12.3

42 6 1
                                    

Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr scheinen sich die beiden an diese neue Situation zu gewöhnen. Es wäre zu viel gesagt zu behaupten, dass Aspen sich vollkommen wohl fühlt oder dass er nicht jede Antwort zehnmal überdenken würde, bevor er sie laut ausspricht.

Dennoch sind sie nur ein weiteres Mal auf Magerys neues Leben zu sprechen gekommen und Aspen hat vorgetäuscht, auf die Toilette zu müssen, bevor sie ihren Abgang oder ihren jetzigen Ehemann weiter thematisieren konnte.

Während er zur Toilette gestampft war, waren seine Hände zu Fäusten geballt gewesen, wodurch sich seine Fingerknochen weiß verfärbt hatten. Er war so lange weggewesen, dass ich fast aufgestanden und nach ihm gesehen hatte. Doch als er zurück kam, waren seine Gesichtszüge entspannter und seine Fingernägel bohrten sich nicht länger in seine Handinnenflächen. Seitdem beschäftigt er die Finger an den kleinen Zuckerpäckchen oder der gezackten Serviette, die die Tasse von ihrer Untertasse trennt.

Was sich nicht verändert hat ist, dass die Gesprächsführung weiterhin in Magerys Händen liegt. Aspen stellt ihr nur selten Fragen und wenn sind es belanglose, vor deren Antwort er sich nicht zu fürchten braucht. Marge scheint damit nicht nur auszukommen, vielmehr wirkt es, als freue sie sich darüber, möglichst viel von ihrem Sohn und dessen Leben erfahren zu können, selbst wenn er an jeder Ecke auf Details verzichtet.

Trotzdem werte ich es als Erfolg, dass er sich die letzte Stunde nicht davongestohlen hat oder versuchte, das Gespräch zu beenden.

»Ich soll dich von Jude grüßen. Sie absolviert gerade ihr letztes Jahr in der High School und ist seit Beginn des Schuljahres Teil des Schwimmteams.« Aspens Schultern verkrampfen und die Finger seiner linken Hand, die unter dem Tisch mit meinen gespielt haben, erstarren.

Die gesunde Farbe weicht aus seinem Gesicht und für ein paar Sekunden habe ich die Angst, dass er vergisst zu atmen.

»Sie hat sich damals schon gerne stundenlang im Wasser aufgehalten«, sinniert Aspen.

Er schiebt die leere Kaffeetasse von sich und legt die Unterarme auf dem Tisch ab. Dadurch rutscht sein Hemd an den Handgelenken nach oben und ich erkenne eine ähnliche Narbe wie die, die seine Mutter zuvor offenbart hat.

»Das stimmt. Sie ist eine der besten ihres Jahrganges.« Stolz schwingt in ihrer Stimme mit und ein verträumtes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

»Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesprochen. Eigentlich seit du... seit ihr gegangen seid.« Aspens Adamsapfel hüpft auf und ab, als er mehrmals hintereinander schluckt und seine Arme mit den Händen umklammert. Ich weiß, dass ihn das schlechte Gewissen und die Schuld davon abgehalten haben, mit seiner Schwester in Kontakt zu bleiben. Selbst wenn das Verhältnis zu meinem Bruder oft nicht das Beste ist, so kann ich mir dennoch nicht vorstellen, ihn mehr als ein Jahrzehnt nicht zu sehen.

Aspen stellt das Bein auf und beginnt, mit diesem auf und abzuwackeln.

»Ich habe mich immer schuldig gefühlt. Nachdem du sie mitgenommen hast, habe ich geglaubt, du würdest sie vor mir beschützen wollen. Ich wollte sie nicht wieder in Gefahr bringen. Ich wollte ihr nicht wehtun.« Seine Unterlippe beginnt zu beben und ich kann nichts dagegen unternehmen, dass ich brennende Tränen in meinen Augen sammeln.

Margerys Gesicht wird von Schmerz verzerrt, den sie mit aller Kraft zu verbergen versucht. Leider ist sie nicht besonders gut darin, ihn vor uns zu verstecken. Sie presst die Lippen zusammen und beugt sich zur Seite, auf der Suche nach ihrer Handtasche und einem Handy.

»Ich habe vor ein paar Jahren mit ihr über den Brand gesprochen. Sie war noch so klein, dass sie sich kaum an die Geschehnisse erinnern kann. Damals konnte ich nur mutmaßen, warum du dich nicht bei ihr meldest, und es tut mir leid, wenn ich ihr die falschen Gründe genannt habe. Ich habe nicht gewusst, dass dein Vater... An diesem Tag war sie so traurig, ich musste ihr irgendeinen Grund nennen.«

All this Time  | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt