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Das Klopfen gegen meine Zimmertür wird zu meinem persönlichen Mantra. Es sorgt für ein unangenehmes Ziehen in meinem Schädel und ich presse mir das Kissen stärker auf die Ohren. Trotz der Schmerzen, die sich in meinem Kopf einnisten, habe ich beschlossen, mit dem  Störgeräusch zu leben.

Lieber lebe ich mit diesem, als mit meinen Gedanken, die mich in der Nacht nicht zur Ruhe kommen ließen.

Die Zeit seit dem gestrigen Ball verstreicht ungesehen, dennoch bin ich nicht bereit, mich diesem Sonntag zu stellen. Aufstehen kommt für mich nicht in Frage und ich habe beschlossen, diese Meinung wenn nötig bis zum bitteren Ende zu vertreten.

»Wenn du nackt bist, Cassie, dann zieh dir etwas an. Denn ich komme jetzt rein.« Ihrer Ankündigung folgen Taten, noch bevor ich die Chance dazu gehabt hätte, auch nur das Kissen von meinem Kopf zu nehmen.

Ich lausche Delilahs Schritten auf dem Holzboden und als diese von meinem beigen Teppich verschluckt werden, verziehe ich missmutig das Gesicht. Ich spüre, wie sich die Matratze neben mir absenkt und sich nur Sekunden darauf eine warme Hand auf meinem Schulterblatt platziert.

»Du musst aufstehen, Cassie. Es ist schon halb elf und die Jungs erwarten uns in einer halben Stunde.« Sie drückt meine Schulter aufmunternd und erhebt sich wieder, anscheinend, um das Fenster zu öffnen und die Spätsommerhitze in mein Zimmer einzuladen. Großartig.

Trotzdem verenge ich die Augen zu kleinen Schlitzen und nehme vorsichtig das Kissen von meinem Gesicht. Ich beobachte, wie sie durch das Zimmerschleicht, mein Kleid vom Boden aufhebt und es über die Lehne des Schreibtischstuhles hängt, als wäre es nicht mehrere hundert Pfundwert. Danach bückt sie sich, sammelt die Schuhe von Boden auf und stellt sie säuberlich auf der Ablage neben meinem Kleiderschrank ab.

»Wofür erwarten sie uns?«, frage ich verschlafen. Ein Kratzen in meinem Hals begleitet meine Frage und ich räuspere mich. Frustriert darüber, dass sie mich geweckt hat und mir ersehnten Schlafverwehrt, stemme ich mich nach oben. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehne ich mich an das Kopfteil meines Bettes. Meine Decke ziehe ich dabei mit mir, während mein Blick auf den Nachtisch fällt. Eine dampfende Tasse Kaffee steht neben meinem Handy, das mir in großen Leuchtbuchstaben zu verstehen gibt, dass es sich aufgrund mangelnden Storms bald ausschalten wird. Ich rolle die Augen und nehme missmutig die Tasse an mich. Vorsichtig nippe ich an ihr, woraufhin sich das köstliche Aroma in meinem Mund ausbreitet.

Meine Augen geben mir durch lästiges Brennen zu verstehen, dass sie gegen die Helligkeit in meinem Zimmer sind. Aber in Anbetracht von Delilahs Mitgift komme ich zu dem Entschluss, dass es doch nicht so übel war, dass sie mein Zimmer betreten hat.

Lil verzieht das Gesicht und verschränkt die Arme vor der Brust. »Wir wollen heute zusammen auf den Flohmarkt gehen. Ihr habt versprochen, mich bei der Suche nach neuen Objekten für meine Fotostrecke zu unterstützen. Und danach wollten wir etwas Spaßiges unternehmen.« Ich strenge meinen Kopf an und stoße hinter Rechtsfällen, lästigen Aufgaben und alten Erinnerungen auf ein Gespräch, das wir die Tagegeführt haben. Sie hat recht. Ich erinnere mich, dass Aspen, Spencer und ich den ersten Teil des Ausfluges als langweilig betitelt haben.

»Hast du so viel getrunken, dass du es vergessen hast? Das passt gar nicht zu dir.« Lil nimmt am anderen Ende des Bettes Platz und mustert mich, als könnte sie durch reines Beobachten erraten, wie der gestrige Abend verlaufen ist.

Dabei kann ich es ihr auch einfach sagen: er war eine Katastrophe.

Angefangen mit den wenig zielführenden Gesprächen, der Bestätigung, dass meine Eltern meinen Bruder um Längen mehr schätzen und lieben als mich, und der Tatsache, dass etwas Merkwürdiges zwischen mir und Aspen geschehen ist.

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