte, er würde dir in den nächsten Tagen schreiben.«

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